Выбрать главу

Dann erklang eine flüsternde Stimme, die sich wie trockene Blätter anhörte, die im Wind raschelten. »Du beharrst darauf, meine Pläne zu durchkreuzen, und dabei bist du doch nur ein Kind. Wegen dir war ich gezwungen, eines meiner Anwesen aufzugeben.«

»Sie scheinen es zu lieben, wenn ihre Häuser identisch konstruiert und eingerichtet sind«, sagte Sherlock. »Warum? Ziehen Sie es vor, dass die Dinge alle gleich aussehen?«

Eine Weile herrschte Stille, und jeden Augenblick erwartete Sherlock, zu spüren zu bekommen, wie sich die aus der Dunkelheit schnellende Peitschenspitze in sein Fleisch schnitt.

Aber stattdessen antwortete die Stimme.

»Wenn ich einmal etwas gefunden habe, das ich mag«, sagte sie, »sehe ich keinen Grund darin, etwas anderes zu ertragen. Ob nun der Grundriss und die Einrichtung eines Hauses oder ein Regierungssystem … Sobald ich etwas gefunden habe, das funktioniert, will ich es duplizieren, damit die Dinge absolut identisch sind, wo immer ich auch bin. Ich finde das … irgendwie tröstlich.«

»Und deswegen kleiden Sie ihre Diener auch in schwarze Masken. So können Sie sich der Illusion hingeben, dass Sie – egal, wo Sie sich gerade aufhalten – stets von denselben Leuten umgeben sind.«

»Sehr scharfsinnig.«

»Und wir befinden uns gerade wo … in Frankreich?«

»Du hast die Landschaft erkannt? Ja, dieses Haus liegt in Frankreich. Während man euch auf dem Schiff und dann in der Kutsche hierhergebracht hat, wurdet ihr die ganze Zeit über betäubt gehalten.«

»Aber was ist mit MrSurd?«, fragte Sherlock. »Von ihm gibt’s nur einen.«

»MrSurd ist unersetzlich. Wohin ich gehe, geht auch er hin.«

»Sie sind Baron Maupertuis, nicht wahr?«

»Du überraschst mich schon wieder. Ich hätte nicht gedacht, dass mein Name weithin bekannt ist.«

»Ich … hab das anhand von Anhaltspunkten kombiniert.«

»Sehr clever. Wirklich sehr clever. Mein Kompliment für deine Kombinationsgabe. Und was hast du dir sonst noch so zusammenkombiniert?«

Virginia legte warnend eine Hand auf die seine. Aber Sherlock spürte plötzlich Stolz in sich aufkeimen – Stolz auf die Nachforschungen, die er unternommen hatte, auf die Sachverhalte, die er aufgedeckt hatte, und darauf, dass sich die Einzelteile der Verschwörung in seinem Kopf allmählich zu einem Bild zusammenzufügen begannen. Und außerdem, so sagte er sich, war es wichtig, dass Maupertuis erfuhr, dass seine Pläne nicht mehr länger geheim waren. »Ich weiß, dass Sie Bienen gehalten haben, und ich weiß, dass es sich um eine ausländische Spezies handelt, die aggressiver ist als jede europäische Bienenart. Das bedeutet, Sie halten die Tiere nicht, um Honig zu produzieren, sondern um ihrer Stachel willen. Sie wollen, dass sie Menschen verletzen oder töten.« Sein Hirn arbeitete jetzt auf Hochtouren und jonglierte fieberhaft mit diversen Fakten herum, um auf Muster zu stoßen, die er zuvor kaum für möglich gehalten hatte. Amyus Crowes Absicht war es gewesen, ihn zu unterrichten, ihn zu trainieren. Baron Maupertuis aber nahm ihn tatsächlich ernst … oder besser gesagt, betrachtete ihn als ernsten Gegner. Er hörte sich Sherlocks Schlussfolgerungen an, als hätten sie wirklich eine Bedeutung. Als wären es nicht bloß Antworten theoretischer Natur, die sich auf künstlich konstruierte Problemstellungen bezogen, in denen Hasen und Füchse involviert waren.

»Sie haben auch eine Fabrik betrieben, um Kleidung zu produzieren … Armeeuniformen, glaube ich.« Er hielt eine Sekunde inne. Da war etwas, das er mit seinen Gedanken noch nicht ganz greifen konnte, ein bedeutsames logisches Ziel, auf das alles hinauslief und dessen Elemente er bereits alle kannte. Mit Ausnahme des letzten, das einen eher intuitiven Sprung erforderte. »Einer ihrer Männer, ich glaube Wint war sein Name, hat ein paar Kleidungsstücke gestohlen und sie in seinem Haus gelagert. Er wurde von Bienen attackiert. Ein anderer Mann, der auf dem Anwesen meines Onkels als Gärtner arbeitete, hat zuvor in Farnham Kleidung hergestellt – für Sie, vermute ich mal. Auch er wurde von Bienen getötet. Hat er vielleicht ein paar der Kleidungsstücke für eigene Zwecke abgezweigt, Sie also sozusagen bestohlen?« Der mentale Nebel, der die letzte entscheidende logische Schlussfolgerung bisher noch vor ihm verhüllt hatte, begann sich nun zu lichten, und triumphierend fuhr er fort: »Also ist etwas in der Kleidung, das die Bienen dazu bringt anzugreifen. Sind die Kleidungsstücke in Kisten verpackt, passiert nichts. Aber wenn die Leute sie anziehen … werden die Bienen angelockt und stechen auf alle ein, die diese Kleidung tragen. Egal, um wen es sich handelt.«

Virginia hielt seine Hand nun fest umklammert. Aber Sherlock ignorierte sie.

»Diese Männer da, die im Lagerhaus in Rotherhithe waren, … die haben davon gesprochen, dass die Kisten nach Ripon, Colchester und Aldershot transportiert werden sollen. Das sind alles Armeegarnisonen. Wenn also sämtliche Kisten zu Armeegarnisonen gebracht werden, dann handelt es sich bei der Kleidung wahrscheinlich um Uniformen. Was haben Sie gemacht? Sind Sie an so etwas wie einen Regierungsauftrag gekommen, um die britische Armee mit Uniformen zu beliefern? Die Soldaten tragen ihre neuen Uniformen vermutlich, während sie sich vorbereiten, nach Indien verlegt zu werden. Und dann …«

Sherlocks fieberhafte Gedankensprünge waren eine Zeit lang dem übrigen Teil seines nüchtern analysierenden Geistes vorausgeeilt. Aber nun takteten sie plötzlich wieder im Gleichklang. Sein Vater. Aldershot. Indien. Uniformen. »Und dann lassen Sie die Bienen frei, die sich daraufhin auf jeden Soldaten der britischen Armee stürzen, ob Gefreiter, Unteroffizier oder Offizier«, flüsterte er, entsetzt darüber, zu welcher Erkenntnis ihn die Logik gebracht hatte.

»Tausende von mysteriösen, aber unabwendbaren Todesfällen«, flüsterte der Baron von seinem Platz in der Dunkelheit am anderen Tischende aus. »Ein demoralisierender Schlag mitten ins Herz des Britischen Empires. Vollstreckt durch die winzige Biene – diesem kleinen Tierchen, das dafür sorgt, dass Tausende von Sonntag-Nachmittags-Teegesellschaften nicht auf ihren Honig verzichten müssen. Die darin liegende Ironie ist … irgendwie reizvoll.«

»Aber warum?« Sherlock hatte plötzlich Bilder von seinem Vater im Kopf. Bilder, in denen er mit geschwollenem Gesicht und von Beulen übersät zusammenbrach und langsam erstickte, während die Bienen wieder und wieder auf ihn einstachen.

»Warum?« Die Stimme des Barons war um keinen Deut lauter geworden, aber plötzlich lag eine Bösartigkeit darin, die vorher nicht dagewesen war. »Warum? Weil dein erbärmliches kleines Land sich der Wahnsinnsillusion von Größe hingibt, die dazu geführt hat, dass es die halbe Welt eroberte. Dabei ist es gar nicht leicht, ein Land zu finden, das kleiner ist als England. Ihr seid kaum mehr als ein Klecks auf der Landkarte. Es gibt keinen Globus auf der Welt, auf dem ein Kartograph in der Lage gewesen wäre, das Wort ›England‹ innerhalb der Inselgrenzen zu platzieren. Sie ist einfach zu klein. Und trotzdem besitzt ihr die Arroganz, die Frechheit und gebt euch der schieren Selbsttäuschung hin, zu glauben, dass die Welt nur für eure gütige Herrschaft geschaffen wurde. Und diese Welt hat sich dann auch noch einfach nur schläfrig umgedreht und euch gewähren lassen! Erstaunlich. Aber es gibt Männer, Militärs, die euren wilden Raubtierinstinkten Einhalt gebieten werden.

Die Grenzen des Britischen Empires müssen zurückgedrängt werden, und wenn auch nur, damit andere Länder Luft zum Atmen und etwas Raum zum Leben bekommen. Ich … repräsentiere eine Gruppe von solchen Männern … Deutsche, Franzosen, Amerikaner, Russen. Sie haben sich zusammengetan, um eure territorialen Ambitionen zu zügeln. Ihr werdet nicht ruhen, ehe sich die rot markierte Fläche des Britischen Empires über die ganze Landkarte ausgebreitet hat; und wir werden nicht ruhen, bis sich diese Fläche wieder auf eure mickrige Insel beschränkt.« Er hielt inne. »Und vermutlich noch auf Britisch Honduras und Südafrika. Britisch Honduras könnt ihr behalten.«