Выбрать главу

Zwei Soldaten von der gräflichen Salvaguardia traten ein; erst als sie seinen funkelnden Blick auf sich fühlte, erkannte Markéta, dass der kleinere der beiden Jan Mular war, seine Wange von ihren Nägeln gestrählt.

»Diese da lasst säubern und parfümieren.« Don Julius griff Markéta ins Haar und zog sie zu sich heran, wie man ein ungebärdiges Pferd bei der Mähne packt. Für einen kurzen Moment stand sie so eng an ihn gepresst, dass sie seinen Herzschlag spürte, dann schob er sie mit einer nachlässigen Bewegung zu d’Alembert hinüber. »Steckt sie in ein venezianisches Gewand, dann schickt sie in mein Gemach.«

ZWEI - DESCENSIO

»Reinigt die Substanzen durch stetiges Befeuern auf dem Athanor.«

14

Die brünette Bronja kannte sie seit ihrer Kindheit, ebenso die schüchterne Lisetta mit dem weizenblonden Haar. Dass die beiden gleichaltrigen Mädchen hier droben in der Burg schon eine Stellung gefunden hatten, freute Markéta, auch wenn es sie im Stillen erstaunte: Schließlich war der neue Graf gerade erst eingetroffen, und sie selbst und ihr Vater hatten zu den ersten Bittstellern gezählt.

Aber sei’s drum, dachte sie, mit den beiden Gefährtinnen an ihrer Seite würde sie sich desto leichter eingewöhnen und sogleich zu hören bekommen, was von den Lakaien im Einzelnen erwartet wurde. Lächelnd ging sie auf Bronja zu, die sonderbar steif in der Tür stand. Eben wollte sie die rundliche junge Frau in die Arme schließen, da strich Bronja Slatava ihre blau bestickte Zofenschürze glatt und ging mit einem Knicks in die Knie.

»Was soll das?«, sagte die Baderstochter und musste gegen ihren Willen lachen. Ein Scherz, dachte sie, wenn auch zur Unzeit; in ihrem Rücken spürte sie noch den Blick des unerbittlichen Maître d’Alembert, der sie durch Gänge und Saalfluchten, treppab und wieder treppauf hierher geführt hatte, zur Eingangstür der Frauengemächer, wo Lisetta und Bronja schon auf sie warteten.

Auch Lisetta Kollek, mager und einen halben Kopf kleiner als Bronja, vollführte nun einen unbeholfenen Knicks, und Markéta wurde jählings bewusst, welchem Vorzug die beiden Mädchen wohl ihre Stellung verdankten: Ihre Brüder Mikesch und Vladislav dienten als Soldaten der gräflichen Salvaguardia. Mikesch Slatava hatte sie vorhin mit Jan Mular unten auf der Brücke gesehen.

»Diese Zofen werden für Eure Bequemlichkeit sorgen - Madame«, sagte hinter ihr der Obersthofmeister, vor der förmlichen Anrede gerade so lange zögernd, dass sie die Missbilligung spürte. »Ihr scheint die beiden schon zu kennen, umso besser, sie wurden instruiert, jeden Eurer Befehle auszuführen. A votre service, Madame.« Er deutete eine Verbeugung an und klemmte seinen Stock unter den Arm, dann wandte er sich um und ging mit raschen, tänzelnden Schritten davon.

Markéta wunderte sich über sein Gebaren, aber in ihrem Innern war sie noch immer mit der Szene im Spiegelsaal beschäftigt, mit Don Julius, Flor und dem Vater, die sie alle drei in Verwirrung gestürzt hatten, jeder auf seine Art. Zwischen den beiden Zofen, die abermals mit starren Mienen vor ihr knicksten, trat sie in die Frauengemächer, ein wahres Labyrinth ineinander verschachtelter Salons und Säle. Vom ersten Saal aus, der ganz und gar lachsfarben war - von den Seidentapeten über die Sessel bis zu den Brokatvorhängen - und offenkundig als Empfangsraum diente, zweigten Türen in alle Himmelsrichtungen ab. Hinter jeder offenen Tür erkannte sie weitere Zimmer in Violett und Rosa und hinter diesen neue Säle und Räume, weitere Türen, dahinter wieder kostbare Teppiche und Möbel, mit Gemälden und Gestellen bedeckte Wände, hohe Fenster, durch die in breitem Strahl die Sonne brach.

Von einer Art Schwindel erfasst, blieb Markéta mitten im Empfangszimmer stehen.

»Wenn Ihr die Güte hättet, uns zu folgen, Madame«, murmelte Lisetta.

»Aber wohin denn?«, rief die Baderstochter aus, die sich mehr und mehr fühlte wie im Traum. »Lasst doch den Unsinn, Mädchen, und sagt wie früher Markéta zu mir.«

»Das ist unmöglich«, erwiderte Bronja, »wir haben Anweisung, Euch als Herrin zu behandeln.«

Unbehaglich standen die beiden vor ihr, die Köpfe gesenkt, die Hände ineinander knetend.

»Das kann ja nur ein Missverständnis sein«, sagte Markéta, »was denn sonst? Gerade eben bin ich in den gräflichen Dienst eingetreten, nicht anders als ihr.«

Die beiden Zofen wechselten Blicke, und zu Markétas Verblüffung wurde die hellblonde Lisetta bis hinauf zum scharf gezogenen Scheitel rot.

»Ein wenig anders schon, Madame«, wagte Bronja endlich zu bemerken.

Hinter ihren Demutsmasken spürte Markéta plötzlich die Verachtung der beiden. Aber weshalb nur, überlegte sie und musste neuerlich an den Vater denken, wie er mit gepresster Stimme zu Don Julius sagte: »Es war der sehnlichste Wunsch ihrer verstorbenen Mutter, Markéta wieder in gräflicher Obhut zu sehen.«

Warum hatte er nicht erwähnt, dass sie auch seine Tochter war? Weil er voraussetzte, zu Recht oder nicht, dass der Regent die Verhältnisse von sich aus durchschauen würde? Ja, so wird’s gewesen sein, sagte sich Markéta, die den beiden Zofen gefolgt war, ohne es recht zu bemerken, in einen zartrosa Nachbarraum hinüber und von dort in ein schmaleres Gelass. Ein großer Badezuber stand darin, zur Hälfte gefüllt mit dampfendem Wasser, von dem ein Aroma nach Wildrosen aufstieg.

Bronja trat hinter sie und löste ihr ohne weiteres die Haare, die in ihrem Nacken zu einem dicken Busch gebunden waren. Währenddessen knüpfte ihr Lisetta das Gewand auf, und ehe Markéta sich versah, stand sie splitternackt vor den beiden Zofen. Plötzlich befangen - dabei war sie unter Nackten aufgewachsen -, sputete sie sich, in den Zuber zu steigen, und tauchte bis zum Nabel ins angenehm warme Wasser ein.

»Ihr glaubt, dass ich gedungen wurde, um Don Julius zu Willen zu sein.« In den Gesichtern der beiden las sie, dass sie richtig geraten hatte. Sie horchte ihren Worten nach und wunderte sich, dass der Gedanke sie nicht ärger empörte. Unversehens schien das Antlitz des jungen Regenten wieder vor ihr zu schweben, der gierige, zugleich unstete Blick seiner braunen Augen, die geschwungene Linie seiner Lippen, die zuweilen leise zuckten, wie vor Ekel oder Schmerz. Wäre sie imstande, diese Lippen zu küssen? Für einen Moment schloss Markéta die Augen, rasch sah sie wieder auf. »Hab ich Recht, Lisetta? So antwortet doch! Bronja!«

Die beiden Mädchen wechselten erneut Blicke, blieben aber stumm. Lisetta begann ihr den Rücken abzureiben, und ehe Markéta noch etwas sagen konnte, tauchte Bronja eine Schale in den Zuber und goss ihrer neuen Herrin einen Schwall Wasser übers Haupt.

15

Wenn Julius irgendetwas noch ärger verabscheute als schönes Wetter, dann die schönen Künste, mit denen d’Alembert ihm seit Jahr und Tag in den Ohren lag. Erheiterung des Gemüts, Veredlung des Charakters, Verfeinerung der Seele und des Geistes - all diese und drei Schock weitere herzerwärmende Wirkungen pflegte der Maître seinen Beaux Arts nachzurühmen, offenbar ohne sich jemals einzugestehen, dass er, Don Julius, an keinem dieser Effekte auch nur das kärgste Interesse besaß.

Dennoch saß der junge Regent mit ergebener Miene auf einem Sessel im Fürstensalon, die nachgebildete Ottonenkrone abermals auf seinem Haupt, um die Schultern den scharlachroten Prunkmantel, den er vorhin im Spiegelsaal so gleichgültig abgeworfen hatte. Denn vier Schritte vor ihm stand Giacomo da Biondo, d’Alemberts venezianischer Lieblingsmaler, unablässig hin und her schielend zwischen ihm und dem gerahmten Leinwandfetzen, der schief auf seiner Staffelei lehnte.