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„Was hast du vor?“, fragte ich.

„Wir suchen doch Zeugen für die Untersuchung. Den ersten haben wir schon - Herrn Mommo. Leider ist er ein bisschen schweigsam. Also müssen wir weitere suchen. Aber hören wir doch erst einmal, was unser kahler Hahn zu berichten hat.“

Rouhfaz musste gestehen, dass er bei der Magd Celsa nichts mehr erreicht hatte. Aus Angst vor Hauk wollte sie nicht einmal mehr mit ihm reden. Mit den Worten „Er bleibt, ihr zieht weiter!“ hatte sie ihn abgewiesen. Es war Rouhfaz sehr peinlich, Odo enttäuschen zu müssen, den er im Stillen bewunderte und auf dessen Anerkennung er Wert legte.

„Nun, Meister Rouhfaz“, sagte Odo, „du wirst doch hoffentlich noch nicht aufgeben. Das Tor ist zu, also an die Belagerung! Mit Sturmböcken und Katapulten!“

„Ich werde mich bemühen, Herr Odo“, sagte Rouhfaz mit einem unsicheren Lächeln. Odo entließ ihn mit einer Handbewegung.

„Ich möchte wirklich gern wissen, wer mir mein Pferd gestohlen hat“, sagte er, als wir am Tisch allein waren. „Eine solche Dreistigkeit kann ich als Stellvertreter des Königs nicht hinnehmen.“

„Du willst wissen, wer die Leiche in den Sattel gesetzt hat?“, fragte ich. „Es war auf jeden Fall nicht der Mörder.“

„Ah! Wie ich sehe, bist du wieder mal weiter als ich. Und wer war nun der Mörder?“

„Ich hatte noch keine Gelegenheit, dir ein Erlebnis zu erzählen. Heute Mittag, als ich die Pferdediebe bemerkte und, leider glücklos, verfolgte …“ Ich berichtete, was ich im Castell beim Besuch des Hauk gesehen und erfahren hatte.

„Er schießt auf zusammengetriebenes Wild, mit Awarenpfeilen!“, schloss ich. „Bis heute wusste ich zwar nicht, was Besonderes an ihnen ist …“

„Sie sind dreiflügelig, ohne Widerhaken, sehr scharf, dringen sehr tief ein“, erklärte Odo. „Ich habe natürlich auch bemerkt, dass er ganze Körbe voll davon in seinem Turm hat. Das Gehege und die Abfallgrube sind mir entgangen. Es war ja Nacht und dass es hier überall stinkt, ist nichts Besonderes.“

„Täglich macht er seine Zielübungen – auf verängstigtes Wild, das läuft, springt, Haken schlägt. Wie sollte er da seinen knienden Bruder vor dem Eremitengrab verfehlen!“

„Du bist also nach wie vor der Meinung …“

„Der Awarenpfeil in Mommos Hals ist doch die letzte Bestätigung. Niemand anders als Hauk kann es getan haben. Was den zweiten Mord betrifft, magst du Recht haben. Hier kommt Hauk wohl nicht mehr in Frage. Wenn aber Frau Begga Mommos Tochter getötet hat, bedeutet das nichts weiter, als dass sie und Hauk ein Paar sind, das sich die Mühe teilte und gründlich vorging. Vater und Tochter zwischen zwei Sonnenuntergängen.“

„Und wer hat den Vater auf das Pferd gesetzt?“

„Männer, die den Leichnam gefunden und so wie wir eine Ahnung haben, was geschehen ist. Sie wollen zeigen, dass sie Bescheid wissen, vielleicht um Hauk gewisse Zugeständnisse abzupressen. Oder sie hofften sogar, dass sich der Mörder beim Anblick der grausigen Erscheinung verraten würde. Er tat es auch, aber vielleicht war ich der Einzige, der es bemerkt hat. Als Mommo am Tor erschien, fiel Hauk auf die Knie und stieß hervor: ‚Er lebt! O Himmel, er ist nicht tot!‘ Er hatte ihn also vermutlich liegen lassen – in dem sicheren Glauben, ihn tödlich getroffen zu haben. Es sollte eben wie die Tat eines Wegelagerers aussehen. Dass der Mörder dann selber das Pferd auf den Markt brachte, war eine Dummheit, auch in den Augen dieser Männer. Um das zu zeigen, stahlen sie Impetus! Erinnerst du dich an den Blick, den Frau Begga gestern dem Hauk zuwarf, als sie erfuhr, dass er das Pferd verkauft hatte? Er hatte gegen den Plan gehandelt und sie ahnte, was das bedeuten konnte …“

Mittlerweile war es draußen dunkel geworden, doch der Mond schien durch die Türöffnung und so wurde mit Licht gespart. Nur vor uns hatte Petrissa ein Öllämpchen hingestellt. Die Männer vom Salhof und vom Dorf beschränkten jetzt ihre Achtung vor uns darauf, das sie uns nicht mehr zu Leibe rückten und uns in unserer Ecke allein ließen. Eng aneinander gedrängt hockten sie längs der Wände, saures Bier in tönernen Krügen vor sich. Ihre Unterhaltung war offenbar lebhaft, hörte sich aber an wie das harmlose Grollen eines fernen Gewitters. Es war spät geworden und sonst mochte um diese Zeit niemand mehr hier sein. An einem Tag wie diesem war es zu früh, sich schon nach Hause zu schleppen und auf das Strohlager zu kriechen.

„Wo sie bleiben!“ sagte Odo und trat kurz an die Tür, um hinauszusehen.

„Wen erwartest du denn eigentlich?“, fragte ich, als er zurückkam.

„Fulk und einen von unserm Trupp. Sie sind im Castell, sollen Waffen holen. Ich zweifle zwar nicht an ihrer Tapferkeit, aber ob sie dem Bratenduft Widerstand leisten können …“

Hauk lässt also anrichten, obwohl sein Bruder und seine Brudertochter …“

„Die Toten sitzen am Tisch des Herrn. Soll deshalb hier unten das Wildbret verderben? Er muss Hrotbert und seine Leute beköstigen, sie bleiben bis morgen, zur Grablegung. Und natürlich will er sich angenehm machen. Vielleicht ist er auch gar nicht schuldig …“

„Nicht schuldig?“, sagte ich so laut, dass das Gemurmel ringsum verstummte.

Odo lächelte nachsichtig und leerte seinen Becher. „So seid ihr Pfaffen, Zweifel vertragt ihr nicht. Ihr erzählt uns eine Geschichte und dann heißt es: Nun glaube! Deine Geschichte ist nicht schlecht, aber sie ähnelt diesem gesüßten Wein hier. Die Bestandteile passen nicht recht zusammen.“

„So widerlege mich!“

„Das ist nicht einfach. Was das Gesöff hier betrifft, so verfahre ich nach eurer Methode. Ich trinke noch einen Becher und noch einen und vertraue auf die Gewöhnung. Und schließlich schmecke ich den sauren Saft und den Honig nicht mehr heraus und glaube, dass es tatsächlich süßer Wein ist. Vielleicht ist das mit dieser Geschichte auch möglich, wenn du sie mir noch ein paarmal erzählst. Aber was ich im Augenblick noch durchschmecke …“

„Was ist es? Sprich doch!“

Primo. Hier benutzen alle zur Jagd Awarenpfeile. Der Waffenschmied der Zent hat einen Gehilfen, einen gewissen Uto, obodritischer Herkunft, der lange bei den Awaren in Gefangenschaft lebte. Dort hat er gelernt, solche Pfeile zu machen und andere wollen sie hier nicht mehr. Wer immer in diesen Wäldern auf Hirsche, Wildschweine oder Zentgrafen schießt, lässt einen Awarenpfeil von der Sehne schnellen.“

„Nun? Und?“

„Es gab auch andere, die Mommo nicht liebten. Einige Namen hat du auf deinen Schreibtafeln.“

Secundo!“

Secundo leere ich jetzt, wie angekündigt, noch einen weiteren Becher, der aber für heute der letzte sein wird. Dieser unreine Saft ist gefährlich.“ Er winkte der Schankwirtin, die mit dem Krug herbei kam.. „Sag dem guten Lupus, Petrissa, wie fandest du Mommo am Abend vor seiner letzten ruhmlosen Ausfahrt?“

„Er war betrunken. Er konnte kaum stehen. Was er sprach, verstand man nicht mehr …“

„Hattest du denn Gelegenheit…?“, warf ich ungläubig ein.

„Es gab doch im Seli das große Abschiedsgelage. Da musste ich noch zwei Fässer Wein hinschaffen, ihr eigener reichte nicht.“

„Glaubst du“, fragte Odo, „dass er um Mitternacht schon wieder zu Pferde sitzen konnte?“

„Woher soll ich das wissen? Probiert es aus. Euch würde ich es zutrauen. Aber in dem Fall lasst mir Witzlaw zu Hause.“

„Siehst du“, sagte Odo, nachdem er Petrissa mit einem geschmeichelten Lächeln entlassen hatte, „solche Leistungen werden nur einem Nachfahren Chlodwigs zugetraut, nicht aber einem gewöhnlichen Zentgrafen. Der Kerl war voll, er roch heute noch aus dem Mund.“

„Umso leichter war er zu überreden, das Grab des Heiligen zu besuchen“, sagte ich starrsinnig. „Er wird …“

Tertio!“, fuhr Odo dazwischen. „War er aber so betrunken, dass er bei seiner nächtlichen Pilgerfahrt auch noch ein Lastpferd mit sich führte? Welcher Befehlshaber schleppt seinen eigenen Tross? Warum hat er das zweite Pferd nicht dem Trupp übergeben, bei dem sich die anderen Lasttiere befanden?“