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Wieder schlug sein Lied um und schuf diesmal das Bild von Rauch, der in dicken Schwaden durch den Raum zog. Doch sie würde sich nur wenige Augenblicke täuschen lassen. Er schlich sich an den Mauern des Turmes entlang und versuchte, sich ihr aus einer anderen Richtung zu nähern. Wieder sang er, und erzeugte diesmal einen Hauch tiefer, undurchdringlicher Dunkelheit. Er mußte . schneller sein als sie. Er mußte dafür sorgen, daß sie ihr Gleichgewicht nicht wiedererlangte.

Wie ein Geist huschte er im Schatten des Turmes dahin und setzte jeden Trick gegen Brin ein, den er kannte — mit Hitze und Kälte, Dunkelheit und Licht, Schmerz und Wut. Zweimal schlug sie blindlings mit ihrer Magie zurück, daß ein sengender Energiestoß ihn von den Füßen riß und erschüttert zurückließ. Sie wirkte verwirrt, irgendwie unsicher — als könnte sie sich nicht entschließen, ob sie nun die ganze Macht, über die sie gebot, zum Einsatz bringen sollte. Aber trotzdem hielt sie den Ildatch fest umklammert und drückte ihn an sich, als wäre er ihre ganze Lebenskraft. Nichts, was Jair Versuchte, konnte sie bewegen, das Buch loszulassen.

Das ist kein Spiel, was du hier treibst, dachte er finster und mußte an Spinksers vernichtenden Tadel denken.

Er begann zu ermüden. Geschwächt durch sein Ringen, zum Himmelsbrunnen zu gelangen, durch seine Wunde und die Anstrengung des unablässigen Einsatzes vom Wünschlied war er bald völlig erschöpft. Im Gegensatz zu Brin stärkte ihn nicht die Macht der schwarzen Magie; er besaß nur seine eigene Willenskraft. Und er fürchtete, die würde nicht ausreichen. Er lief durch Dunkelheit und Schatten hin und her und suchte nach einem Weg, die Abwehr seiner Schwester zu durchbrechen. Er atmete mühsam und stoßweise, und seine Kraft war bald aufgezehrt.

Verzweifelt setzte er das Wünschlied wie vor dem Ältestenrat der Zwerge in Culhaven ein, um eine Vision von Allanon hervorzurufen. Aus dem Dunst, der über dem übel zugerichteten Raum hing, ließ er den Druiden erstehen, der düster und gebieterisch einen Arm ausstreckte. Laß das Buch Ildatch los, Brin Ohmsford! mahnte eine tiefe Stimme. Laß es fallen.

Das Talmädchen wankte gegen den Altar zurück, ein Ausdruck des Wiedererkennens huschte über ihr Gesicht. Ihre Lippen zuckten, flüsterten hektisch dem Ildatch zu — als wollte sie ihn warnen. Dann war der Ausdruck des Erkennens erloschen. Sie hob das Buch hoch über ihren Kopf, und ihr Lied erklang als zorniges Klagen. Allanons Bild löste sich in nichts auf.

Jair schlich wieder in einen Schleier von Unsichtbarkeit gehüllt davon. Allmählich verließ ihn alle Hoffnung. Sollte Brin nichts mehr helfen können? Würde nichts sie zurückzubringen vermögen? Was sollte er machen? Verzweifelt war er bemüht, sich an die Worte des alten Mannes zu erinnern: Wirf den Sehkristall hinterher, dann wirst du die Antwort finden. Was für eine Antwort war ihm gegeben worden? Er hatte alles versucht, was ihm nur einfiel. Er hatte das Wünschlied benutzt, um jede erdenkliche Illusion zu erwecken, die er nur zustande brachte. Was blieb noch?

Er hielt inne. Illusionen! Trugbilder!

Kein Trugbild — sondern Realität!

Und plötzlich wußte er die Antwort.

Blutrotes Feuer loderte rings um Rone auf und wurde von der Klinge seines Schwerts zurückgeworfen, als er dem furchterregenden Angriff der Mordgeister standhielt. Die Wandler kauerten auf der Steintreppe des Croagh als eine Reihe finsterer Gestalten, die sich von den Höhen der Felsen und Festung herabschlängelte, welche vor dem Hintergrund des verblassenden Nachmittagshimmels in Rauch und Nebel gehüllt lagen. Ein halbes Dutzend Arme fuhr empor, und Flammen schössen auf den Hochländer zu, daß er unter ihrer Wucht zurücktaumelte. Kimber kauerte hinter ihm und hatte zum Schutz gegen Hitze und herumfliegende Steine die Hände vor Gesicht und Augen geschlagen. Wisper brüllte haßerfüllt aus dem Schatten der Stufen hinauf und stürzte sich auf die Gestalten, die an ihm vorüberhuschen wollten.

»Cogline!« rief Rone verzweifelt aus Rauch und Feuer auf der Suche nach dem alten Mann.

Langsam rückten die Mordgeister näher. Es waren zu viele, die Macht der schwarzen Magie war zu groß. Sie alle konnte er nicht abwehren.

»Cogline! Bei der heiligen Katze!«

Aus dem Schatten weiter oben stieß eine verhüllte Gestalt auf ihn .herab, von deren beiden Händen Feuerstöße schössen. Rone erhob blitzschnell das Schwert, traf den Feuerstrahl und konnte ihn ablenken. Doch der Wandler lag fast auf ihm, und der Klang seiner Stimme war ein unvermitteltes Zischen, das die Explosion übertönte. Dann stürzte Wisper aus seinem Versteck, erwischte das schwarze Wesen und riß es mit sich. Moorkatze und Geist taumelten in einer Woge von Feuer und Rauch und verschwanden außer Sicht.

»Cogline!« brüllte Rone ein letztes Mal.

Unvermittelt tauchte der alte Mann auf und kam mit wehendem weißen Haar krumm und gebückt aus einer Rauchwolke gewankt. »Halt aus, Südländer! Ich werde den Schwarzen Feuer vorführen, das wirklich brennt!«

Er heulte auf, als wäre er von Sinnen und schleuderte eine Handvoll Kristalle mitten zwischen die Mordgeister. Die Körnchen funkelten wie Obsidiansplitter, als sie zwischen die schwarzen Gestalten rieselten und in die hell lodernden Flammen fielen. Sofort explodierten sie, und weißglühendes Feuer, gleißend und grell, schoß himmelwärts. Donner erschütterte die Bergwand, ganze Teile des Croagh wurden fortgeschleudert und rissen die dunklen Gestalten der Mordgeister mit sich.

»Brennt, ihr schwarzen Wesen!« kreischte Cogline triumphierend.

Doch die Wandler waren nicht so leicht zu erledigen. Als dunkle Schatten schwebten sie aus dem Schleier von Staub und Trümmerstückchen wieder heran, und Feuer schoß von ihren Fingern. Cogline schrie auf, als es ihn erreichte, und verschwand. Flammen umloderten Rone und das Mädchen, dem er Deckung gab, und die Wandler stürzten auf sie zu. Der Hochländer stieß den Kampfruf seiner Vorfahren aus und hieb mit der ebenholzschwarzen Klinge mitten in sie hinein. Zwei waren auf der Stelle zerschmettert und zerfielen zu Asche, doch die anderen strömten weiter heran. Krallenbewehrte Finger schlössen sich um das Schwert und drängten Rone zurück.

Und dann stürzten sich auch schon alle auf ihn.

Ausgezehrt von den Anstrengungen, die der Strom der Magie in ihrem Körper ausgelöst hatte und verwirrt von den widerstreitenden Gefühlen, die sie erschütterten, stand Brin vor dem Altar auf dem Podium, der den Ildatch beherbergte, und hielt das Buch fest an ; sich gedrückt. Das Licht in dem Turmzimmer wurde schwächer, Staub und Sand hingen schwer in der Luft. Dort ging immer noch jenes Ding um, das sie so quälte und die Gestalt ihres Bruders Jair angenommen hatte. Obgleich sie es aufspüren und vernichten wollte, war sie augenscheinlich nicht dazu in der Lage. Die Zauberkräfte ,; in ihr waren irgendwie noch beschränkt — als wollten sie sich aus irgendeinem Grund nicht mischen. Sie wußte, daß sie eins waren,, das Buch und sie. Sie waren verbündet. Die Stimme flüsterte ihr zu, daß es so war — raunte von der Macht, die ihnen beiden gehörte. Warum fiel es ihr dann aber so schwer, diese Macht zur Anwendung zu bringen?

- Du wehrst dich dagegen, Kind der Finsternis. Du leistest Widerstand. Gib dich ganz hin -

Dann explodierte die Luft um sie her, und der Zauber dessen, den sie jagte, brach durch Staub und Zwielicht, und Dutzende Bilder ihres Bruders erfüllten den Raum. Sie tauchten überall um sie herum auf, schlichen durch den Dunst auf das Podium zu und riefen ihren Namen. Sie taumelte verblüfft zurück. Jair! Bist du tatsächlich hier? Jair...?

- Sie sind böse, Kind der Finsternis. Vernichte sie. Vernichte — Obgleich sie irgendwo tief in ihrem Innern wußte, daß es falsch war, gehorchte sie der Stimme des Ildatch und schlug mit ihrer Zauberkraft zu, daß der Klang des Wünschliedes das ganze Gewölbe des Raumes erfüllte. Eins nach dem anderen lösten die Bilder sich vor ihr auf, und es war, als tötete sie Jair immer wieder und vernichtete ihn mit jedem zerschmetterten Abbild erneut. Doch die Bilder kamen weiter heran, die verbliebenen überbrückten die Kluft zwischen ihnen, streckten ihr die Arme entgegen, streichelten sie...