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Inmee umfaßte den Rubin an ihrem Hals und hielt ihn Norwin triumphierend entgegen. »Niemand wird sich mir in den Weg stellen!«

»Ihr seid ein Dämon«, flüsterte Norwin.

»Vielleicht bin ich das, aber Eure geliebte Kriegerin wird auch einer werden«, sagte sie. »Die weißen Frauen haben mich aus ihrem Kreise ausgeschlossen, nun werde ich sie ausschließen!«

Norwin schaute auf ihre weißen Finget, die immer noch den blaßroten Edelstein umklammerten, und schüttelte den Kopf.

Die dumpfe Teilnahmslosigkeit in ihm hatte gesiegt.

Inmee zuckte mit den Schultern. »Für Euch, Krieger, ist es ohnehin belanglos geworden! Ich glaube nicht, daß Ihr den morgigen Tag überleben werdet.« Sie zeigte mit der Hand auf Arma. »Und ich fürchte sie auch nicht!«

Norwins Beine wurden schwer. Er fühlte in sich den wachsenden Wunsch, nicht länger zu stehen, sondern sich auf dem Teppich zu Armas Füßen niederzulassen und zu sterben. Aber selbst dazu fehlte ihm die Kraft. Er hörte Inmee irgend etwas Unverständliches murmeln und sah, wie die Wölfin geschmeidig auf Arma zuschritt. Die Priesterin sagte noch ein weiteres Wort, und die Wölfin biß der Kriegerin in die Kehle. Norwin fühlte, wie ihm die Tränen in die Augen stürzten, doch er wußte nicht mehr genau warum. Seine Hand ballte sich einen Augenblick zur Faust, dann ließ er wieder los. Stumm blickte er auf das Tier, das seiner Geliebten über die blutende Wunde leckte und sie tötete.

3. KAPITEL

Raban schaute durch das kleine Loch in der Zeltwand auf die Wölfin. Dieses geheimnisvolle Tier und die schwarze Priesterin verkörperten alles, wonach er sich in den langen, einsamen Nächten in Worms gesehnt hatte. Die finstere Macht, die von den beiden ausging, erinnerten ihn an seinen Vater Pyros, der einst ein Feuermagier gewesen war.

Plötzlich hob die Wölfin den Kopf und schaute in seine Richtung, als habe sie seine Gedanken erraten. Für den Hauch eines Augenblicks schlug sein Herz ein wenig schneller, aber diese unheimlichen Augen, die ihn anblickten, lösten in ihm keinerlei Furcht aus. Es war eher wie eine Versuchung aus schwarzgelbem Feuer und ungezähmter Wildheit, die ihn auf geheimnisvolle Weise lockte.

Nach und nach stiegen Bilder von einem mächtigen Zauberreich am Rande eines riesigen Kraters in ihm auf. Er sah sich einem Adler gleich über den flammenden Bergen kreisen. Dann wieder kroch er durch einen gewundenen Gang auf eine goldene Tür zu. Begierig zu wissen, was sich dahinter verbarg, wollte er sie aufstoßen, doch genauso unerwartet, wie sie den Blick gehoben hatte, wandte die Wölfin ihn wieder ab, und Raban stürzte aus seinem Traum heraus zurück in die Wirklichkeit.

Das Tier hatte seine tiefsten Sehnsüchte erkannt. Raban war sicher, daß es den Weg zu dem magischen Schloß seiner Ahnen kannte, von dem sein Vater ihm vor langer Zeit erzählt hatte. Er mußte der Wölfin folgen.

Eben wollte er aufspringen, um in das Zelt hineinzugehen, als er plötzlich den sanften Druck einer weichen Pfote auf seinem Arm spürte. Erschrocken über die unerwartete Berührung, zuckte er zusammen.

Neben sich sah er einen kräftigen, kleinen Kater im Gras liegen, der ihn aus dunklen Augen anschaute und leise zu schnurren begann. Irritiert blickte Raban eine Weile auf den Kater und erinnerte sich, daß er ihm bereits zweimal im Wald begegnet war. Vielleicht gehörte er zum Lager der Männer. Wieder fühlte er deutlich den Druck der Pfote auf seinem Arm. Sie war weich und warm. Der Kater hatte die Krallen eingezogen.

Raban rührte sich nicht. Irgend etwas ließ ihn innehalten. Die Ohren des Tieres waren aufmerksam aufgerichtet, schwenkten dann und wann in andere Richtungen, um zu lauschen, ohne daß dies das Schnurren beeinträchtigt hätte.

Raban mochte Katzen. Langsam streckte er seine Hand aus und streichelte sanft das kräftige Köpfchen. Das Schnurren wurde lauter.

»Sei leise«, flüsterte er kaum hörbar. »Sonst haben wir gleich die Wachen am Hals!« Dann mußte er lächeln. Das Schnurren hörte auf, als habe der Kater ihn verstanden, doch die Pfote blieb auf seinem Arm. Raban streichelte wieder über das Köpfchen. Es war ein schöner und anscheinend auch sehr kluger Kater. Das weiche Fell fühlte sich angenehm warm zwischen seinen kalten Fingern an, so daß Raban kaum aufhören mochte, darüber zu streichen. Er genoß die wohltuende Nähe des Tieres und vergaß für einen Augenblick alles um sich herum.

Irgendwann zog das Tier seine Pfote zurück, streckte sich, gähnte und stand auf. Der Kater stupste seine feuchte Nase noch einmal gegen Rabans Hand und stolzierte hocherhobenen Hauptes durch das hohe Gras davon.

Raban schaute ihm lächelnd nach. Er fühlte sich seltsam ruhig. Nachdenklich schüttelte er den Kopf und wandte sich, wenn auch ein wenig zögerlich, erneut dem Geschehen im Inneren des Zeltes zu.

Die Wölfin leckte an Armas Halswunde. Raban betrachtete es eine Weile, aber der Anblick des zotteligen Dämonen erschien ihm jetzt anders als zuvor. Offenbar hatten die Augenblicke, in denen er von dem Kater abgelenkt worden war, ausgereicht, seinen Verstand zu schärfen. Er mußte ihr nicht sofort gegenübertreten. Vielleicht war es sogar besser, ihr noch einige Zeit zu folgen, um mehr über sie und die Priesterin zu erfahren.

Die Wölfin hob erneut den Kopf, ohne ihn jedoch anzuschauen. Arma war tot. Raban wußte es.

»Schaut Euch Eure große Kriegerin an!« hörte er die Priesterin sagen. »Schaut genau hin, Norwin, was nun mit ihr geschieht.« Sie lachte kalt.

Raban betrachtete Norwins Profil. Der Krieger blickte teilnahmslos auf die Tote herab. Nur seine Hände hatten sich ganz langsam wieder zu Fäusten geschlossen, die Schultermuskeln zuckten nervös, doch sonst schaute er unbewegt auf Arma, ohne sich zu rühren. Raban verstand es nicht.

Ein plötzliches Zittern, das durch den toten Leib der Kriegerin ging, lenkte seine Aufmerksamkeit von Norwin ab. Die Haut der Frau fiel in tiefen Falten zusammen, wurde plötzlich alt und fahl, verwelkte wie die Blüte einer schönen Blume, so als wäre die Kriegerin ein uraltes Weib gewesen. Sie ähnelte nun immer mehr der Gestalt der Priesterin, wie sie nach der Beschwörung der Wölfin ins Zelt gekommen war. Die Wangen der Kriegerin brachen über den Knochen ein, verzerrten das Gesicht der Frau zu einer wachsgelben Totenfratze. Ihr kurzes blondes Haar wurde dünn und grau. Der ganze Körper schien bis auf die Knochen, die mehr und mehr aus den Gewändern hervorstachen, zu schrumpfen.

Dann schlug sie die Augen auf.

Ein unerwartetes Zittern bebte durch Norwins Körper. Der Krieger straffte den Rücken.

Raban sah, wie Arma sich aufrichtete und irritiert um sich blickte. Hungrig leckte sie sich über die Lippen.

Die Priesterin lachte böse.

»Ihr seht, Norwin, ich bin längst nicht so grausam, daß ich Euch Eurer Geliebten entreißen würde. Hier habt Ihr sie wieder! In aller Pracht und Schönheit. Sie braucht nur ein wenig Blut, und Ihr könnt sie lieben bis in alle Ewigkeit!«

»Ihr seid ein Ungeheuer«, zischte Norwin, und Raban sah, wie der Krieger mit einem gewaltigen Satz zu seinem Schwert sprang, es mit beiden Händen hochriß und damit der erwachenden Kriegerin den Kopf abschlug.

Langsam kroch Raban durch das kühle feuchte Gras von den Zelten fort. Es fröstelte ihn wieder, seine Glieder zitterten. Als er hinter den ersten Bäumen Deckung fand, stand er auf und erkannte nicht weit davon die vertraute Gestalt seines Pferdes. Wie eine gewaltige Statue hob sich die Silhouette des mächtigen Hengstes gegen das heller werdende Licht ab. Seine Nüstern witterten unruhig, und sein langer gewellter Schweif wehte leicht im Wind.