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»Spinkser!« schrie Jair.

Der Gnom und der Mwellret stolperten durch das Labyrinth der Procks und rangen wild miteinander. Der Feuerstrudel stieg weiter auf, als Stythys die Gewalt darüber immer mehr entglitt, und die gesamte Höhle verdunkelte sich rasch. Noch ein paar Sekunden, und sie würden nichts mehr sehen können.

»Gnom!« schrie Foraker warnend und löste sich aus der Gruppe, um zu den beiden Kämpfenden zu stürzen.

Aber Garet Jax war schneller. Wie ein Schatten sprang er aus der Finsternis, sobald er sich hochgerappelt hatte. Das lange Messer durchtrennte das Seil an seiner Taille mit einem einzigen Schnitt. Procks knirschten und schnappten als Reaktion auf die Geräusche oben, und ihre dunklen Mäuler arbeiteten wie von Sinnen. Stythys und Spinkser befanden sich direkt zwischen ihnen und rutschten bei ihrem Handgemenge immer näher darauf zu...

Dann war Garet Jax bei ihnen, nachdem er mit einem Satz den Abstand, der sie trennte, überbrückt hatte und umklammerte mit eisernem Griff Spinksers Bein. Mit einem Ruck riß er den Gnomen aus Stythys’ Klauen. Kleidung ging in Fetzen, und ein furchteinflößendes Zischen brach aus der Kehle des Mwellrets.

Er verlor das Gleichgewicht und stürzte nach hinten. Unter ihm klaffte der aufgesperrte Rachen eines Procks. Einen Augenblick lang schien die Echse zu schweben, und ihre krallenbewehrten Finger versuchten in der Luft Halt zu finden. Dann fiel der Mwellret und entschwand ihren Blicken. Der Prock schloß sich, es ertönte ein plötzlicher Aufschrei. Der schwarze Spalt begann zu mahlen und erfüllte die ganze Höhle mit seinem entsetzlichen Knirschen.

Sogleich zerstreute sich der Feuerstrudel, flog zurück in die Finsternis und nahm das kostbare Licht mit. Die Höhlen der Nacht waren wieder in Finsternis getaucht.

Es dauerte mehrere Minuten, ehe irgend jemand sich wieder rühren konnte. Sie duckten sich zu Boden, wo sie in der Finsternis gerade kauerten, warteten, daß ihre Augen sich auf die Dunkelheit einstellten, und lauschten auf die Geräusche der Procks, die rund herum malmten. Als es sich schnell erwies, daß da nicht das kleinste Licht war, an das ihre Augen sich hätten gewöhnen können, rief Elb Foraker die anderen auf, sie sollten antworten. Einer nach dem anderen meldeten sie sich als körperlose Stimmen in undurchdringlicher Nacht. Sie waren alle da.

Aber sie wußten, daß sie vermutlich nicht mehr lange dablieben. Der Feuerstrudel war fort und mit ihm das Licht, das sie so dringend benötigten, um ihnen den weiteren Weg zu zeigen. Ohne den waren sie blind. Sie mußten versuchen, sich allein mit Hilfe ihres Instinkts durch das Labyrinth der Procks zu bewegen.

»Hoffnungslos«, erklärte Foraker sogleich. »Ohne Licht können wir nicht feststellen, wo der Weg weiterverläuft, und wir können uns unsere Route nicht aussuchen. Selbst wenn wir den Procks entkommen, werden wir ewig in diesen Höhlen herumirren.«

Aus der Stimme des Zwergen klang eine Spur Furcht, wie Jair sie noch nie zuvor bei ihm gehört hatte. »Es muß einen Ausweg geben«, murmelte er ebenso für sich wie für die anderen.

»Helt, kannst du mit deiner Fähigkeit, bei Nacht besonders gut zu sehen, etwas anfangen?« erkundigte sich Edain Elessedil voller Hoffnung. »Erkennst du genug, um einen Weg durch diese Finsternis zu finden?«

Doch der hünenhafte Grenzländer war nicht dazu in der Lage. Selbst er benötigte wenigstens etwas Licht zur Unterstützung, gab er freundlich zu bedenken. Bei völliger Dunkelheit war seine Begabung nutzlos.

Daraufhin schwiegen sie eine Weile, nachdem nicht die geringste Hoffnung blieb. In der herrschenden Finsternis konnte Jair hören, wie Spinksers rauhe Stimme Garet Jax vorhielt, er hätte nie und nimmer einer Echse trauen dürfen, das hätte er ihm doch gleich gesagt. Jair lauschte und ihm schien, daß auch Brin zu ihm spräche und ihn ebenfalls mahnte, daß er besser auf sie gehört hätte. Er verdrängte ihre flüsternde Stimme und dachte dabei, daß das Wünschlied ihm helfen könnte, den Feuerstrudel zurückzurufen, wenn es ihm ebenso gedient hätte wie ihr. Aber sein Lied war nur ein Trugbild, eine Vorspiegelung falscher Tatsachen.

Dann dachte er an den Sehkristall.

Aufgeregt rief er nach den anderen und suchte in seinen Kleidern, bis er die sorgsam versteckte Kugel fand, die von ihrer Silberkette baumelte. Er umschloß sie mit beiden Händen und zog sie heraus. Der Kristall würde ihnen Licht spenden — so viel Licht, wie sie brauchten! Mit der Kristallkugel und Helts gutem Sehvermögen bei Nacht würden sie aus diesen verdammten Höhlen herausfinden!

Er vermochte kaum die Erregung zu unterdrücken, die ihn durchflutete, als er das Geschenk des Königs vom Silberfluß ansang und den Zauber auslöste. Das strahlende Licht flammte auf und überflutete die Höhle mit seinem Schein. Darin erschien Brin Ohmsfords Gesicht dunkelhäutig, schön und völlig erschöpft, und es erstand vor ihnen in der Düsternis der Höhlen der Nacht wie ein Geist aus einer anderen Welt. Grau umgab das Talmädchen, Finsternis, die nur allzu deutlich an die ihre hier erinnerte, dicht und bedrückend. Wo immer sie sich befand, als sie an ihnen vorbei in ihre eigene Zukunft sah, ihr Aufenthaltsort war kein bißchen freundlicher als der ihre.

Vorsichtig traten sie zusammen und gruppierten sich um das Licht des Kristalls. Sie faßten einander bei den Händen wie Kinder, die einen dunklen Raum durchqueren müssen, und setzten sich durch das Labyrinth der Procks in Bewegung. Jair ging voran, und das von seiner Stimme gestützte Licht des Kristalls verscheuchte die Dunkelheit vor ihnen. Helt folgte einen Schritt hinter ihm, und seine scharfen Augen schweiften über den Höhlenboden, auf der Suche nach verborgenen Procks. Dahinter kamen die übrigen.

Sie gelangten von dieser Höhle in eine weitere, die aber schon kleiner war und wo der richtige Weg sich einfacher erkennen ließ. Jairs Lied stieg klar, kräftig und voller Sicherheit empor. Er wußte nun, daß sie diesen Höhlen entkommen würden, und das verdankten sie Brin. Er hätte aus Dankbarkeit am liebsten geweint angesichts ihres Bildes, das da vor ihm schwebte. Wie eigentümlich, daß sie auf diese Weise kommen würde, um sie zu retten.

Er schloß die Ohren gegenüber dem steinernen Knirschen der Procks und sperrte aus seinem Denken alles aus, außer dem Licht und dem Bild vorn Gesicht seiner Schwester, das da vor ihm schwebte; und er schritt in Hingabe an den Zauber des Wünschliedes weiter durch die Dunkelheit.

38

Brin und ihre Retter benötigten die restlichen Stunden dieser Nacht, um wieder aus dem Altmoor herauszufinden. Und sie hätten es nicht geschafft, hätte Wisper sie nicht geführt, aber die riesige Moorkatze war im Tiefland zu Hause, und weder der Nebel noch die tückische, schlammige Erde konnte ihn aufhalten. Er wählte seinen Weg mit Hilfe von Instinkten, die auch das Moor nicht täuschen konnte, und führte sie auf diese Weise südwärts auf die dunkle Wand des Rabenhorns zu.

»Ohne Wisper hätten wir dich im Moor verloren«, erklärte Kimber dem Mädchen aus dem Tal, nachdem sie sich wiedergefunden und ihren Marsch nach Süden aufgenommen hatten. »Wisper war es, der dich im Nebel aufgespürt hat. Er läßt sich nicht von Erscheinungen in die Irre führen, und nichts vom Moor vermag ihn zu täuschen. Und es war gut, daß wir dich in jenem Augenblick fanden, Brin. Du mußt dich von nun an immer dicht bei uns halten.«

Brin nahm den wohlgemeinten Tadel kommentarlos hin. Es hatte keinen Sinn, die Angelegenheit weiter breitzutreten. Ihr Entschluß, die anderen abzuhängen, ehe sie den Maelmord erreichten, stand fest. Sie mußte nur noch den geeigneten Augenblick dafür abwarten. Ihre Motive waren simpel. Die Aufgabe, mit der Allanon sie betraut hatte, bestand darin, in den abweisenden Wald einzudringen, der den Ildatch beschützte, und für die Vernichtung des Buches der schwarzen Magie zu sorgen. Sie würde das tun, indem sie den Zauber des Wünschliedes mit dem Zauber des Maelmords konfrontierte. Vor kurzem noch hatte sie sich gefragt, ob dergleichen auch nur möglich wäre. Heute fragte sie sich nicht, ob es möglich wäre, sondern ob es vielleicht katastrophale Folgen nach sich zog. Die entfesselten Mächte der Zauberkräfte würden schrecklich sein — nicht ein Ringen weißer Magie mit der schwarzen, sondern der Widerstreit zweier in Tönung und Wirkung gleich schwarzer Magien. Der Maelmord war in zerstörerischer Absicht geschaffen. Aber das Wünschlied vermochte ebenfalls zu vernichten, und Brin wußte inzwischen, daß nicht nur das Potential für solche Zerstörung stets vorhanden war, sondern daß sie nicht sicher sein konnte, die Gewalt darüber zu behalten. Sie konnte sich ihre Entschlossenheit geloben. Sie könnte den stärksten Eid ablegen — mehr nicht, es sei denn, sie verzichtete auf den Einsatz des Wünschliedes. Für sich selbst war sie bereit, das Risiko in Kauf zu nehmen; das war sie bereits vor langer Zeit, als sie beschlossen hatte, diese Mission anzunehmen. Doch sie konnte nicht die Verantwortung für die Gefährdung ihrer Begleiter auf sich laden.