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Vielmehr wäre es eine Vereinigung!

Sie trat die letzten Stufen des Croagh hinab, bis sie schließlich an seinem Ende stand. Plötzlich schien sich über ihr das Dach des Dschungels zu schließen, sperrte das Sonnenlicht aus und hüllte sie in Schatten, Hitze und unerträglichen Gestank. Doch es störte sie nicht mehr, hier zu sein. Sie wußte jetzt, was sie zu tun hatte, alles andere war unwichtig.

Leise sang sie. Das Wünschlied entrollte sich leise, hart und begierig. Die Melodie überströmte das dichte Gewirr von Ästen, Ranken und üppigem Gestrüpp. Sie streichelte und liebkoste mit geschickten Berührungen und umhüllte und umarmte dann liebevoll und beruhigend. Nimm mich auf, Maelmord, flüsterte es. Nimm mich in dich auf, denn ich bin wie du. Zwischen uns gibt es keine Unterschiede der Art. Wir sind uns gleich, wenn unsere Zauberkräfte vereinigt sind. Wir sind eins.

Die Worte, die aus der Melodie klangen, hätten ihr Entsetzen hervorrufen müssen, doch sie waren seltsam wohltuend. War das Wünschlied ihr einst als großartiges Spielzeug erschienen, mit dem sie sich vergnügen konnte — ein Spielzeug, um mit Farbe, Form und Geräusch zu spielen — so hatte sich ihr nun die ganze Breite seiner Anwendungsmöglichkeit enthüllt. Es war zu allem fähig. Selbst hierhin, wo das Böse selbst zu Hause war, konnte sie gehören. Der Maelmord war geschaffen, allem den Zutritt zu verwehren, das nicht mit ihm harmonierte. Selbst die Kraft, die dem Zauber des Wünschliedes innewohnte, vermochte nicht, seinen ursprünglichen Daseinszweck zu überwinden. Doch die Zauberkraft war so flexibel, daß sie Kraft gegen Schläue tauschen und Brin Ohmsford als allem artverwandt erscheinen lassen konnte, das sich ihr entgegenstellen mochte. Sie konnte in Übereinstimmung mit dem Leben in dieser Grube sein — und das so lange, bis sie fände, was sie suchte.

Ein Hochgefühl durchflutete sie, als sie den Maelmord ansang und seine Reaktion spürte. Sie weinte, so intensiv war die Empfindung, die sie mit der Musik verband. Rings um sie her wogte der Dschungel zur Antwort, daß seine Äste sich neigten und Schlingpflanzen und Gestrüpp sich wie Schlangen ringelten. Die Melodie, die sie sang, flüsterte vom Tod und Entsetzen, die dem Tal Leben schenkten. Sie spielte damit und tauchte in ihre Eigenschöpfung ein, daß sie als genau das erschien, als was sie sich ausgeben wollte.

Sie zog sich im Bann ihres eigenen Liedes tief in ihr Selbst zurück. Allanon und die Reise, die sie hierhergeführt hatten, waren ebenso vergessen wie Rone, Kimber, Cogline und Wisper. Sie erinnerte sich kaum noch an die Aufgabe, zu deren Erfüllung sie gekommen war: den Ildatch zu suchen und zu vernichten. Die freie Entfaltung des Zaubers rief wieder jenes eigentümliche und furchterregende Triumphgefühl hervor. Sie spürte, wie sie die Kontrolle verlor, genau wie bei der Anwendung des Wünschliedes gegen den Spinnengnom am Tofferkamm und die schwarzen Wesen in den Abwasserkanälen. Sie fühlte, wie sich die Fäden ihres Selbst entwirrten. Aber sie mußte das Risiko eingehen, das wußte sie. Es war notwendig.

Der Atem des Maelmords schwoll nun schneller an und ab, und das Zischen war deutlicher. Er wollte sie, brauchte sie. Er fand in ihr ein lebendiges Teil seiner selbst, das Herz des Körpers, der hier verwurzelt lag, das so lange vermißt und nun zurückgekehrt war. Komm zu mir, zischte er. Komm zu mir.

Brins Gesicht glühte vor Aufregung und Verlangen, als sie vom Croagh in den Dschungel trat.

»Diese Kanäle müßten doch einmal ein Ende nehmen, um der Katze willen!« meinte Rone starrsinnig zu Kimber und Cogline, als er aus dem Tunnelgang in die Höhle dahinter trat. Ihm kam es bei seinem Überdruß vor, als wären sie schon ewig durch die Kanalisation von Graumark gestolpert.

»Gar nichts dergleichen muß sein!« keifte Cogline streitsüchtig wie immer.

Doch der Hochländer hörte ihn kaum und richtete seine Aufmerksamkeit statt dessen auf die Höhle, in welche sie gelangt waren. Es war eine Kammer mit dicken Wänden und rissiger Decke, wo das dunstige Sonnenlicht in hellen Strahlen hereinströmte, und am Boden klaffte ein gewaltiger Abgrund. Wortlos hastete Rone an den Rand der Kluft, und seine Augen schweiften zu der Felsbrücke, die sie überspannte. Jenseits der Brücke dehnte sich die Höhle zu einer hohen, gewölbten Grotte von poliertem Stein, in den alte Schriftzeichen eingeritzt waren, und dahinter führte eine Öffnung ans Tageslicht und in das Grün eines nebelverhangenen Tales.

Der Maelmord, dachte er sofort.

Und dort wird Brin sein.

Er sprang auf die Brücke und überquerte sie, der alte Mann und das Mädchen eilten hinterdrein. Er ging geradewegs auf die Grotte zu, als Kimbers lautes Rufen ihn herumfahren ließ.

»Sieh dir das an, Hochländer!«

Er machte kehrt und lief schnell zurück. Sie wartete auf der Mitte der Brücke und deutete wortlos hinab, als er bei ihr angelangte. Ein großes Stück der Eisenkette, die das Brückengeländer bildete, war gerissen und zerbrochen. Zu ihren Füßen zogen sich frische Blutspuren, die noch nicht ganz trocken waren.

Das Mädchen kniete nieder und berührte das Blut mit den Fingern »Nicht sehr alt«, stellte sie leise fest. »Nicht älter als eine Stunde.«

Er starrte sie in sprachlosem Entsetzen an, und zwischen ihnen flog der gleiche unausgesprochene Gedanke hin und her. Seine Hand fuhr rasch in die Höhe, als wollte er ihn abwehren. »Nein, es kann nicht ihres sein...«

Dann erfüllte ein gellender, furchterregender Schrei die Luft — der Schrei eines von Zorn und Furcht erfüllten Tieres. Er zerriß die Stille und ihre Gedanken und ließ sie wie versteinert zurück. Er kam von jenseits der Grotte.

»Wisper!« rief Kimber.

Rone fuhr herum. Brin!

Er sprang von der Brücke auf den Höhlenboden, schoß den Gang durch die Grotte und griff dabei mit beiden Händen über seine Schulter hinweg nach dem Breitschwert, das dort festgeschnallt war. Er war schnell, aber Kimber war noch schneller. Sie huschte wie ein verängstigtes Tier an ihm vorüber und flitzte aus der Dunkelheit der Höhle in die Grotte und das Licht dahinter. Cogline zuckelte hinter ihnen her und keifte wütend, daß sie langsamer machen sollten; seine Stimme klang hell und schrill vor Verzweiflung, aber seine krummen Beine trugen ihn nicht mehr schnell genug.

Dann gelangten sie von der Grotte ans Tageslicht, Kimber mit zehn Metern Vorsprung vor Rone. Dann war Wisper zu sehen, auf dem Felssims vor ihnen in einen Kampf mit zwei der gesichtslosen, schwarzen Wesen verwickelt, nur als dunkle, verschwommene Bewegung auszumachen. Dahinter auf einer Steintreppe, die von den Felswänden zu dem Sims und dann ins Tal hinabführte — einer Treppe, die Rone sogleich als den Croagh erkannte — stand einer der Mordgeister und beobachtete das Ganze.

Als das Mädchen und der Hochländer näher kamen, drehte der Mordgeist sich um.

»Kimber, paß auf!« brüllte Rone, um sie zu warnen.

Doch das Mädchen hatte schon zwei lange Messer gezogen und eilte Wisper zu Hilfe. Der Geist deutete auf das Mädchen, und rote Flammen brachen aus seinen Fingern. Das Feuer schoß an Kimber vorbei, verfehlte sie irgendwie, und wo es auftraf, schössen Steinsplitter durch die Luft. Rone sprang mit einem Schrei hinzu und streckte die ebenholzschwarze Klinge des Schwertes von Leah vor. Sogleich drehte sich der Mordgeist zu ihm und ein zweites Mal flackerte Feuer auf. Es prasselte auf den Hochländer nieder, verfing sich an der Schwertklinge, und die Luft um ihn her loderte hell auf. Die Wucht des Angriffs riß ihn von den Füßen und schleuderte ihn zurück.

Dann tauchte Cogline aus den Höhlen auf; alt, gebückt und starrsinnig wie er war, schleuderte er dem Geist seine Herausforderung entgegen. Als winziges bißchen Haut, Knochen und Kleidung huschte er auf die schwarz gekleidete Gestalt zu. Der Wandler schwenkte herum und deutete auf ihn. Doch der stockdürre Arm des Alten holte aus, ein dunkler Gegenstand flog aus seiner Hand und trudelte ins blutrote Feuer des Geistes. Eine gewaltige Explosion erschütterte die ganze Bergwand. Vom Croagh schössen Flammen und Rauch himmelwärts, und überall flogen Steinsplitter herum.