»Das wird in der Tat schwer zu erklären sein«, gab Poletti zu.
Caroline setzte sich auf das Bett und barg den Kopf in den Händen. Cole erwachte aus seiner Ohnmacht und dachte stolz: »Donnerwetter, ich bin tatsächlich in Ohnmacht gefallen.« Chet blendete aus und schaltete auf einen Ersatzfilm um: Die große Show von 1999.
Mit den Stars Le Mar deVille, Roger Roger, und Lassie.
Martin ging hinüber zu der Baracke, erfaßte die Situation mit einem Blick und fragte: »Was wird hier denn eigentlich gespielt?«
Ein Polizist tauchte auf, schaffte es nicht, die Situation mit einem Blick zu erfassen und fragte: »Wer ist der Jäger, bitte?«
»Das bin ich«, sagte Caroline und hielt ihm, ohne aufzublicken, ihren Ausweis hin.
»Und wer ist das Opfer?«
»Ich«, sagte Poletti und zeigte ebenfalls seinen Ausweis vor.
»Dann war diese tote Frau nicht an der Jagd beteiligt?«
»Nein«, sagte Poletti.
»Warum haben Sie sie dann getötet?«
»Ich? Ich habe niemanden getötet«, sagte Poletti. Er bückte sich und hob den Revolver auf. »Schauen Sie«, sagte er zu dem Polizisten und zeigte ihm die kleine Öffnung unterhalb des Abzugs.
»Ich kann nichts von Bedeutung erkennen«, sagte der Polizist.
»Dieses Loch ist die eigentliche Mündung des Revolvers«, sagte Poletti. »Die Waffe feuert rückwärts, verstehen Sie? Das ist meine eigene Erfindung; ich habe es selbst gebaut.«
Caroline stand abrupt auf und starrte Poletti an: »Du… du Ungeheuer!« schrie sie. »Du hattest von Anfang an geplant, daß ich den Revolver aus deiner Jacke stehlen sollte? Du hast ihn mir gegeben, damit ich mich selbst töte!«
»Nur falls du versucht hättest, mich zu töten«, wandte Poletti ein.
»Worte, Worte!« schrie Caroline ihn an. »Wie soll ich dir je wieder irgend etwas glauben können?«
»Darüber können wir später sprechen«, beruhigte Poletti sie. »Liebling, es gibt eine simple Erklärung für diese ganze Geschichte…«
»Zunächst einmal«, unterbrach ihn der Polizist barsch, »sollten Sie die Geschichte mir erklären, und nicht die junge Dame hier mit Ihren Lügenmärchen belästigen.« Er lächelte Caroline galant zu, die ihm einen finsteren Blick zuwarf.
»Zuerst werde ich meine Dienststelle informieren«, sagte der Polizist, während er sein Handfunkgerät vom Pistolengürtel löste, »und dann erwarte ich von Ihnen einige Erklärungen.«
Diese Erwartung des Polizisten erfüllte sich jedoch nicht. Denn er sah sich plötzlich vor die wenig beneidenswerte Aufgabe gestellt, wenigstens ein Minimum an Ordnung aufrechtzuerhalten.
Zuerst waren da die Touristen, von denen mehrere tausend die Absperrungen rings um das Colosseum durchbrochen hatten; sie waren fest entschlossen herauszufinden, was vorging, und alles zu fotografieren. Dann kamen, sich einen Weg durch die Touristen bahnend, die Anwälte, von denen mehrere Dutzend wie von Geisterhand auf der Bildfläche erschienen waren; wahllos drohten sie mit gerichtlichen Schritten gegen Poletti, Caroline, die UUU Teleplex-Fernsehanstalt, Martin, Chet, die Polizei Roms und andere – nicht näher bezeichnete – Parteien. Schließlich erschienen noch sechs Beamte der Internationalen Jagdaufsicht. Sie verlangten, daß Caroline und Poletti unverzüglich festzunehmen seien, da sie sich in ungerechtfertigter Weise des vorsätzlichen Nicht-Totschlags schuldig gemacht hätten.
»Sachte, sachte«, sagte der überforderte Polizist, »eines nach dem anderen. Ich werde jetzt die angebliche Jägerin und ihr angebliches Opfer verhaften. Wo sind sie?«
»Vor einem Augenblick standen sie noch hier«, sagte Cole. »Wußten Sie übrigens, daß ich eben in Ohnmacht gefallen bin?«
»Aber wo sind sie jetzt?« fragte der Polizist. »Warum hat niemand auf sie achtgegeben? Schnell, alle Ausgänge abriegeln! Sie können noch nicht weit sein!«
»Warum können sie noch nicht weit sein?« fragte Cole.
»Provozieren Sie mich nicht!« brüllte der Polizist. »Wir werden schnell herausfinden, ob sie weit gekommen sind!«
Und schnell – aber nicht schnell genug – fand er es heraus.
19
Von Carolines kundigen Händen gelenkt, brauste der kleine Hubschrauber, der nahe dem Trajansbogen in einer Ecke des großen Stadions verborgen gewesen war, hinauf in den blauen Himmel über der Stadt Rom. Das gelblich-graue Oval des Colosseums geriet außer Sicht. Unter ihnen machten die verkehrsreichen und langgezogenen Straßen der Ewigen Stadt den Vororten Platz. Dann flogen sie über Dörfer und schließlich über unbebaute Landschaft hinweg.
»Du bist einfach großartig!« rief Poletti aus. »Du hattest es von Anfang an so geplant, nicht wahr?«
»Natürlich«, sagte Caroline. »Es schien mir eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme zu sein, für den Fall, daß du die Wahrheit sagtest.«
»Mein Schatz, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich bewundere«, sagte Poletti. »Du hast uns vor dem Tod und der Justiz gerettet und uns hinaus in die freie Natur gebracht, weit weg von elektrischen Rasierapparaten und Kühlschränken…«
Poletti blickte in die Tiefe und bemerkte, daß sie sich über einer kahlen, ausgedörrten Wüste befanden, und daß der Hubschrauber sich nun auf diese Mondlandschaft hinabsenkte.
»Verrate mir, mein Liebling«, sagte Poletti, »hast du noch mehr für uns geplant?«
Caroline nickte fröhlich und ließ den Hubschrauber sanft aufsetzen. »Vor allem das«, sagte sie, umarmte Poletti und küßte ihn mit jenem Enthusiasmus und Elan, den sie bei den meisten Dingen zeigte.
»Hmmmm«, sagte Poletti und hob dann abrupt den Kopf. »Merkwürdig«, sagte er.
»Was ist merkwürdig?« fragte Caroline.
»Ich hatte wohl gerade eine Halluzination. Mir war, als hätte ich Kirchenglocken gehört.«
Mit jenem drolligen Hauch von Koketterie, der selbst ihre einfachsten Bewegungen umgab, senkte Caroline den Blick.
»Das war keine Halluzination!« sagte Poletti. »Da ist es wieder!«
»Laß uns einmal nachschauen«, sagte Caroline.
Sie kletterten aus dem Hubschrauber und gingen Hand in Hand um eine Biegung im Fels. Dahinter befand sich eine kleine Kirche, die geschickt in den überhängenden Granit des Berges hineingebaut war. Am Eingang der Kirche stand die schwarze, allgegenwärtige Gestalt eines Priesters. Er lächelte und verbeugte sich vor ihnen.
»Ist es nicht hübsch?« fragte Caroline und zog Poletti an der Hand vorwärts.
»Bezaubernd, faszinierend, ungewöhnlich«, sagte Poletti, und der Klang seiner Stimme zeigte ein leichtes, aber doch spürbares Nachlassen seiner fröhlichen Stimmung an. »Ja, es ist gewiß reizend«, sagte er in etwas sicherem Ton, »aber doch auch nicht ganz glaubwürdig.«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Caroline. Sie führte Poletti in die Kirche und zum Altar. Sie kniete vor dem Priester nieder; nach einem Moment des Zögerns kniete auch Poletti nieder. Von irgendwoher erklang Orgelmusik. Der Priester lächelte strahlend und begann mit der Zeremonie.
»Bist du, Caroline, bereit, diesen Mann, Marcello, zu deinem angetrauten Ehegatten zu nehmen?«
»Ja!« sagte Caroline mit Inbrunst.
»Und bist du, Marcello, bereit, diese Frau, Caroline, zu deinem angetrauten Weibe zu nehmen?«
»Nein«, sagte Poletti mit Überzeugung.
Der Priester senkte seine Bibel. Er richtete eine Automatik, Kaliber 45, auf Poletti.
»Bist du, Marcello, bereit, diese Frau, Caroline, zu deinem angetrauten Weibe zu nehmen?« wiederholte der Priester.
»Oh, gewiß«, sagte Poletti. »Ich wollte eigentlich nur noch ein paar Tage warten, damit meine Eltern der Zeremonie beiwohnen können.«