»Ich werde nichts verraten, wenn du jetzt sofort von meiner Frequenz verschwindest, Over!«
»Sofort. Vielen Dank, Mister. Würden Sie mir eben noch sagen, wie mein Signal durchgekommen ist? Over.«
»Fünf fünf. Over«, antwortete Martin.
»Danke, Sir. Over and out.«
»Over and out«, antwortete Martin.
»Over and out«, sagte Mobil 1 prompt.
»Nein, Sie doch nicht!« sagte Martin.
»Aber Sie haben doch gesagt…«
»Vergessen Sie, was ich gesagt habe. Was ist mit dem Zielobjekt?«
»Habe ihn im Visier«, sagte Mobil 1. »Er geht die Via Cavour hinunter und hat gerade die Ecke der Via dei Fori Imperiali erreicht. Er bleibt stehen und – verdammt. Ein Bus hat sich zwischen mich und das Zielobjekt geschoben.«
»Hier Mobil 4«, sagte Chet. »Ich sehe ihn. Er steht noch immer an der Ecke. Das Zielobjekt hat die Hände in den Taschen und läßt die Schultern hängen. Er schaut nach oben, schaut angespannt auf…«
»Auf was?« rief Martin.
»Auf eine Wolke«, sagte Mobil 4. »Sonst gibt es dort oben nichts zu sehen.«
»Warum schaut er sich denn eine Wolke an?« fragte Martin Caroline.
»Vielleicht mag er Wolken«, sagte Caroline.
»Hier Mobil 3. Ich sehe ihn, Central! Das Zielobjekt geht durch eine Straße mit einem unleserlichen Namen. Sein Kurs ist Nord-Nordwest, ein Strich West, mit Ziel Trajansforum, das von Apollodorus von Damaskus erbaut wurde und nach achtzehnhundert wechselvollen Jahren noch bemerkenswert gut erhalten ist.«
»Geben Sie mir bitte nur relevante Informationen, Mobil 3«, sagte Martin. »Aber Ihr Arbeitseifer gefällt mir. Weiter so.«
»Hier Mobil 2. Ich sehe ihn! Diese unleserliche Straße ist die Via Quattro Novembre. Das Zielobjekt verharrt jetzt unbeweglich zirka 37 Yards südlich von Santa Maria di Lore to.«
»Verstanden«, sagte Martin. Er wirbelte herum und markierte Polettis Weg auf einer riesigen Wandkarte Roms. Er zog eine dicke schwarze Linie für bereits vollzogene Bewegungen und eine gestrichelte rote Linie für wahrscheinliche weitere Schritte.
»Hier Mobil 1. Ich sehe ihn. Er steht noch immer am selben Fleck.«
»Was tut er gerade?« fragte Martin.
»Ich glaube, er kratzt sich an der Nase«, sagte Mobil 1.
»Sie sollten sich besser sicher sein«, sagte Martin drohend.
»Hier Mobil 2. Bestätige Meldung von Mobil 1. Das Zielobjekt, beobachtet durch einen Feldstecher Zeiss 8x50, kratzt sich an der Nase… Korrektur: Zielobjekt hat diese Tätigkeit soeben eingestellt.«
»Hier Mobil 3. Zielobjekt hat sich wieder in Bewegung gesetzt und geht in nördlicher Richtung die Via Pessina hinunter. Nähert sich der Kreuzung Via Salvatore Tomassi.«
Martin schaute auf seine Karte, suchte, blinzelte und wandte sich wieder dem Mikrofon zu. »Ich finde diese Straßen nicht, Mobil 3. Wiederholen Sie noch einmal.«
»Roger. Zielobjekt geht in nördlicher Richtung… Verzeihung, Central, jemand muß mir ein falsches Kartenblatt gegeben haben. Diese letzten beiden Straßen sind in Neapel. Ich weiß wirklich nicht, wie das passieren konnte…«
»Ganz ruhig«, sagte Martin. »Das ist nicht der richtige Augenblick um in Panik zu geraten. Hat irgend jemand ihn im Visier?«
»CQ CQ ruft CQ, hier ist 327074321…«
»Du bist schon wieder auf meiner Frequenz gelandet!« brüllte Martin.
»Bitte vielmals um Entschuldigung«, sagte 32ZOZ4321. »Over and out.«
»Hier Mobil 4. Er ist jetzt in der Via Babuino.«
»Wie ist er denn dorthin gekommen?« fragte Martin nach einem Blick auf seine Karte. »Hat er Flügel, oder was?«
»Korrektur. Ich meine Via Barberine.«
»Verstanden. Aber wie ist er dorthin gekommen?«
»Hier Mobil 1. Zielobjekt wurde von einem kleinen, fetten, kahlen Mann in einem blauen Alfa Romeo XXV-I Kabriolett (mit dreifachverchromten Auspuffrohren und einem Morrison-Chalmers Turbolader) mitgenommen. Zielobjekt und kleiner, fetter, kahler Mann sind offensichtlich befreundet, oder wenigstens miteinander bekannt. Sie fuhren durch mehrere Straßen zur Piazza di Spagna, wo das Zielobjekt ausstieg.«
»Manchmal bewegt er sich ziemlich schnell«, murmelte Martin, während er den neuen Standort auf seiner Karte markierte. Er sagte ins Mikrofon: »Was tat der kleine, fette, kahle Mann dann?«
»Er fuhr in Richtung Via Veneto davon.«
»Und hat jemand Sichtkontakt mit dem Zielobjekt?«
»Hier ist Mobil 2. Ich sehe ihn. Im Augenblick steht er vor, oder, genauer, etwas links vom American Express-Gebäude.«
»Was tut er?«
»Er betrachtet ein Plakat im Fenster. Auf dem Plakat wird eine Rundreise durch Griechenland angeboten; nach Athen, Piräus, Hydra, Korfu, Lesbos und Kreta.«
»Griechenland!« stöhnte Martin. »Das wird er mir doch wohl nicht antun; darauf bin ich nicht vorbereitet. Wir werden…«
»Hier Mobil 4. Zielobjekt ist wieder in Bewegung. Er hat mehrere Yards zurückgelegt und sitzt jetzt auf der Spanischen Treppe.«
»Bist du sicher?« schnauzte Martin Chet an.
»Absolut. Er sitzt auf der siebenten Stufe von unten und starrt aufdringlich zwei blonde Mädchen an, die auf der vierten respektive fünften Stufe sitzen.«
»Er ist gar nicht so dumm, wie er aussieht«, sagte Martin. »Niemand geht heute noch zur Spanischen Treppe. Ich frage mich, ob er versucht…«
»Hier Mobil 3! Zielobjekt wieder unterwegs! Er überquert die Piazza di Spagna… Jetzt habe ich ihn verloren. Nein, da ist er wieder. Er geht in die Via Margutta. Er bleibt stehen und geht in ein Gebäude.«
»Was für ein Gebäude?« schrie Martin.
»Der Jagdklub«, sagte Mobil 3. »Soll ich ihm hinein folgen?«
Caroline hatte die Verfolgung an einem Bildschirm verfolgt. Jetzt nahm sie Martin das Mikrofon aus der Hand und sagte: »Bleibt, wo ihr seid, alle Mobile. Ich werde selbst zum Jagdklub gehen.«
»Ist das klug?« fragte Martin.
»Vielleicht nicht«, sagte Caroline, »aber bestimmt ist es interessant.«
»Hör mal, Baby«, sagte Martin, »der Kerl ist bewaffnet und gefährlich.«
»Und attraktiv«, fügte Caroline hinzu. »Ich will selbst herausfinden, was Poletti für ein Mensch ist.«
»Damit wäre Mr. Fortinbras bestimmt nicht einverstanden«, sagte Martin.
»Mr. Fortinbras braucht ja auch niemanden zu töten«, sagte Caroline. »Das muß ich tun.«
Dagegen ließ sich nichts sagen. Martin zuckte die Achseln, als Caroline hinausging. Dann lehnte er sich erschöpft in seinem Drehstuhl zurück. Er lächelte grimmig. Er hatte es hier nur mit Primadonnen und Unfähigen zu tun. Leute, die ohne fremde Hilfe nicht einmal aus einer Einkaufstasche herausfänden. Er mußte sich wirklich um alles kümmern. Und was bekam er als Dank? Nichts. Es blieb ihm lediglich die kleine Befriedigung, seine Sache gut gemacht zu haben.
»An alle Mobil-Einheiten«, sendete Martin. »Jetzt Plan ›Leichter Bäcker‹ ausführen, wiederhole, Plan ›Leichter Bäcker‹. Over and out.«
Er verließ seine Kommandozentrale, immer noch grimmig lächelnd. Eine unangezündete Zigarette hing ihm schlaff im Mundwinkel.
Die Roy Bell Dancers waren schon vor ihm gegangen, und der große Ballsaal war leer. Der Empfänger summte leise, knisterte dann. Mehrere Sekunden verstrichen; dann war eine Stimme zu hören:
»Hier ist 32ZOZ4321, rufe CQ. Funlyiame Bob. Ist da jemand?«
In dem großen Ballsaal herrschte Schweigen; ewiges, unabänderliches Schweigen; nein, da war niemand.
11
Der römische Jagdclub war ein angenehm proportioniertes Gebäude im neobarcarolischen Stil.
Poletti trat ein, ging an den öffentlichen Räumen vorbei und fuhr mit dem Aufzug in den dritten Stock. Dort stieg er aus und ging zu einer Tür mit der Aufschrift KLUBRAUM Nr. 1 (NUR FÜR MÄNNER). Hier war einer der wenigen Plätze in Rom, wo ein Mann sich ausruhen, rauchen, reden, Zeitung lesen, Jagderfahrungen austauschen und sogar schlafen konnte, ohne daß seine Frau unerwartet auftauchte. Überdies konnte ein Mann stets sagen, er sei dort gewesen, ob es nun stimmte oder nicht. Es gab keine Telefone im Klubraum, und Loyalität galt den Mitgliedern als die höchste Tugend.