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Die Wirkung war ungeheuerlich. Alle fünf Dutzend Personen, die im Saal zusammengedrängt waren, begannen fast gleichzeitig durcheinander zu schreien. Dabei hatte kaum jemand »das blanke Gegenteil« wirklich gesehen.

»Ein Affenfell!«, rief einer und hätte schwerlich ärger danebenzielen können.

»Ein Hermaphrodit!«, trumpfte ein anderer auf, wurde jedoch gleich niedergeschrien von einem wohlgenährten Edlen, der mit rotem Kopf und donnernder Bassstimme ausrief: »Ja, habt ihr keine Schlitze im Schädel, ihr böhmischen Knödelbarone - der Bursche ist ein Kunstmensch aus Rädern und Metall!«

»Affen-fe-fell«, repetierte Flor in bekümmertem Tonfall, dabei heftig mit dem Bader rangelnd, »Rä-räder und Metall!« Da ging mit lautem Ratsch der Umhang samt Lumpenhemd zuschanden. Bis zum Gürtel entblößt stand Flor vor dem Grafenthron, am ganzen Leib zitternd und den Tränen nah.

»Aufhören, ich befehl’s!« Don Julius sprang abermals von seinem Prunksessel auf, so heftig, dass ihm die Silberkrone fast vom Haupt fiel. Mit einer Hand drückte er sie auf seinen Schopf zurück, mit der andern deutete er in die Menge. »Raus, ihr alle, auf der Stelle, schert euch weg!« Seine Stimme überschlug, sein Gesicht verzerrte sich, alles Geschrei erstarb so jählings wie unter der Fliegenpatsche.

Erstaunt beobachtete Markéta, wie die edlen Herrschaften ihre gepuderten Köpfe einzogen und ohne ein Widerwort aus dem Saal liefen. Hinter ihnen schlugen die Türflügel in den Rahmen, kaum mehr als einen Herzschlag, nachdem Don Julius seinen Befehl hervorgestoßen hatte, war er mit dem Bader, Flor und Markéta allein.

Abgesehen von dem sehnigen Herrn in mehlfarbener Perücke und weiß gelackter Weste, der mit seinem Stöckchen wie mit einem Fechterdegen auf den nabellosen Knaben deutete: »Ich verstehe sehr gut, Euer Liebden, dass seine spécialité Euch faszinieren muss. Mais croyez-moi, Excellence, sie bedeutet sicher nicht, dass er von einer gläsernen Mutter geboren wurde.«

Mit offenem Mund sah Markéta von dem eleganten Sprecher zu Don Julius auf seinem Thronsockel und von diesem zu Flor, der eine Hand vor seinen Magen presste und mit trübsinniger Miene echote:

»Gläserne Mu-mutter! Croyez-moi!«

13

Der Vater hielt ihre Schultern mit beiden Armen umschlungen. Stumm kämpfte Markéta gegen seinen Griff an und wusste doch, dass ihr Leben verwirkt wäre, wenn sie sich ernstlich einzumischen wagte. Flor lag rücklings am Boden, die Arme gespreizt wie auf dem Rad. Durch eine Tapetentür waren die schwarzgelockten Zwillinge herbeigesprungen, um sich mit Knien und Fäusten auf Flors Arme zu hocken, still und geschwind wie Katzen, einer links, eine rechts. Flor kämpfte noch immer, keuchend, mit hitzefleckigen Wangen, die Augen verdreht. Dabei konnte er kein Glied mehr regen, denn auf seinen Schenkeln saß Don Julius, wie ein Wolf über der Beute, dutzendweise vervielfacht in den Spiegeln ringsum.

»Wie erklärt Ihr das hier, cher maître«, hörte Markéta ihn atemlos ausrufen, »diesen kieselglatten Balg, der mit keinem Weiberwanst je verbandelt war?« Während er wie im Fieber redete, fuhren seine Hände wieder und wieder über den mageren Bauch des Burschen, der sich unter ihm bäumte und wand. »Wollt Ihr mir nicht verraten, d’Alembert, wie das Mirakel geschehen sein soll - wenn nicht im Pelikan, auf schwarzkünstlerische Manier?«

Dem zierlichen Herrn im gelackten Wams hatte es anscheinend die Sprache verschlagen. Sein weißes Stöckchen zielte auf die Kämpfenden am Boden, doch aus seinem strichdünnen Mund drang kein Wort hervor. Der junge Hüne im brandroten Mantel beugte sich tiefer über seine Beute, seine Hände stützten sich schwer auf Flors Brust.

»Ihr quetscht ihn ja zu Tode, edler Herr!« Markéta hatte sich nicht länger bezähmen können. Wenn der Vater sie schon hinderte, sich dazwischenzuwerfen, so hielt er ihr doch zumindest nicht den Mund zu. »Lasst ihn los, Euer Gnaden, ich fleh Euch an!«

Wahrhaftig richtete sich Don Julius wieder auf und wandte sich um zu ihr. Auch sein Gesicht war vom Kampf erhitzt, das lange braune Haar zerzaust, vergessen lag die Silberkrone droben auf dem Thron. »Mein Besitztum - das waren doch seine Worte, Bader?«

Seine Frage galt dem Vater, aber sein Blick haftete auf Markéta, deren Mund mit einem Mal staubtrocken wurde. Sie spürte, wie der Vater hinter ihr nickte, und hörte sein Räuspern dicht an ihrem Ohr. Doch ehe er etwas erwidern konnte, sprach Don Julius schon weiter:

»Und meinte er mit diesen Worten nur die Ausgeburt der Retorte?«

Er erhob sich und deutete nach hinten, auf den liegenden Flor. »Oder auch die dreiste Maid in seinem Arm?«

Hinter Markéta erstarrte der Vater. Vor Angst, dachte sie, und da erst stieg Furcht auch in ihr empor. Mit federnden Schritten kam Don Julius auf sie zu; als wären sie nur ein entzweiter Schatten ihres Herrschers, waren mit ihm auch die Zwillinge aufgesprungen und tappten nacktfüßig hinter ihm her.

Don Julius trat so nahe vor Markéta, dass sie den Geruch seines Körpers atmete, herb und schwer, dachte sie, ein wenig wie das Unterholz droben im Wald. In den Augenwinkeln sah sie, wie Flor sich zum Sitzen aufrichtete und mit bekümmerter Miene um sich sah. »Ausgeburt«, hörte sie ihn leise klagen, »Pe-pelikan!«

»Sie heißt Markéta, durchlauchtigste Exzellenz«, sagte derweil der Vater mit gepresster Stimme, »und es war der sehnlichste Wunsch ihrer verstorbenen Mutter, sie so bald wie möglich wieder in gräflicher Obhut zu sehen.«

Seine Worte stürzten Markéta in einen Bottich voll widerstreitender Gefühle: Freude, da sie in Flors Nähe bleiben konnte, falls Don Julius der Bitte entsprach. Rührung über den Vater, der so mutig für Mutter Biancas letzten Willen focht. Dazu eine ziehende, keineswegs geheure Erwartung, befeuert vom Blick des jungen Regenten, der unverwandt auf ihr haftete, und von dem schweren, ein wenig modrigen Geruch seiner Haut.

Dann erst fiel ihr auf, was der Bader nicht erwähnt hatte: dass er selbst ihr Vater sei. Es hat ja nichts zu besagen, dachte sie rasch, während seine Arme sich von ihr lösten und Sigmund Pichler hinter ihr zur Tür hin zurücktrat.

»Diesem Wunsch kann mit Leichtigkeit entsprochen werden«, sagte Don Julius, und sein Blick bohrte sich noch tiefer in Markétas Augen. »Es soll der Maid an nichts fehlen, sie wird mir persönlich zu Diensten sein.« Er sah über die Schulter nach hinten. »So verhält es sich doch, Obersthofmeister d’Alembert?«

Der zierliche Herr mit der mehlfarbenen Perücke trat sichtbar widerstrebend näher. Mit seinem Stöckchen versuchte er vergeblich, die halbnackten Zwillinge zu verscheuchen, die nun als Engelspaar neben Don Julius posierten, mit holdem Lächeln und die Ellenflügel seitlich weggespreizt. »Alles wird genau so eingerichtet, wie Ihr es wünscht, Excellence.«

»Dann ruft die Wache herbei«, befahl Don Julius, ohne seinen Blick von Markéta zu wenden, »sie sollen den Nabellosen in den Turm werfen. Mich aber geleitet in meine Gemächer, Maître, die Reise hat mich ermüdet, und von all dem Trubel und Tokaier schmerzt mir das Haupt.«

Er streifte seinen Prunkmantel ab und ließ ihn zu Boden gleiten. Der Maître zuckte zusammen, doch er hatte sich gleich wieder in der Gewalt, bückte sich und hob den Umhang auf. Mit tänzelnden Schritten ging er zum Thronsockel, legte den Mantel darauf und zog unter dem Goldbrokat, der bis zu den Füßen des Sessels herabhing, eine Kupferglocke hervor.

Selbst als ihr scheppernder Klang den Spiegelsaal erfüllte, fuhr Flor nicht zusammen. Der Goldschöpfige hockte noch immer vor dem Sockel am Boden, den Kopf auf die bloße Brust gesenkt. Ein Bote aus der Welt jenseits des Nebels, dachte Markéta wieder, ich muss bei ihm bleiben, was auch geschieht.