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»Dankt Eurem Namen und Rang, durchlauchtigster Herr«, sagte sie so betont, wie ihr keuchender Atem es zuließ, »dankt dem Respekt, den ich vor Euch als dem Grafen von Krumau empfinde, oder meinetwegen auch nur meiner Angst, wie der arme Flor in diesen Kerkerturm geworfen zu werden. Einem andern hätt ich das Knie zwischen die Schenkel gestoßen, Euch ruf ich nur zu: Schande dem Mann, der einem Weib Gewalt antut!«

Ihre grünen Augen blitzten ihn an. So nah vor ihm schwebte noch immer ihr Antlitz, dass er an sich halten musste, um sie nicht abermals auf ihren kirschroten Mund zu küssen. »Gewalt?«, wiederholte er in ehrlichem Erstaunen. »Ich räum ja ein, dass ich mir schon manche Frucht gepflückt hab, ohne den Baum lang um Erlaubnis zu fragen. Aber da ging’s ein wenig anders zu, Madame.« Aufmerksam sah er sie an. Wie töricht sie sich verhielt, dachte er, und wie seltsam, dass es bei ihr gar nicht lachhaft wirkte, eher wie ein Ausfluss natürlicher Würde.

Sein Blick glitt an ihr hinab, von den blitzenden Augen über den störrisch zusammengekniffenen Mund bis zu ihrem Busen, der unter dem hochgeschlossenen Kleid vor Aufregung bebte. Was ihn selbst anging, seine Ekstase war fürs Erste perdu. Er richtete seine Beinkleider, bot ihr aufs Neue den Arm und zog sie weiter die Treppe hinauf.

Auf der ersten Plattform zweigte ein Gang ab, schmal und düster. Weiter hinten waren Seufzer zu hören. »Der Komet«, sagte Julius, tief in Gedanken, »hatte nicht die Gestalt irgendeines Drachen. Es war Ouroboros, verstehst du: der Drache der geheimen Künste, der sich in den eignen Schwanz beißt.«

Markéta warf ihm von der Seite einen Blick zu, als wollte sie sagen: Das solltet Ihr auch erwägen, Exzellenz, aber Julius nahm es allenfalls am Rande wahr. Eilends zog er die Baderstochter in den Gang hinein, der nur von einigen Wandfackeln erleuchtet wurde und nach einem Dutzend Schritten vor einem rostigen Gitter endete.

Dahinter hockte der schmale Bursche am Boden, in bunter Lumpenhose, vom Gürtel aufwärts noch immer entblößt. Sein verworrenes Haar glitzerte selbst im Dunkeln. Mit dem nabellosen Rumpf und dem funkelnden Schopf schien der knäbische Elf beide Verheißungen der Alchemie zu verkörpern: die Erzeugung von Gold und die Erschaffung menschlichen Lebens. Beiden Geheimnissen ließ auch die väterliche Majestät von den besten Alchimisten des Abendlandes mit fiebriger Eile nachspüren, von Edward Kelley und Bavor Radowsky, John Dee oder Vaclav Lanvin. Denn die kaiserlichen Schatzkammern waren ebenso leer wie die Kasernen des von Seuchen und Glaubensschlachten verheerten Reiches, und nur durch das zwiefache Mirakel, nur wenn Goldklumpen und Wehrknechtsbälger zu Hunderten aus der alchimistischen Retorte quollen, konnte die väterliche Majestät hoffen, Thron und Kaiserwürde zu wahren.

»Ich werd das Wunder erzwingen«, sagte Julius, indem er dicht vor die Gittertür trat und zwei Stäbe mit den Händen umfasste, »das zwiefache Mirakel, so wie’s mir verheißen worden ist und in Gestalt dieses künstlich Geschaffenen schon anhebt, sich zu erfüllen.« Und wer will mich dann noch hindern, nach Prag zurückzukehren, setzte er in Gedanken hinzu, ja wer könnte mir dann noch das väterliche Zepter streitig machen: mir, dem Retter des heiligen Habsburgerreichs?

Flor, der eben noch wie ohnmächtig im Stroh gehockt hatte, hob langsam den Kopf. »Kü-künstlich geschaffen!«, wiederholte er, und diesmal klang sein Echo nicht klagend, sondern eifrig, ja begeistert, als stimme er der Rede des Regenten aus tiefstem Herzen zu.

Er rappelte sich auf, ohne Julius aus den Augen zu lassen; für Markéta hatte er kaum einen Blick. Mit tapsenden Schritten trat er auch seinerseits ans Gitter, dicht vor Julius, und legte seine Hände um dieselben Gitterstäbe wie dieser, knapp unter den weit wuchtigeren Fäusten seines Herrn. »Kü-künstlich geschaffen«, sagte er erneut, und seine heisere Stimme hallte von den Turmwänden wider, »eignen Schwa-wanz beißt!«

Aufmerksam sah Julius den Burschen an, seine verschiedenfarbigen Augen - eines wölfisch gelb, dabei ins Braune spielend wie die meinen, dachte er, das andere grün wie die Augen Markétas. Er fasste durchs Gitter und packte Flor am Arm.

Der Nabellose wand sich und begann aufs Neue zu seufzen und zu klagen, doch Julius hielt ihn nur umso fester. »Wo hast du deinen Meister gelassen?«, fragte er mit einer Stimme, die vor tückischer Sanftheit vibrierte. »Denn du bist doch deinem Herrn entfleucht? - Das weiß ich mit Gewissheit«, erklärte er Markéta, die starr und stumm zusah. »Mariandls Astrolog hat’s mir gleichfalls prophezeit: Der künstlich Geschaffene wird mit seinem Schöpfer hier erscheinen. Da kann er uns gleich eine weitere Probe seiner Meisterschaft geben - in den Gewölben droben am dritten Burghof, wo Wilhelms Laboratorien nur auf ihre Wiedererweckung warten.«

Auch seine Linke schob Julius nun zwischen die Stäbe, umfasste Flors Nacken und zog ihn so nah zu sich heran, wie das rostige Gitter es zuließ. Dann beugte er sich zu dem um Haupteslänge Kleineren hinab, drückte seine Lippen auf Flors und schob ihm die Zunge in den Mund, wie er’s vorhin bei Markéta erprobt hatte.

Als der Kaiserbastard sich wieder aufrichtete und seine Hände aus dem Käfig zog, taumelte Flor von der Gittertür zurück, mit kummervollem Schrei.

»Er schmeckt nach ... Melisse und Mondkraut«, verkündete Julius nach einigem Sinnen, »nach Gold und dem Samen Saturns.«

»Mu-mumia und Melisse«, murmelte es aus dem Halbdunkel des Kerkers, »Homunkel und . He-hezilow!«

»Hezilow?«, rief die Baderstochter und trat zu Julius’ Verblüffung nun ihrerseits dicht an die Gittertür heran. »Bist du wirklich mit ihm gekommen? Flor, hörst du mich - mit Hezilow?«

»He-hezilow!«, wiederholte der Goldschopfige und richtete seinen zwiefarbigen Blick auf Markéta. »Hö-hörst du mich?«

19

Stumm und starr sah Markéta zu, wie Julius abermals ans Gitter trat und den Nabellosen ins Verhör nahm. Sie kam sich vor wie im Traum.

»Dann ist also jener Hezilow dein Meister, der dich erschaffen hat durch seine alchymische Magie?«

»Mei-meister, ja!«

Wie unheimlich diese Worte in ihren Ohren klangen, und wie sehr sie gleichwohl hoffte, dass Julius weiter und weiter fragen möge, damit sie neben ihm stehen bleiben und ihn unverwandt ansehen könnte: seine schlanke, kraftvolle Hünengestalt, sein kühnes Profil mit dem spitzen Kinn und dem düsteren Zug um seine Lippen, die schon wieder vor Schmerz oder Erregung zuckten.

Er ist voller Bitterkeit und Finsternis, dachte sie. Oft genug hatte sie gesehen, wie selbst starke Männer erblassten, wenn nur der Name dieses Kaisersohns fieclass="underline" Don Julius Caesar d’Austria. Ihr aber flößte er nicht Furcht ein, sondern den höchst beunruhigenden Drang, das Zucken seines Mundes mit ihren Lippen zu stillen.

»Also noch einmal, du elende Kreatur: Wo ist der Magister -so red schon, wo hält er sich auf?«

»Kre-kreatur!«

Sie richtete ihren Blick auf Flor, der sich im hintersten Winkel seiner Zelle zusammengekauert hatte, den Goldschopf auf die Brust gesenkt. Julius stand noch immer dicht vorm Gitter, zwei Stangen so fest umfassend, dass die Knöchel kalkweiß aus dem Braun seiner Hände hervorstachen.

»Ich kenne Hezilow«, sagte sie leise. Julius wandte sich um zu ihr, auch Flor in seinem Winkel hob den Kopf und spähte zu ihr herüber.

»Ein Puppenmacher aus Moskau - das behauptet er jedenfalls«, fuhr sie fort. »Seit einer Woche hockt er an jedem Vormittag bei uns im Zuber.«

»Ein Puppenmacher?«, wiederholte Julius. »Aber ja, das muss er sein - der Erleuchtete, der mir prophezeit worden ist, ein Alchimist, der aus Erde und Licht lebendige Puppen erschafft.« Er ließ die Gitterstäbe los, drehte sich vollends herum und war mit einem einzigen raubtierhaften Satz bei ihr. »Erzählt mir von diesem Hezilow, Madame - wo wohnt er, was wisst Ihr noch von ihm?«