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Julius wollte schon aufbrausen, was erlaubte sie sich, ihm, ihrem Herrn, Bedingungen zu stellen? Doch auf einmal kitzelte ihn ein Lachreiz in der Kehle. Er erhob sich von seinem Sessel und warf abermals den albernen Prunkmantel ab, nahm die Ottonenkrone von seinem Kopf und ließ sie zum Umhang auf den Sessel gleiten. Unter dem Scharlachtuch trug er schwarze Strumpfhosen nach spanischer Mode, dazu Stulpenstiefel und schwarze Weste, eng anliegend in der Manier der väterlichen Majestät. Nur zu dem hohen Stehkragen, dessen Krause andauernd an Hals und Ohren kratzte, hatte er sich nie verstehen können. »Ich gelob’s, Madame«, sagte er und musste noch stärker grinsen, als er ihren argwöhnischen Blick sah. »Euer Nabelloser und Ihr selbst steht unter meiner persönlichen Obhut.«

18

»Den Kaiser zum Vater zu haben, das ist fast wie Gottes Sohn zu sein, verstehst du? Aber ein verstoßener Sohn, soweit es mich betrifft: eher Satan als Jesus Christus.«

Eigentlich hatte er doch sie zum Sprechen bringen wollen, wunderte sich Julius, für einen Moment innehaltend. Aber sie hatte nur die Schultern gehoben und einen halblauten Halbsatz gemurmelt, und seither redete er mit immer hitzigerer Inbrunst auf sie ein.

»Durch mein väterliches Erbteil bin ich von den Himmelsmächten zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs bestimmt, von der Mutterseite dagegen zum Kunsthändler wie Großvater Jacopo - begreifst du, was das heißt? Das matte Blut der seit Generationen Gemälde verhökernden da Stradas - in meinen Adern mit den heiligsten Habsburger Säften vermengt! Ahnst du nun, welcher Riss durch meine Seele geht, Markéta, wie der abscheuliche Bilderhändler in meinem Innern immer wieder meine edelsten Regungen verhöhnt? - Ah, wie könntest du’s verstehen, Baderstochter!«, fiel er sich selbst ins Wort, als er ihre Miene sah, in der sich Mitleid mit Erschrecken mischte. »Oder gar, was es für mich bedeutet, hierher verbannt zu sein!«

»Verbannt, Exzellenz?«, wiederholte sie und sah ihn so bekümmert an, als ob der kaiserliche Stoß sie selbst getroffen hätte.

Wie brachte sie ihn nur dazu, ihr seine geheimsten Gefühle zu offenbaren? Das war ja gerade so, als ob sie ihn verzaubert hätte! Er machte eine wegwerfende Armbewegung. »Zurück zum Nabellosen. Du weißt nicht, woher er kam? Dann lass es dir vom Kaiserbastard sagen, kleine Maid.«

Er trat auf sie zu, und Markéta setzte wieder ihr störrisches Gesicht auf. »Ihr seid ihm schon mal begegnet, Exzellenz?«, fragte sie. »Aber warum wart Ihr dann so verwundert, als der Vater Euch zeigte, was es mit Flor auf sich hat?«

»Die Exzellenz steck dir einmal sonst wohin«, gab Julius zurück, »meinethalben in deinen Busen oder auch weiter südlich.« Er weidete sich an ihrem Schrecken, der die störrische Maske wieder brüchig werden ließ. »Nenn mich gefälligst Don Julius oder, besser noch, einfach Julius. Ich befehl’s.«

Er bot ihr den Arm, und nach kurzem Zögern hängte sich Markéta bei ihm ein. Sie hat just die richtige Größe, dachte Julius, er verabscheute Frauen, die ihn körperlich überragten, was allerdings nur wenigen glückte, sogar mit Hilfe der modischen Stelzschuhe, doch ebenso wenig vertrug er’s, neben einer Frau zu schreiten, die weit kleiner war als er. Beides schien ihm unwürdig, Sinnbilder seiner widrigen Lage: Die Riesin drohte ihn in Bastardtiefe niederzuhalten, die Zwergin verhöhnte sein Streben als Überhebung. Mit Markéta indessen, deren Scheitel ihm bis über die Schulter reichte, fühlte er sich gleich behaglich und vertraut.

»Gehen wir zum Turm«, sagte er, »da wird sich zeigen, ob dein Flor wirklich jener ist, der mir verheißen wurde.«

»Verheißen?«, wiederholte sie und machte große Augen, während Julius sie zur Tür hin mit sich zog.

»Na, durch den Kometen«, erklärte er, nun doch wieder befremdet über ihre Begriffsstutzigkeit. »Letzte Woche stand der Schweifstern über der Prager Burg, brandrot und von der Gestalt eines Drachen, und ein gewisser Astrolog hat ihm abgelesen, dass mich weitab von Prag eine künstliche Figur aufsuchen werde, erschaffen durch alchymische Magie. Et voilà!«

Von der Seite her lachte er ihr ins Gesicht, dabei die widerstrebende Markéta, die sich nur mühsam auf ihren Chopinen hielt, immer weiter mit sich ziehend, den Gang mit den altersdunklen Krumauer Ahnen entlang und die breite Haupttreppe hinab in den innersten Burghof, dessen Wände Wilhelm von Rosenberg vor vierzig Jahren mit illusionistischen Plastiken hatte bemalen lassen, mit Pilastern und Scheinnischen, Fenstern, Friesen und Reliefs.

»Der alte Rosenberg«, bemerkte Julius, »hätte besser getan, die mürben Mauern niederreißen zu lassen, statt sie mit Lüge und Täuschung zu bepinseln.« Er zog Markéta, die staunend um sich sah, immer weiter, den abschüssigen Platz hinunter und auf den Durchgang zum zweiten Burghof zu. »Wilhelm war ein unverbesserlicher Kunstnarr - einerseits«, fügte er hinzu, »andererseits ein weiser Mann und bedeutender Adept. Weißt du übrigens, dass ich schon als Junge ein paarmal hier in Krumau war?« Unvermittelt blieb er stehen. »Einmal war ich dabei, im Gefolge meines Vaters, als der alte Wilhelm droben in seinem Garten Goldtaler pflanzen ließ.« Er lachte laut auf, als er Markétas entgeistertes Gesicht sah, beugte sich plötzlich über sie und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Dann zog er sie weiter mit sich, in den tieferen Burghof hinab, ohne sich um die Röte zu bekümmern, die ihr Antlitz in Flammen setzte.

Wie wundersam vertraut er sich mit ihr fühlte, vielleicht gar nicht viel anders, als die väterliche Majestät sich an der Seite der mütterlichen Mätresse empfand? Der zweite Burghof war weit belebter als die obere Burg, in der sie bloß ein paar Domestiken begegnet waren. Hier auf dem weiten Platz, der von den Strahlen der Abendsonne beschienen wurde, tummelten sich die Künstler und ihr lärmendes Gefolge, die syrakusischen Zwillinge wie immer mittendrin. Die einen musizierten mit Harfen und Flöten, andere brüteten mit wichtigen Mienen über ihren halbfertigen Bildern oder warfen mit fliegenden Fingern Kohlerisse auf Papierbögen, die sich im leichten Wind bauschten. So häupterreich sein Gefolge auch sein mochte, dachte Julius, in dieser Riesenburg war es doch nur ein kümmerliches Häuflein, das sich in den labyrinthischen Gemäuern fast verlor. Aber das würde sich ändern, wie Mariandls Astrolog vorausgesehen hatte. Sehr bald schon.

Ohne die Zurufe, Demutsgesten seiner Schranzen und Schmarotzer zu beachten, schritt Julius weiter abwärts, hinein in den finsteren Gewölbegang, der in steilem Gefalle hinunter zum ersten Burghof führte. Als sie den grabeskalten Tunnel hinter sich ließen, ragte vor ihnen, auf der andern Seite des lang gestreckten Platzes, auf dem Pferde, Kutschen und Kaleschen in buntem Durcheinander standen, der Hungerturm empor, himmelhoch und von Wilhelms Meistern mit venezianischen Lügen bemalt.

»Die Alchemie ist die wahre Mutter aller Künste und Wissenschaften«, sagte Julius, während sie an dem salutierenden Wächterduo vorbei in den Hungerturm traten, »und bald schon wird sie auch die neue Mutter und Amme der Menschheit sein: durch mich.«

Einer der beiden Wächter, ein fuchsroter Schlacks in der Uniform der gräflichen Salvaguardia, sah ihnen mit entgeisterter Miene hinterher. Er mochte Markéta aus früheren Tagen kennen, wie Julius sich sagte, vielleicht hatte sich der Tölpel gar in die wohlgestalte Baderstochter vergafft? Von dieser Vorstellung angeregt, entzog er Markéta seinen Arm und legte ihn stattdessen um ihre Taille. Schlank und fest fühlte sie sich an unter dem schlichten, hellbraunen Kleid. Und starr wie eine Steinsäule, als sie seine Umschlingung spürte, aber er lachte ihr nur leise ins Ohr und schob sie die enge Wendeltreppe hinauf.

»Wenns erst so weit ist«, sagte er, »habt ihr Weiber als Gebärerinnen ausgedient, was aber nicht heißen will, dass eure Brüstchen und Fötzchen nicht mehr gebraucht würden.« Er blieb unvermittelt stehen, zog sie an sich und drückte seine Lippen auf die ihren. Mit der Zunge zwängte er ihren Mund auf. Überraschend leicht gab sie nach, aber nur für einen Moment der Überrumpelung, dann stieß sie ihn mit beiden Händen von sich.