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»Gewiß, Hüterin.« Der Fremde reichte ihr seinen Arm. »Ich gebe Euch mein Wort, daß Eure Wünsche mir ein Befehl sind!«

Brunhild legte ihre Hand auf den dargebotenen Arm und schaute auf. Norwin schaute sie an. Auf seiner Stirn hatte sich eine steile Sorgenfalte gebildet.

»Norwin!« sagte sie und lächelte ihm zu. »Es wäre mir lieb, wenn Ihr uns begleiten könntet.«

Der Krieger neigte das Haupt. »Wo immer Ihr hingeht, ich werde Euch folgen, Hüterin!«

10. KAPITEL

Brunhild ließ das duftende Wasser immer wieder über ihre Haut fließen. Das Wasser war angenehm warm und roch nach frischen Rosen. Eine junge Dienerin stand hinter ihr und frisierte ihr das kurze Haar so gut es ging. Auf einen Wink hin ließ die junge Frau von ihr ab und verschwand hinter einem seidenen Vorhang. Brunhild war alleine in dem prächtigen Bad und streckte sich aus. Sie legte den Kopf an den Rand des Beckens und betrachtete das Deckengemälde.

Für einen Tag lang hatte sie alles um sich vergessen. Sie hatte mit dem Craiach einen langen Spaziergang durch seinen Garten gemacht, hatte an Blumen gerochen und Bienen bei ihrer Arbeit zugeschaut. Der Waldkönig hatte ihr eine kleine Spinne gezeigt, die ihr Netz jeden Morgen aufs neue spann, und ein Igelpaar, das in einem kleinen Bau aus herabgefallenen Ästen lebte.

Sie hatte mit ihm gescherzt und gelacht und hatte sich lange nicht so frei und leicht gefühlt. In seiner Gegenwart schien die Zeit anders zu gehen, denn ehe Brunhild sich versah, war es Abend geworden. Norwin hatte sich ein paar Mal hinter ihr geräuspert, und einmal hatte er sie deutlich an ihre Worte eines baldigen Aufbruchs erinnert, doch Brunhild wollte nicht gehen. Sie genoß die Gesellschaft des Waldkönigs, selbst wenn er wirklich nur ein Magier sein sollte. Es gefiel ihr in diesem Garten. Sie seufzte.

»Herrin?«

»Ja?« Brunhild setzte sich in dem Bad auf. Die junge Dienerin war zurückgekehrt. Über dem Arm trug sie ein weißes Gewand; es schimmerte seidig, und an seinem Kragen glomm ein dunkler Smaragd.

»Der Craiach schickt mich zu Euch, dieses Gewand für den Abend zu bringen. Er hofft, daß es zu Eurer Zufriedenheit ist.«

»Danke«, sagte Brunhild. »Legt es dort über den Stuhl.«

Die Dienerin gehorchte. »Ich werde Eure alte Kleidung mitnehmen, Herrin«, sagte die junge Frau und bückte sich.

Brunhild betrachtete gedankenverloren das Kleid. Der Smaragd hatte die gleiche Farbe wie die Bäume in dem Garten, durch den sie den ganzen Tag spaziert war. Sie spürte, wie die Erinnerung an die Stunden mit dem Craiach sie erfreuten. Einmal hatte der Mann ihre Hand berührt, als er ihr eine der wilden Blumen zeigen wollte. Brunhild freute sich auf den Ball, ihr Herz konnte es kaum erwarten, den Craiach wiederzusehen.

Wenigstens heute, dachte sie, möchte ich feiern.

»Verdammt, was geht hier vor?« Norwins Stimme klang rauh und riß sie unsanft aus ihren Träumen. Brunhild horchte auf. Die schweren Schritte des Kriegers kamen rasch näher. Zornig riß er den seidigen Vorhang zur Seite und starrte einen Augenblick auf das Bad. Dann wandte er den Blick wieder ab. Er hielt die Dienerin am Arm fest und zerrte sie hinter sich her. Brunhild fühlte deutlich die Wut des Kriegers.

»Das Weib wollte Eure Kleider forttragen, Hüterin«, sagte er und nahm den Gürtel von dem Stapel, den die junge Frau auf ihrem Arm trug. »Ich wollte sichergehen, daß sie dies mit Eurem Einverständnis tut!«

Brunhild betrachtete das silberne Geschmeide, das die alte Ramee ihr geschenkt hatte, und erschrak.

»Norwin...« Brunhild hielt inne. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.

»Aber ich habe der Hüterin gesagt, daß ich ihre Kleider mitnehme«, verteidigte sich die junge Dienerin.

»Schön, doch wie Ihr seht, hat die Hüterin ihre Meinung geändert. Sie wird Ihre Gewänder brauchen, und zwar gleich!« rief Norwin.

»Der Craiach sagt, sie solle das weiße Gewand zum Fest tragen«, erwiderte die junge Frau. Brunhild sah ihr an, daß sie am ganzen Leib zitterte.

»In dem weißen Kleid wird sie aber kaum reiten können, falls sie den Ball verlassen will. Der Craiach wird froh sein, wenn die Hüterin überhaupt zum Fest erscheint!« fuhr Norwin sie an. »Wenn es nach mir ginge, würde sie das nämlich nicht tun!«

Er warf Brunhild einen zornigen Blick zu. »Denn wir sind schon viel zu lange hier!« Er nahm der Frau auch die restlichen Sachen ab.

»Ihr dürft nun gehen«, sagte er. Die Ironie in seiner Stimme war nicht zu überhören. Dann wandte er sich an Brunhild. »Es wäre besser, wenn Ihr nun dieses Bad verlaßt und Euch ankleidet, Hüterin des Feuers.« Achtlos war er ihre Kleider auf den Boden und ging.

Als er fort war, atmete Brunhild tief ein. Ihre Finger tasteten unter ihren Gewändern, die nahe am Rand des Bades lagen, nach dem silbernen Gürtel. Vorsichtig zog sie ihn zwischen den Stoffen hervor und fühlte, wie die Tränen in ihr aufstiegen. Der Krieger hatte recht. Auch wenn Norwin es kaum ahnen konnte und wenn seine Beweggründe gewiß anderer Natur gewesen waren, so hatte er ihr doch damit, daß er ihr die Gewänder zurückbrachte, einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Für ein weißes Gewand mit einem Smaragd hatte sie beinahe den Gürtel der alten Ramee achtlos fortgegeben. Sie hatte das heilige Zeichen ihrer Priesterinnenweihe einer fremden Dienerin überlassen. Brunhild zürnte sich selbst. Sie war schon wieder dabei, den Weg der Göttin zu verlassen; diesmal für eine Illusion von Glück. Doch es konnte für sie kein wirkliches Glück geben, solange sie ihre Aufgabe nicht erfüllt hatte.

Der Waldkönig behandelte sie wie eine Königin. Er hatte ihr freigestellt, so lange zu bleiben, wie es ihr Herz erfreute. Es schmeichelte ihr, doch sie war keine Königin. Sie war nicht einmal die wirkliche Hüterin des Feuers. Zwar hatte Ramee sie geweiht, doch in ihrer Flammenburg herrschte nun wahrscheinlich die schwarze Priesterin an Rabans Seite. Hunger, Elend, Tod und Verderben würden in ihrem Land wüten, während sie hier rauschende Feste feierte.

»Danke, Norwin«, sagte sie leise zu sich selbst und erhob sich. Das warme Wasser ran an ihrem Leib herab.

Eine männliche Hand reichte ihr durch den seidenen Vorhang ein trockenes Leinentuch. »Verzeiht, Hüterin, wenn ich zu heftig war«, sagte Norwin. »Ich glaubte, wenn die Dienerin erst einmal Eure Kleidung fortgetragen hat und Ihr Euch in diesen eleganten Gewändern wohl fühlt, reiten wir nie mehr hier fort.«

»Ihr seid noch hier, Norwin?« Brunhild nahm irritiert das Tuch in Empfang und trocknete sich ab. »Gleich nach dem Fest werden wir aufbrechen!«

»Erst nach dem Fest?« Norwins Stimme klang verärgert.

»Ja!« sagte Brunhild entschieden. Sie zog lächelnd ihr altes Leinenhemd wieder über. »Ich will auf den Ball gehen! Heute abend will ich die Dunkelheit vergessen. Und dann werde ich mich wieder dem Kampf stellen, dies schwöre ich Euch.« Sie schaute an sich herab. »Wenn der Craiach wirklich der Rebell ist, der er vorgibt zu sein, dann wird er verstehen, daß ich es vorziehe, in meinen eigenen Kleidern zu tanzen.« Sie zog den Vorhang zurück. Norwin betrachtete sie, und ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen.

»Gleich nach dem Fest?« fragte er.

»Gleich nach dem Fest!«

»Wie Ihr meint, Hüterin, doch ich werde auch während des Tanzes auf Euch achten!«

»Tut das, Norwin«, sagte sie ruhig und schlang sich den Gürtel um. Wie von selbst glitt die Schnalle ineinander und hielt das Geschmeide sicher in ihrer Taille. »Ich werde den Kampf nicht vergessen!« sagte sie und ging an dem Krieger vorbei in den Garten.

Das rauschende Fest dauerte noch an, als Brunhild atemlos vom Tanz Zuflucht in dem nächtlichen Garten suchte. Erhitzt und ausgelassen vom Wein ging sie ein paar Schritte in die Dunkelheit und betrachtete von dort durch das weite offene Tor des Ballsaales das fröhliche Treiben der Gäste. Die Musikanten spielten immer noch zum Tanz auf; das Lachen der Menschen war selbst hier draußen noch zu hören.