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Offenbar hatte er den Leinwandfetzen vorher mit Leim bestrichen; als er den Fetus hochhob, blieb die Gesichts scheibe auf dem Frätzlein kleben. Wieder hielt Julius den Satansbalg vor seine Augen, wie vorhin im Burghof, diesmal aber redete er mit fiebriger Eile auf ihn ein:

»Nihil meherde vita est aliud, nisi mummia quaedam balsamita, conservans mortale corpus a mortalibus vermibus et aestphara, cum impressa liquoris sallium commistura.«

Er schwenkte das Knäblein hin und her und drückte ein Ohr an seine Brust. Dann schüttelte er den Kopf, seine Miene blieb unverändert, und doch spürte Markéta, dass ihn Unruhe befiel.

Hinter ihm kochte noch immer die Silberkrone im Glasballon, Julius aber hielt das Knäblein in die Höhe, als ob er es den himmlischen Mächten übereignen wollte, und begann in fiebrigem Singsang zu leiern: »Sei gegrüßt, Geist, der vom Himmel bis auf die Erde dringt und von der Erde bis zu den Grenzen des Abgrundes. Sei gegrüßt, väterlicher Geist, der in mich dringt und mich erfasst und von mir scheidet nach Gottes Willen in Güte. Sei gegrüßt, des Sonnenstrahles Dienst, Beglänzung der Welt. Sei gegrüßt, des nächtlich scheinenden Mondes ungleich leuchtender Kreis! O großes, größtes, kreisförmiges, unbegreifliches Gebilde der Welt! Himmlischer Vater, im Himmel befindliche, ätherische, im Äther befindliche, wassergestaltige, erdgestaltige, feuergestaltige, windgestaltige, lichtgestaltige, dunkelgestaltige, wie Sterne glänzende, feuchtfeurig-kalte väterliche Majestät: Ich preise dich, du Gott der Götter, der die Welt gegliedert hat, der donnert, der blitzt, der regnet, der erschüttert, der lebendige Wesen erzeugt. Ich beschwöre dich, Gott der Äonen, Herrscher des Alls, nimm diesen Sohn und blas ihm deinen Lebensodem ein! Et iste filius servabit te in domo tua ab initio in hoc mundo et in alio.«

Schon bei der Beschwörung von »Gottes Willen in Güte« hatte Julius zu schreien begonnen, mit fremder, pfeifender Stimme, und nun schüttelte er das Kindlein, dass die leere Leinwandlarve bebte, und warf es mit wütendem Schwung auf den Tisch zurück.

»Etwas fehlt, etwas fehlt!«, kreischte es aus ihm heraus. »Der Aquaster, o herrlicher Vater, ein Spritzer vom Stirnodem fehlt!«

Er bückte sich unter den Tisch und schnellte gleich wieder empor, eine kurzstielige Axt in der Hand. »Kommt dort heraus, Katharina!«

Mit wölfischer Raschheit glitt er um den Tisch herum, war mit drei Schritten bei ihr und zog sie hinter der Säule hervor. »Euren Stirnodem, ich befehl’s!« Er schwang die Axt empor.

»Julius, mein geliebter Herr!« Noch immer empfand sie mehr Erbarmen als Angst. Dabei ließen der milchige Glanz seiner Augen, die zuckende Lippe, das pfeifende Kreischen keinen Zweifel, dass er nun ganz und gar in der Gewalt des Lumpenteufels war. »Seht mich doch an, Julius: Vor Euch steht Markéta!«

Für einen winzigen Moment zögerte er, dann krachte die Axt herab und schleifte kreischend über den Stein der Säule, vor der sie einen Wimpernschlag zuvor gestanden hatte. Julius fuhr herum. »Hierher, ich befehl’s!« Die Axt vor seine Brust gedrückt, sprang er mit tierhaft geschmeidigen Sprüngen durch den Felsensaal, hinter Säulen, in Winkel spähend.

Mit angehaltenem Atem sah Markéta zu, wie er sich ihrem Versteck näherte, einer gemauerten Nische, die sich im nächsten Moment als tödliche Falle erwies.

»Ah, Madame! Euren Aquaster, aber hoppsa!«

Sie trat aus der Nische und ging langsam auf ihn zu, mit ausgebreiteten Armen. Wie furchtbar traurig, dachte sie, von seiner Hand zu sterben, aber er ist’s ja nicht, es ist nur sein Körper, vom Lumpenteufel gelenkt.

Abermals hob Julius die Axt, da erklangen klappernde Schritte vom Gewölbetor her. Sein Blick irrte den Weg hinauf, wo gleich darauf eine schmale Gestalt erschien, mit dünnen blonden Haaren, in blauer Zofentracht.

»Madame - o mein Gott!«

»Lisetta.« Sie versuchte vergebens, das Beben in ihrer Stimme zu dämpfen. »Was machst du hier? Bitte erklär Don Julius, wer vor ihm steht!«

»Flor such ich, das Tor war auf, und da dacht ich ... Wer vo-vor ihm steht?« Mit einem Mal begann sie so sehr zu zittern, dass ihre Zähne klapperten und sie an der Mauer Halt suchen musste. »Na, Ihr seid Ma-madame Ma-markéta, denk ich?«

»Ma-ma-ma-ma!«, äffte Julius sie mit kreischender Stimme nach.

»Den Odem von Maman für die gläserne Mutter, das dünkt mich nur gerecht, Madame!« Seine Blicke flogen von der Zofe zurück zu Markéta, dann sauste die Axt abermals herab.

Sie spürte einen zerreißenden Schmerz in ihrer Schulter. Mit aller Kraft trat sie ihr Knie nach vorn, Julius stieß einen Schrei aus und taumelte zurück.

»Lauf, Lisetta!« Sie rannte auf die Zofe zu, die wie versteinert auf der Schwelle zum Felsensaal stand. Hinter sich hörte sie Julius’ keuchenden Atem, die Axt fuhr kreischend über Stein, schon trommelten wieder seine Schritte hinter ihr. »Hol den Oberst, Lisetta!«

Der Schmerz hackte und fraß in ihrer linken Schulter, Blut floss aus der Wunde und lief in warmen Schwallen an ihrem Arm herab.

Der Gewölbegang drehte sich vor ihren Augen, die Fackeln tanzten, die Mauern neigten sich ihr entgegen und mit ihnen Lisetta, die auf einmal vor ihren Füßen lag.

Mit ihrer allerletzten Kraft sprang Markéta über die kleine Zofe hinweg, machte zwei letzte strauchelnde Schritte und fiel der Länge nach zu Boden. Der Schmerz kochte in ihrer Schulter, schon wollten ihr die Sinne schwinden. Ergeben hob sie den Kopf, blickte über die Schulter zurück und sah eben noch, wie Julius’ starker, nackter Leib unter dem verwunschenen Tiergesicht sich im Sprung über ihr streckte, die Axt hoch über seinen Kopf erhoben. Dann jagte die Klinge hernieder, ein grässliches Knacken ertönte, ein allerletzter, schon sterbensmatter Schrei.

Ihr Kopf war immer noch krampfhaft zurückgedreht, dennoch dauerte es ein halbes Hundert holpernder Herzschläge, bis ihr Geist verstand, was vor ihren Augen geschehen war.

Das Blut toste in ihren Ohren und floss aus ihrer Schulterwunde, doch Julius’ Klinge hatte nicht nochmals in ihren Leib gebissen. Die Axt war in Lisettas Stirn gefahren, und Julius kauerte über ihr und ließ in die Höhlung seiner Hände tropfen, was aus ihrem Schädel rann.

»Aquaster, Ma-ma-ma-dame«, hörte sie ihn murmeln, »ein Spritzer vom Stirnodem für den herrlichen Vater, damit der Homunkel munter wird!«

Sie versuchte von ihm fortzukriechen, den steilen Gang hinauf, dem Halbkreis aus Morgenlicht entgegen, der in weiter Ferne über ihr glänzte. Ihre Hände scharrten über den Steinboden, doch es war nur ein krampfhaftes Zucken auf der Stelle.

Julius, mein geliebter Herr .

Ihr Kopf war zurück auf den Boden gesunken, hinter sich hörte sie schmatzende Laute, wie wenn dort jemand einen Teig oder Brei in den Händen wälzte. Den Kristallballon, in dem die Silberkrone kochte, sah sie auf einmal wieder vor sich, den scharlachroten Krönungsmantel, den die blauen Flammen des Athanor verzehrten, das Steinkind, wie’s auf dem Alchimistentisch hockte, die leere Königslarve vor der schwarzen Satansfratz. Wie ein wundersamer Traum erschien ihr dies alles, und die Sinne wollten ihr schon vollends schwinden, als stampfende Schritte vom Burghof her ertönten und ein Dutzend kaiserlicher Gardistenstiefel in die Unterwelt hinabgetrampelt kam.

Mühevoll hob sie abermals den Kopf, sah an der baumlangen Gestalt empor und erblickte endlich das hölzerne Antlitz von Oberst Hoyos, schwindelnd hoch über ihr.

»Erhebt Euch, Don Julius, ich muss Euch fortbringen.« Seine Stimme knarzte ärger denn je.

»Herr Oberst«, murmelte Markéta, »bitt sehr, ich ...« Schatten tanzten, Sterne wirbelten vor ihren Augen. Mit äußerster Anstrengung drehte sie noch einmal den Kopf über ihre Schulter, aus der Blutfontänen sprangen, grellrot wie im Fiebertraum. »Bitt sehr, ich verreck!«

Für einen winzigen Moment traf sie der Blick unter borkegrauen Augenbrauen, die wie geschnitzt aussahen. »Holt den Brodner«, befahl Hoyos, »der schleicht sowieso immer hinter der Senorita her.«