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Dann plötzlich führte die ganze Tenne um ein halbes Dutzend Stufen auf eine höhere Ebene und erstreckte sich von dort in die Dunkelheit. Sie stiegen dicht zusammengedrängt hinauf, gingen dann etwa zwanzig Meter weiter und gelangten in einen riesenhaften, gewölbten Korridor. Zu beiden Seiten erkannten sie verschlossene und verriegelte Eisentüren, als sie ihren Weg fortsetzten. Geschwärzte Fackelstumpen hingen in den Eisenhaltern, Ketten lagen in Haufen an den Wänden, und vielbeinige Insekten huschten von ihrem-, Licht ins schützende Dunkel davon. Ein Gestank, der in Wogen vom Kellergestein emporstieg, hinderte sie, frei zu atmen, und erstickte alle ihre Sinne.

Der Korridor endete an einem weiteren Treppenschacht, der diesmal wie eine aufgerollte Schlange nach oben führte. Spinkser machte sich nach einem kurzen Halt an den Aufstieg. Die anderen folgten ihm. Die Treppe wand sich zweimal um sich selbst und mündete dann auf einen weiteren Gang. Sie gingen diesen Tunnel mehrere Meter entlang bis zu der Stelle, wo er sich in zwei Richtungen gabelte. Spinkser führte sie nach rechts. Kurz darauf endete der Gang vor einer geschlossenen Eisentür. Der Gnom rüttelte am Riegel, zog vergeblich daran und schüttelte den Kopf. Besorgnis stand in seinem Gesicht, als er sich zu den anderen umdrehte. Er hatte ganz eindeutig gehofft, sie offen vorzufinden.

Garet Jax deutete mit einer unausgesprochenen Frage im Blick den Korridor hinab. Konnten sie umkehren und den anderen Weg einschlagen? Spinkser schüttelte langsam den Kopf, die Antwort war in seinen Augen zu lesen. Der Gnom wußte es nicht.

Sie verharrten zögernd und schauten sich an. Dann schob Spinkser sich vorbei und winkte den anderen, ihm zu folgen. Er brachte sie den Gang zurück zu der Abzweigung. Diesmal führte er sie nach links. Der zweite Korridor war länger und lief an Treppenaufgängen, in Finsternis gehüllten Nischen und zahlreichen Türen vorbei, die alle verschlossen und verriegelt waren. Der Gnom blieb einige Male unentschlossen stehen und setzte dann seinen Weg fort. Die Minuten vergingen, und Jair empfand wachsendes Unbehagen.

Dann endlich endete der Gang, diesmal vor zwei massiven Eisentoren, die so riesenhaft waren, daß Spinkser sich strecken mußte, um die Griffe zu fassen zu bekommen. Sie ließen sich mit überraschender Leichtigkeit betätigen, und der rechte Türflügel schwenkte lautlos auf. Die Mitglieder der kleinen Gruppe spähten vorsichtig hindurch. Hinter der Tür dehnte sich ein weiteres, mit Vorräten angefülltes Gewölbe. Doch hier lichtete sich das Dunkel ein wenig, wo es durch schwaches, graues Licht vertrieben wurde, das durch schmale Spalten in den Wänden kurz unterhalb der hohen Decke sickerte.

Spinkser wies auf die Schlitze und dann auf die gegenüberliegende Wand des Gewölbes, wo sich eine zweite verschlossene eiserne Flügeltür befand. Die anderen verstanden. Sie befanden sich in den Außenmauern von Graumark.

Unter der Führung Spinksers schlichen sie sich vorsichtig in den Raum. Hier lag kein Staub am Boden; keine Spinnennetze überzogen Kisten und Fässer. Der Gestank hing immer noch erstickend und beißend in der Luft, doch nun schien er ebenso von draußen hereingetragen wie von den Mauern umschlossen zu werden. Jair zog angeekelt die Nase kraus. Der Gestank könnte sie umbringen, bevor die finsteren Wesen sie aufspürten. Es stank so scheußlich wie...

Etwas scharrte leise in der Dunkelheit auf der einen Seite; Garet Jax fuhr mit Dolchen in beiden Händen herum und stieß einen Schrei aus, um die anderen zu warnen.

Zu spät. Etwas Riesenhaftes, Schwarzes, Geflügeltes schien aus dem Schatten hervorzubrechen. Es erhob sich im Schummerlicht und spreizte den lederhäutigen Körper wie eine riesenhafte Fledermaus. Zähne und Klauen blitzten elfenbeinhell, und ein grelles Kreischen brach aus seiner Kehle. Es fiel so schnell über sie her, daß keine Zeit blieb, sich zu verteidigen. Es kam im Sturzflug heran, flog an den Anführern vorüber und schoß auf Helt zu. Es prallte mit wildem Geflatter gegen den Grenzländer, und sein Kreischen wurde zu einem furchterregenden Fauchen. Helt taumelte schreiend zurück, bekam das schwarze Ding dann mit beiden Händen zu fassen und schleuderte es so heftig von sich, daß es quer durch den Raum in einen Stapel Vorräte flog.

Garet Jax sprang hinzu, die Dolche flogen aus seinen Händen und nagelten das Ding an die Holzkisten. Spinkser war am anderen Ende des Raumes angelangt und hatte einen der eisernen Türflügel aufgezerrt. »Raus hier!« brüllte er.

Sie stürzten einer nach dem anderen aus der Kammer, bis schließlich alle draußen waren. Spinkser drückte die offene Tür mit einem Knurren zu und warf die Eisenriegel in ihre Verankerung. Zitternd sank er mit dem Rücken gegen die Tür.

»Was war das nur?« keuchte Foraker mit grimmig zusammengezogenen buschigen Brauen und mit von einem Schweißfilm glänzendem Gesicht.

Der Gnom schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Etwas, das sich die Wandler mit schwarzer Magie geschaffen haben — vielleicht eine Art Wächter.«

Helt war auf ein Knie niedergesunken und hielt die Hände vors Gesicht. Blut sickerte in dünnen, scharlachroten Rinnsalen zwischen seinen Fingern hervor. »Helt!« flüsterte Jair und ging auf ihn zu. »Helt, du bist verletzt...«

Der Grenzländer hob langsam den Kopf. Böse Kratzer zerschnitten sein Gesicht. Ein Auge war angeschwollen und begann sich zu schließen. Er betupfte die Wunden mit seinem Hemdsärmel und winkte den Talbewohner zurück. »Nein, es sind bloß ein paar Schrammen. Nichts Schlimmes.«

Doch er zuckte vor Schmerzen zusammen. Unter Mühe kam er auf die Beine und stützte sich gegen die Wand. In seinen Augen stand ein unruhiger Blick.

Spinkser stand wieder aufrecht und schaute sich geheimnisvoll um. Sie befanden sich mitten auf einem schmalen Korridor, der auf der einen Seite zu einer geschlossenen Flügeltür, auf der anderen zu einem Treppenschacht führte, der ins Tageslicht mündete.

»Hier entlang!« winkte er und lief auf das Licht zu. »Beeilt euch — ehe etwas anderes uns entdeckt!«

Sie rannten alle hinter ihm her bis auf Helt, der noch immer an der Wand des Ganges lehnte. Jair schaute zurück und verlangsamte seine Schritte. »Helt?« rief er.

»Lauf weiter, Jair.« Der hünenhafte Mann tupfte immer noch Blut von seinem Gesicht. Dann stieß er sich von der Wand ab und setzte sich hinter ihnen her in Bewegung. »Nun geh weiter. Bleib dicht bei den anderen!«

Jair tat, wie geheißen, in dem Bewußtsein, daß der Grenzländer ihnen folgte, aber auch wohlwissend, daß ihm das äußerst schwerfiel. Irgend etwas stimmte ganz und gar nicht mit ihm.

Sie gelangten ans Ende des Korridors und stürmten die Stufen hinauf. Die gespenstische Stille der Festung wurde durch das Geräusch anderer Schritte und Stimmen durchbrochen, die wirr durcheinander, fern und unverständlich klangen. Das Kreischen des Flügelwesens hatte sie gewarnt, daß sich Eindringlinge in der Burg aufhielten. Jairs Gedanken arbeiteten wie rasend, während er mit den anderen die lange Treppe hinaufhetzte. Er durfte nicht vergessen, daß er das Wünschlied zu seinem Schutz besaß — das konnte er sinnvoll einsetzen, wenn er es nur schaffte, den Kopf nicht zu verlieren...

Etwas zischte an seinem Gesicht vorüber, daß er strauchelte und fiel. Ein Pfeil schlug in eine Wand des Treppenhauses. Sogleich war Helt neben ihm und zerrte ihn wieder in die Höhe. Pfeile pfiffen rund um sie her, als die Gnomen-Jäger im Korridor unten und auf den Brustwehren oben auftauchten. Die Gefährten befanden sich in den Mauern von Graumark, aber ihre Widersacher wußten es nun und versammelten sich. Jair erreichte das obere Ende der Treppe und stürmte hinter den anderen her an einer Reihe von Zinnen vorbei, die einen weiten Innenhof und ein Labyrinth von Türmen und Befestigungen überragten. Von überall her tauchten nun Gnomen mit Waffen in Händen und wildem Geschrei auf. Eine Handvoll lag niedergemacht von Garet Jax vor ihnen auf dem Wehrgang, wo der schwarz gekleidete Waffenmeister den Weg freikämpfte. Die Sechs rannten auf der Brustwehr entlang zu einer Turmtreppe, wo Spinkser sie zum Anhalten aufforderte.