Auf diese Frage, hervorgenäselt von einem dürren Burschen mit Schellenkappe und tomatenroten Seidenhosen, folgte vielstimmiges Gelächter, dröhnend und wiehernd. Mehr verblüfft als wütend sah Markéta um sich, in junge, glatte, und ältliche, grell geschminkte Gesichter, Männer und Frauen, alle so papageienbunt und seidenglänzend wie die Feuerschlucker und Balljongleure auf dem Jahrmarkt zu Krumau.
Wie durch einen Zauber hielten viele von ihnen plötzlich Zeichenbretter in den Händen, Kohlestifte, riesige Adlerfedern, wenn sie nicht gleich Leinwand, Pinsel und Farben mit sich führten wie da Biondo und drei, vier andere Maler, die ihre Staffeleien im Halbkreis um den Käfig aufgestellt hatten.
»Deinem Wunsch soll entsprochen werden, Narr«, rief der Schwarzgewandete, aber in unerwartet samtenem Ton. Die Gestalt wandte sich langsam um zur Menge, die erwartungsvoll aufstöhnte, und tatsächlich war es nicht der Puppenmacher, sondern jener syrakusische Zwillingsbursche, Fabrio oder wie Don Julius ihn genannt hatte: den schwarzen Lumpenumhang nachlässig übergeworfen, das schamlos hübsche Gesicht maskiert mit schwarzen Fäden oder Federn in Hezilows struppigem Stil.
Die Künstler beugten sich über ihre Zeichenblätter, während der Schellennarr auf ein Fensterbrett sprang und törichte Verse zum Besten gab.
»Ich erschuf die Kreatura«, rief Pseudo-Hezilow, »einfach genug - mit meinem Zauberstab!« Und er hob seine Arme zu einer priesterlichen Gebärde, sodass der angekündigte Stab unter dem aufgleitenden Umhang hervorsprang.
Neuerliches Gelächter belohnte die dreiste Schaustellung, einige klatschten in die Hände oder stampften mit den Füßen auf. Markéta aber, kaum zwei Schritte mehr vor dem Käfig, fühlte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Sie machte einen Satz, bekam den Syrakuser beim Ohr zu packen und zerrte ihn vom Käfig fort wie einen rotznasigen Gassenbuben oder wie einen der Streithähne, die in der elterlichen Badestube zuweilen handgemein wurden. Mit hellem Schrei, mehr Wut als Schmerz, taumelte Fabrio zur Seite, ein Büschel syrakusischer Haare blieb in Markétas Hand zurück. Sie ließ es achtlos zu Boden rieseln, ihre Aufmerksamkeit galt längst wieder dem Knaben mit dem goldenen Haarschopf, der sich der Menge vor seinem Käfig zugewandt hatte, im Stroh hinter den Gitterstäben kniend.
Seine Augen, die Markéta aufmerksam ansahen, waren nicht zwiefarben, sondern gleichförmig braun, seine Gesichtszüge plump, wie gedunsen, von elfischer Zartheit unendlich weit entfernt. Vom Gürtel aufwärts war er nackt wie Flor, seit dessen Hemd im Thronsaal zuschanden gegangen war, aber es war nicht Flor.
Markéta kannte den Burschen. Er stammte aus Krumau wie sie selbst, wie so viele Leute, die auf einmal hier oben in der Burg aus- und eingingen. Der Sohn des Moldauflößers, dachte sie, aber was nur hat er im Käfig verloren, anstelle von Flor?
»Nico?«, fragte sie und musste sich räuspern.
Der Bursche nickte und senkte zugleich schuldbewusst den Blick. In wachsender Wut sah Markéta, dass sein Bauchnabel mit einer hautfarbenen Paste ungeschickt zugeschmiert worden war.
»Nicodemus Kudaçek«, sagte sie so streng, wie sie es in diesem Moment vermochte. »Wirst du mir auf der Stelle erklären, was hier vorgeht?« Sie trat vor den Käfig und umfasste zwei Gitterstäbe. Daher fand Nicodemus keine Gelegenheit, ihr zu antworten, so wenig wie Fabrio, der sich wieder aufgerappelt hatte und sie mit Augen voll vulkanischer Glut fixierte. Denn in diesem Moment zerknickten die Gitterstäbe, die Markéta mit baderstöchterlicher Deftigkeit angepackt hatte, und der ganze Käfig sackte mit dem trockenen Rascheln und Knacken angemalten Pappmaches um.
24
»Das All ist Gäjst, ganzes Universum ist gäjstig - so lautet sich erstes Prinzip der Alchemie.« Würdevoll schritt Hezilow neben Don Julius einher, der ihn um anderthalb Häupter überragte. Dabei gab der Puppenmacher unablässig Sentenzen von unergründlichem Tiefsinn von sich. »Wie oben, so unten, wie unten, so oben - so lautet sich zwäjtes Prinzip der hermetischen Philosophie.«
Markéta kam sich mit einem Mal abgrundtief dumm vor. Neben dem zwielichtigen, doch anscheinend überaus gelehrten Magister war sie ja nichts als eine Dorfgans, die gegen die Weisheit des Löwen anzugackern wagte.
»Den roten Leewen zu gewinnen«, sagte Hezilow in diesem Moment tatsächlich, »auch bekannt als Stäjn der Wäjsen, ist sich reines Kinderspiel, Euer Liebden - wenn man nur die sieben hermetischen oder alchymischen Prinzipien beherzigt.«
Sogar ein kaiserliches Dokument hatte der lumpige Russe vorgewiesen, dachte Markéta, während sie Julius, Hezilow und dem Maître durch die Burghöfe folgte. Und dennoch hatte sie vom ersten Moment an gespürt, dass es mit Hezilow keine gute Bewandtnis hatte. So wie sie jetzt deutlich fühlte, dass in Julius noch immer Schmerz und Zorn brodelten, trotz aller Begeisterung, die ihn ergriffen hatte, sowie der kleine Russe in der Burg erschienen war. Verbannt, dachte sie wieder, aber wie kann es nur sein? Opfer einer Intrige, des Mordes an diesem Mariandl bezichtigt - und deshalb vom eignen Vater aus Prag verjagt? Aber war es denn nicht eine glanz- und ehrenvolle Aufgabe, als Graf von Krumau hier in der Burg zu herrschen? Anscheinend nicht, überlegte sie, wenn man der älteste Sohn des Kaisers war und Anspruch auf den väterlichen Thron erhob.
Don Julius’ Stimme riss sie aus ihren Grübeleien. »Und Ihr rühmt Euch, Magister, diese Gesetze zu beherrschen - die heiligen Principia, durch die jede Transmutation gelingt?« Er fragte es mit schlecht verhohlenem Ungestüm, wie ein Kind, dachte sie, das der Erfüllung seines heißesten Wunsches entgegenfiebert.
»Gebt Hezilow nur die neetigsten Hilfsmittel zur Hand«, brüstete sich der Puppenmacher, »und Eure Schatzkammern werden sich fillen mit gildenen Klimpchen sonder Zahl.«
»Verwandlung von Plumbum in Gold - schön und gut«, erwiderte Julius, indem er mitten auf dem dritten Burghof stehen blieb und den kleinen Russen beim Arm packte. »Aber sagt, Magister« - er dämpfte die Stimme - »wie steht’s mit der lebendigen Kreatura? Ist jener da wahrhaftig der gläsernen Mutter entkrochen in Euerm Baseler Labor?« Und er deutete mit spitzem Kinn auf den Nabellosen, der sich eng an Hezilows linker Seite hielt, einen halben Schritt zurück wie ein geprügeltes Hündchen.
»Zwäjfelt Ihr an Wort und magischer Macht von Hezilow, Exzellenz?«, brauste der Russe auf.
»Glä-gläserner Mutter! Jener da!«
»Nein, gewiss nicht«, versicherte Julius, »seht mir meine unbedachten Worte nach, die mir bloß von der Hoffnung eingeblasen wurden, dass das große Werk gelingen möge - hier auf Burg Krumau, zu meinem Ruhm und zur Rettung unsres Kaiserreichs.«
»Werden wir Pfauenschwanz schon zum Bliehen bringen, Euer Liebden! An der neetigen Apparatur fehlt’s ja gewiss nicht - nach allem, was man so munkeln heert?«
»Pah, Euch soll’s an nichts gebrechen - außer an Zeit! Sputen wir uns!« Und Julius beschleunigte seine Schritte, den Puppenmacher mit sich ziehend.
Charles d’Alembert, der dem Humpelnden mit tänzerischer Eleganz folgte, sah spöttisch auf Hezilows Schwertscheide, die Funken sprühend über den Steinboden schleifte. Niemals, dachte an seiner Seite Markéta - nie hatte sie Julius weniger hochfahrend erlebt als gegenüber Hezilow. Wieder fühlte sie, wie dumm und ungehobelt sie selbst war, neben dem Magister wie auch neben dem jungen Grafen, die sicher beide mehr Wissenschaften studiert hatten, als sie auch nur dem Namen nach kannte, die Jurisprudentia, die Theologia und was es sonst noch an Unbegreiflichem geben mochte. Ich dagegen, sagte sie sich, kann nicht mal Pappe von Eisen unterscheiden, Theater von Wirklichkeit.
Nach ihrem überstürzten Rückzug aus dem weißen Saal, wo sich die Künstler unter Weh- und Zornesrufen um den zerknickten Karzer geschart hatten, war sie geraume Zeit durch Gemäuer und Höfe geirrt, ehe sie am unteren Ende des zweiten Burghofs auf Don Julius gestoßen war. An seiner Seite Hezilow, der in endlosem Strom Sentenzen produzierte, dabei sein schwarzes Stöcklein wirbelnd; in ihrem Gefolge Maître d’Alembert und Flor, der fröstelnd die Arme vor der bloßen Brust verschränkt hielt. Für Markéta hatte er kaum einen Blick, dagegen verfolgte Flor jede Bewegung des lumpigen Russen mit einem Ausdruck hündischer Ergebenheit und sprach wieder und wieder die Phrasen seines Meisters mit stockender Zunge nach.