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Sie stiegen wieder auf ihre Pferde, und diesmal ritt der Jüngling hinter dem Alchimisten her. Der Wind trug die Geräusche der Oase zu ihnen herüber, und er versuchte, die Stimme Fatimas herauszuhören An diesem Tag war er nicht zum Brunnen gegangen, wegen der Schlacht.

Doch am Abend, während sie jene Schlange in jenem Kreis beobachteten, hatte der seltsame Reiter mit dem Falken auf der Schulter von Liebe und Schätzen gesprochen, von den Wüstenfrauen und von seinem Lebensweg.

»Ich werde mit dir gehen«, sagte der Jüngling. Und alsbald kehrte Friede in seinem Herzen ein.

»Wir reisen morgen vor Sonnenaufgang ab«, war die einzige Antwort des Alchimisten

24

Der Jüngling konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Zwei Stunden vor Sonnenaufgang weckte er einen der Burschen, der mit ihm im Zelt schlief, und bat ihn, daß er ihm zeige, wo Fatima wohne. Sie gingen gemeinsam dorthin Zur Belohnung gab ihm der Jüngling Geld für ein Schaf.

Dann bat er ihn, Fatimas Schlafstätte aufzusuchen, sie zu wecken und ihr zu sagen, daß er draußen warte. Der junge Araber tat, wie ihm geheißen, und erhielt zur Belohnung Geld für ein weiteres Schaf.

»Jetzt geh und laß uns allein«, sagte der Jüngling nun zu dem jungen Araber, der in sein Zelt zurückkehrte, um weiterzuschlafen. Jener war stolz darauf, dem Berater der Oase behilflich gewesen zu sein, und glücklich, nun Geld zu besitzen, um Schafe kaufen zu können.

Fatima erschien vor dem Zelt, und sie gingen zwischen den Dattelpalmen einher. Der Jüngling wußte zwar, daß dies gegen die Sitten verstieß, doch das war jetzt einerlei.

»Ich gehe«, sagte er »Und ich möchte, daß du weißt, daß ich zurückkommen werde Ich liebe dich, denn…«

»Sag nichts mehr«, unterbrach ihn Fatima »Man liebt, weil man liebt. Dafür gibt es keinen Grund.« Aber der Jüngling fuhr fort »Ich liebe dich, weil ich einen Traum hatte, einen König traf, Kristallwaren verkaufte, die Wüste durchquerte, Stämme begannen, sich zu bekriegen, und ich an einem Brunnen war, um nach einem Alchimisten zu fragen. Ich liebe dich, weil das ganze Universum dazu beigetragen hat, daß ich zu dir gelangte«

Sie umarmten sich. Es war das erste Mal, daß ihre Körper sich berührten.

»Ich komme ganz gewiß zurück«, wiederholte er.

»Früher habe ich die Wüste mit Sehnsucht betrachtet. Jetzt werde ich es voller Hoffnung tun. Mein Vater reiste auch eines Tages ab, doch er kehrte zu meiner Mutter zurück, so wie er jetzt immer heimkehrt«

Und sie sagten nichts mehr Sie gingen eine Weile zwischen den Palmen umher, dann brachte der Jüngling sie wieder an den Eingang ihres Zeltes

»Ich komme wieder, genauso wie dem Vater immer zu deiner Mutter zurückkommt«, sagte er.

Nun bemerkte er, daß Fatimas Augen voll Tränen standen.

»Du weinst ja.«

»Ich bin eine Wüstenfrau«, erwiderte sie, indem sie ihr Gesicht zu verbergen suchte. »Aber an erster Stelle bin ich eine Frau.«

Fatima verschwand im Zelt. Die Sonne würde bald aufgehen.

Wenn der Tag anbrach, würde sie das gleiche verrichten, was sie während vieler Jahre gemacht hatte, aber dennoch war alles anders geworden. Der Jüngling weilte nicht mehr in der Oase, und diese würde nicht mehr die gleiche Bedeutung haben wie noch vor kurzem. Sie würde nicht mehr der Ort sein mit fünfzigtausend Dattelpalmen und dreihundert Brunnen, bei dem die Pilger glücklich anlangten am Ende einer langen Reise. Die Oase würde von nun an einen leeren Ort für sie darstellen. Von nun an würde die Wüste wichtiger sein als die Oase. Sie würde sie immer betrachten und zu erraten versuchen, welchem Stern der Jüngling auf der Suche nach seinem Schatz gefolgt sei.

Sie würde ihre Küsse dem Wind mitgeben in der Hoffnung, daß diese das Gesicht des Jünglings streiften und ihm erzählten, daß sie lebte und auf ihn wartete, wie eine Frau, die einen mutigen Mann erwartet, der seinen Traumen und Schätzen nachgeht Von diesem Tag an würde die Wüste nur eines sein die Hoffnung auf seine Wiederkehr!

25

»Denke nicht an das, was wir zurücklassen«, sagte der Alchimist, als sie durch den Wüstensand ritten. »Alles ist in der Weltenseele eingraviert und wird für immer dort bleiben.«

»Die Menschen träumen mehr von der Rückkehr als vor der Abreise«, meinte der Jüngling, der sich schon wieder an die Stille der Wüste gewöhnte.

»Wenn das, was du gefunden hast, echt ist, dann wird es nie vergehen. Und du kannst eines Tages zurückkehren. Wenn es jedoch nur ein Lichtmoment war, wie die Explosion eines Sternes, dann findest du beim Wiederkommen nichts mehr vor.

Aber du hast eine Lichtexplosion erlebt und das allein hat sich bereits gelohnt.«

Der Mann sprach die Alchimistensprache, aber der Jüngling wußte sehr wohl, daß er sich auf Fatima bezog.

Es war schwer, nicht an das zu denken, was sie zurück ließen.

Die Wüste mit ihrer immer gleichen Landschaft füllte sich mit Tr äumen. Der Jüngling sah noch die Dattelpalmen, die Brunnen und das Gesicht der geliebten Frau vor sich. Er sah den Engländer mit seinem Labora tonum und den Kameltreiber, der ein Meister ist und es nicht weiß. ›Vielleicht hat der Alchimist selber noch nie geliebt‹, dachte er bei sich.

Der Alchimist ritt voraus, mit dem Falken auf der Schulter Der Falke kannte die Sprache der Wüste gut, und immer, wenn sie anhielten, flog er davon, um Nahrung zu holen. Am ersten Tag brachte er einen Hasen. Am zweiten Tag brachte er zwei Vögel.

Nachts breiteten sie ihre Decken aus, machten aber kein Lagerfeuer. Die Nächte in der Wüste waren kalt und wurden immer finsterer, während der Mond am Himmel abnahm. Eine Woche lang blieben sie schweigsam und besprachen lediglich die nötigen Maßnahmen, um den Kämpfen der Stämme auszuweichen. Der Krieg dauerte an, und der Wind wehte gelegentlich den süßlichen Geruch von Blut herüber. Es mußte in der Nähe eine Schlacht stattgefunden haben, und der Wind erinnerte den Jüngling an die Sprache der Zeichen, die ihm stets zeigen konnten, was seine Augen nicht zu sehen vermochten.

Am siebten Reisetag entschloß sich der Alchimist, früher als üblich zu rasten. Er nahm die Feldflasche und bot dem Jüngling Wasser an, und der Falke flog auf Beutefang.

»Nun bist du beinahe schon am Ziel deiner Reise«, sagte der Alchimist. »Meinen Glückwunsch, daß du deinem persönlichen Lebensweg gefolgt bist.«

»Und du führst mich, ohne etwas zu sagen. Ich hatte gehofft, du würdest mich lehren, was du weißt. Vor einiger Zeit war ich mit einem Mann in der Wüste, der Bücher über Alchimie besaß.

Aber sie lehrte mich nichts.«

»Es gibt nur eine Möglichkeit zu lernen«, entgegnete der Alchimist. »Und das ist durch Handeln. Alles, was du wissen mußt, hat dich die Reise gelehrt. Jedoch eines fehlt noch.«

Der Jüngling wollte wissen, was es war, aber der Alchimist schaute wie gebannt auf den Horizont und erwartete die Rückkehr des Falken. »Warum nennt man dich Alchimist?«

»Weil ich einer bin.«

»Und was stimmte bei den anderen Alchimisten nicht, die Metall in Gold verwandeln wollten und es nicht schafften?«

»Sie suchten nur nach Gold«, antwortete der Gefährte. »Sie suchten den Schatz am Ende ihres persönlichen Lebensplanes, ohne jedoch den eigentlichen Lebensplan leben zu wollen.«

»Was fehlt mir noch an Wissen?« beharrte der Jüngling. Aber der Alchimist blickte noch immer zum Horizont hinüber. Nach einiger Zeit kehrte der Falke mit einer Beute zurück. Sie gruben ein Loch und machten das Feuer darin, damit man das Licht der Flammen aus der Ferne nicht sehen konnte.