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Sie marschierten weiter durchs Dunkel des frühen Morgens. Beim ersten Schein der Dämmerung führte Stythys die Gesellschaft hinauf in die Felsen. Sie entfernten sich vom Silberfluß, wo er trübe und träge durch sein Bett quoll, kletterten hoch in die Klippen. Bäume und Sträucher verschwanden, und kahles Gestein erstreckte sich nach allen Seiten. Sonnenlicht brach im Osten in strahlendem, gleißendem Gold über den Bergrand und loderte wie Flammen durch die Spalten und Risse im Fels. Sie stiegen dem Feuer entgegen, bis sie ihr Weg plötzlich und unerwartet in den dunklen Schatten einer Klippe führte und sie am Eingang einer riesigen Grotte standen.

»Die Höhlen der Nacht!« zischte Stythys leise.

Die Höhle gähnte der kleinen Gruppe wie ein geöffneter Rachen entgegen, und gezackte und verformte Felssplitter versperrten ihnen den Zugang wie Zähne. Wind fegte von den Berghöhen herab, und es kam ihnen vor, als pfiffe er ihnen aus den Höhlen entgegen. Stücke stumpfen, weißlichen Holzes lagen um den Eingang verstreut, als hätten Zeit und Wetter die Rinden abgelöst. Jair schaute genauer hin und erstarrte. Die Holzstücke waren geborstene, gesplitterte, gebleichte Knochen.

Garet Jax baute sich vor Stythys auf. »Wie sollen wir da drinnen etwas sehen, Mwellret? Hast du Fackeln?«

Stythys lachte leise und böse. »Fackeln brennen nicht in den Höhlen, kleine Freunde. Brauchen Zauberkraft!«

Der Waffenmeister blickte kurz wieder zum Höhleneingang. »Und du verfügst über diese Zauberkraft?«

»Verfüge tatsächlich darüber«, antwortete der andere mit verschränkten Armen und ließ seinen Körper ein wenig anschwellen. »Bessitze den Feuersstrudel. Liegt drinnen bereit!«

»Wie lange wird das dauern?« fragte Foraker voller Unbehagen. Zwerge mochten keine geschlossenen Räume, und sich in diesen zu wagen, war ihm besonders unsympathisch.

»Werden die Höhlen rasch durchquert haben, kleiner Freund«, bestätigte Stythys allzu eilfertig. »Führe euch in drei Sstunden durch. Graumark erwartet unss!«

Die Mitglieder der kleinen Gesellschaft warfen einander und dann dem Höhleneingang unsichere Blicke zu. »Ich sage euch, ihm ist nicht zu trauen!« warnte Spinkser sie noch einmal.

Garet Jax förderte ein langes Seil zutage und schlang das eine Ende um sich, das andere um Stythys. Er prüfte die Knoten, die es banden, und zog dann das lange Messer hervor. »Ich werde dir näher sein als dein Schatten, Mwellret. Vergiß das nicht. Nun führe uns hinein und zeige uns deine Zauberkunst.« Stythys wollte kehrtmachen, aber der Waffenmeister riß ihn noch einmal herum. »Nicht zu weit hinein. Nicht, ehe wir genau sehen können, was du machst.«

Der Mwellret schnitt eine Grimasse. »Werde ess kleinen Freunden zeigen. Kommt!«

Er schlurfte auf die riesige, schwarze Öffnung zu den Höhlen zu; Garet Jax befand sich nur einen Schritt hinter ihm, der Strick um ihre Taillen schnürte sie wie einen Mann zusammen. Spinkser folgte ihnen sogleich. Nach kurzem Zögern kamen ihnen auch die übrigen der Gruppe nach. Der Sonnenschein erlosch, als die Schatten um sie her sich immer mehr verdunkelten, und sie schritten durch den steinernen Rachen in die dahinterliegende Finsternis. Ein paar wenige Augenblicke half ihnen das schwache Licht der Dämmerung bei ihrem Weiterkommen, indem es die Formen von Boden, Wänden, spitzen Stalaktiten und angehäuften Felsbrocken umriß. Dann begann auch rasch dieses bißchen Licht zu schwinden, und sie wurden von der Finsternis verschlungen.

Nun konnten sie praktisch gar nichts mehr sehen, und ihre Schritte verhallten kurz nacheinander, als sie stehenblieben und das Scharren der Lederstiefel auf Gestein ein lautes Echo in der Stille der Höhle hervorrief. Sie verharrten dicht zusammengedrängt und lauschten, wie es erstarb. Aus den Tiefen der Schwärze vor ihnen drang das Tröpfeln von Wasser an ihre Ohren. Und von noch weiter drinnen erklang das Knirschen von Stein auf Stein.

»Sseht ihr, kleine Freunde«, zischte der Stythys plötzlich. »Alless schwarz in den Höhlen!«

Jair schaute sich voller Unbehagen um und sah so gut wie nichts. Edain Elessedils schmales Elfengesicht neben ihm war als schwacher Schatten zu erkennen. In der Luft hing eine eigentümliche Feuchtigkeit, eine klebrige Nässe, in der Bewegung war, obgleich kein Wind herrschte, und die sich um sie zu schlingen und zu winden schien. Sie fühlte sich widerlich an und roch nach Fäulnis. Der Talbewohner zog voller Abscheu die Nase kraus, und plötzlich fiel ihm auf, daß das der gleiche Geruch war, der in Stythys Zelle auf Capaal geherrscht hatte.

»Rufe nun den Feuersstrudel«, krächzte der Mwellret, daß der Talbewohner zusammenschreckte. »Hört ihr! Ich rufe jetzt dass Licht!«

Er stieß einen lauten Schrei aus, eine Art hartes, hohles Pfeifen, das rauh und qualvoll wie das Knirschen von Knochen klang. Das Pfeifen gellte durch die Finsternis und tief in die Höhlen hinein. Es hallte lang und klagend wider, dann wiederholte der Mwellret den Schrei noch einmal. Jair schauderte. Die ganze Idee mit diesen Höhlen gefiel ihm immer weniger.

Darauf erschien ganz unvermittelt der Feuerstrudel. Er schoß als Haufen funkelnder Staubpartikel auf sie zu, wobei schillernde Fünkchen in einem nicht vorhandenen Wind dahinsegelten und herum-wirbelten. Weit ausgebreitet stob er nun aus der Finsternis ihnen entgegen, zog sich vor den ausgestreckten Händen des Mwellrets schnell zusammen, und die winzigen Teilchen kreisten in einem dichten Lichtball, der gelben Schein verströmte, um Helligkeit in die Düsternis der Höhlen zu bringen. Die Angehörigen der kleinen Gruppe beobachteten verblüfft, wie der Feuerstrudel sich verdichtete und vor Stythys schwebte, und der seltsame Schimmer flackerte und tanzte über ihre Gesichter.

»Bessitze eigene Zauberkünsste, kleine Freunde«, zischelte Stythys triumphierend. Das Echsenanlitz suchte Jairs Blick, und seine grünen Augen funkelten im unsteten Licht. »Ssiehst du, wie der Feuersstrudel gehorcht?«

Garet Jax trat rasch zwischen die beiden. »Weise uns den Weg, Mwellret. Die Zeit zerrinnt uns zwischen den Fingern.«

»Ssie rinnt schnell dahin, dass tut ssie«, krächzte der andere leise.

Sie drängten sich weiter in die Finsternis, und der Feuerball erhellte ihnen den Weg. Die Wände der Höhlen der Nacht stiegen höher um sie auf und verloren sich schließlich im schattigen Dunkel, das nicht einmal der Feuerstrudel zu durchdringen vermochte. Aus der Düsternis hallte der Klang ihrer Schritte in eigentümlichen, dumpfen Echos zu ihnen zurück. Der Gestank wurde schlimmer, je tiefer sie in die Höhle vorstießen, ließ die Luft faulig werden und zwang sie zu kurzen Atemzügen, wenn sie nicht würgen wollten. Der Gang teilte sich vor ihnen und verzweigte sich zu Dutzenden von Korridoren, die sich in einem unglaublichen Tunnellabyrinth kreuzten. Doch Stythys ging nicht langsamer, sondern wählte, ohne zu zögern, den Tunnel, welchem sie folgen sollten. Der schimmernde Staub des Feuerballs tanzte vor ihnen her.

Die Zeit schlich dahin. Noch immer nahmen die Tunnel und Gänge als endlose schwarze Öffnungen im Fels kein Ende. Der Gestank wurde noch unerträglicher, und inzwischen erklang das Knirschen von Steinen nicht aus der Ferne, sondern aus unerfreulich direkter Nähe. Dann plötzlich gebot der Stythys ihnen am Eingang einer besonders riesigen Grotte Halt, und der Feuerstrudel schwebte dicht heran, sobald er die Hand hob.

»Prockss!« flüsterte er.

Mit einer ruckartigen Handbewegung schleuderte er den Feuerstrudel von sich, so daß er in die Höhle vor ihnen flog und das undurchdringliche Schwarz erhellte. Die Mitglieder der kleinen Gruppe von Culhaven starrten entsetzt auf den Anblick, den das Licht ihnen bot. Da sprenkelten Hunderte von zerklüfteten, klaffenden Rissen den Höhlenboden und öffneten und schlössen sich wie Münder bei einem widerlichen Kauvorgang, und der Fels knirschte haßerfüllt in der Dunkelheit. Geräusche erklangen aus jenen Mündern — gurgelndes Rauschen, Würgelaute, tiefes, ächzendes Rülpsen von flüssigem und zermalmtem Gestein.