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Ohne ein Wort hatte Markéta sich ihnen angeschlossen, mit einem beiläufigen Kopfnicken von Don Julius willkommen geheißen und mit einer knappen Verbeugung von d’Alembert. Selbst Hezilow hatte nur einen Blick unter verstrüppten Augenbrauen auf sie abgeschossen und war gleich wieder zu seinen hermetischen Prinzipien zurückgekehrt.

»Alles fließt aus und ein, alles hat seine Gezäjten, Euer Liebden. Alle Dinge stäjgen und fallen, das Schwingen des Pendels zäjgt sich in allem - so lautet sich finftes Prinzip der Alchemie.«

»Pe-pendel in allem!«

Fast wäre es ihr lieber, dachte Markéta nun, wenn Julius oder der Maître versuchten, sich ihrer Begleitung zu entledigen, dann könnte sie sich zumindest wieder als Flors Beschützerin fühlen statt als nichts begreifende Gans. Aber niemand hinderte sie, den drei Männern und Flor zu folgen, die mit raschen Schritten den dritten Burghof durchmaßen und rechterhand vor einem riesigen Gewölbetor hielten. Also lief sie weiter auf nackten Füßen hinter ihnen her und blieb dann neben Flor stehen, dessen blasse Haut im Fackellicht fast durchsichtig schien.

Charles d’Alembert nestelte einen gewaltigen Schlüssel aus seinem Wams hervor und schob ihn mit sichtlichem Widerstreben ins Schloss. Unter lautem Knarren und Stöhnen schwang der rechte Flügel des Gewölbetors auf. Der Maître zog eine Fackel aus ihrem Wandhalter und leuchtete in die laboratorische Finsternis hinein, machte aber keine Anstalten, als Erster das Gewölbe zu betreten. Da nahm Hezilow ihm die Fackel aus der Hand und trat über die Schwelle. Im selben Augenblick sprangen aus einer Tür vis-à-vis die syrakusischen Zwillinge, nun gemeinsam in den schwarzen Lumpenmantel gewickelt, der Fabrio vorhin zur dreisten Scharade gedient hatte.

»Geschlecht ist in allem, alles hat sich männliche und wäjbliche Prinzipien; offenbart Geschlecht sich auf allen Ebenen«, hörte Markéta den Puppenmacher deklamieren, und für einen Moment der Verwirrung schien es ihr, als ob sich diese Phrase in geheimnisvoller Weise auf die Zwillinge bezog. »So lautet sich siebentes Gesetz der Alchemie.«

Gleichwohl warf sie dem syrakusischen Duo einen, wie sie hoffte, warnenden Blick zu, dann sputete sie sich, hinter Hezilow und Don Julius, Flor und d’Alembert in die grabesfinstere Unterwelt hinabzusteigen.

25

Geschäftig lief der Puppenmacher von einer Wandnische zur nächsten und entzündete mit seiner Leuchte armdicke Kerzen. Seine Schritte hallten von den Wänden wider, und mit jedem Licht, das er entflammte, schälte sich ein wenig mehr von dem gewaltigen Gewölbe aus der Dunkelheit. »Spiritus alme«, rief er dabei mit pfeifender Stimme, »Illustrator hominum - Horridas nostrae mentis purga tenebras!«

»Erhabener Geist - Erleuchter der Menschen.« Don Julius, der auf einmal neben Markéta stand, übersetzte die Formel, seine Stimme schien vor innerer Bewegung zu vibrieren. »Reinige die schaurigen Finsternisse unsres Geistes!«

Während er sprach, drehte sich Markéta um ihre eigene Achse, dabei abwechselnd in die Höhe und zu den fleckenweise erhellten Wänden sehend. Sie befanden sich in einem unterirdischen Saal von so gewaltigen Ausmaßen, dass er leicht das ganze Pichler’sche Badehaus fassen mochte. Überall standen Tische und Herde, Schemel und Regale, bedeckt mit Tiegeln und Töpfen, sonderbar geformten Gefäßen aus Glas oder Eisen, hastig bekritzelten Bögen und verfleckten Lederkladden. Modergeruch hing in der Luft. Irgendwo im Hintergrund tropfte Wasser hernieder, in quälend langsamem Takt. Fingerdick lag über allem rußdunkler Staub.

»Zu Wilhelms Zeiten«, sagte Don Julius zu ihr, »sind hier unten vierspännige Kutschen aus- und eingefahren, mit Fässern voll Schwefel, Truhen voller Gold und allem, was die Schwarzkünstler für ihr großes Werk brauchten.«

Tatsächlich waren sie vom Gewölbetor über eine abschüssige Straße bis hierher abgestiegen, ins Innerste des Laboratoriums, das sicher zwanzig Meter unter der Erde lag. Unterwegs hatte Markéta verschiedene Abzweigungen bemerkt, in Seitenwege, Nebengewölbe, die Maître d’Alembert und die Zwillinge auf eigne Hand erkunden mochten. Jedenfalls hatte sie das ungleiche Trio bald schon aus den Augen verloren. Aber die Schwarzkünstler machten doch Gold, wollte Markéta fragen, wozu also die Truhen? Da fiel ihr Blick auf ein riesiges Wandgemälde, das Hezilow mit emporgestreckter Fackel bestrahlte.

»Mercurius verschlingt Sol«, erklärte der Russe mit geheimnisvoller Miene, und Flor, der im Halbdunkel neben ihm stand, echote mit klappernden Zähnen: »Ku-kurius schlingt Sol!«

Das Bild zeigte einen furchterregenden Löwen mit schimmelgrüner Mähne, der ohne weiteres die Sonne zermalmte, Blut spritzte aus etlichen Wunden im ernst blickenden Himmelsgesicht. »Ich bin der wahrlich grüne und güldene Löwe ohne Sorgen - in mir steckt alle Heimlichkeit der Philosophen verborgen!«, stand auf dem buttergelben Spruchband, das sich über dem Löwen durch die Lüfte schlängelte.

»In die Tiefe jedes Körpers«, sagte der Puppenmacher, »wirkt sich Mercurius alläjn.« Blindlings griff er hinter sich und zog Flor ins Fackellicht. »Werft dem grienen Läj einen Keerper zum Fraß vor, Euer Liebden, und er wird ihn erleuchten und transformieren - von toter Materia in die lebendige Kreatur!«

»Grü-grüner Leu!«, echote Flor mit so bekümmerter Miene, als ob er gleich in Tränen ausbrechen würde. »Lebendige Kreatur!«

Nie zuvor in ihrem Leben, dachte Markéta, hatte sie einen Menschen mehr verabscheut als den kleinen Puppenmacher. Mochte er getrost in dieser modrigen Unterwelt verschimmeln, wenn er nur den armen Flor in Ruhe ließ! Aber sie wagte kaum, dem Russen einen zornigen oder Flor einen tröstenden Blick zuzuwerfen. Niemals vorher hatte sie sich auf weniger sicherem Grund gefühlt als gerade hier im Felsgewölbe unter der Burg. Und nie zuvor hatte sie eine solche innere Verwirrung empfunden - wie angepflockt zwischen Don Julius, dessen Nähe ihr Herz heftig schlagen ließ, und dem offenbar tief verstörten Flor. Was nur hatte Hezilow mit dem Nabellosen zu schaffen, und was mochte Don Julius mit seinem Gefangenen im Sinn haben? Glücklicherweise hatte er Flor zumindest aus seinem Kerker entlassen. Aber das hieß offenbar nicht, dass der Nabellose ein freier Mann war. Vielmehr schien nicht nur Hezilow selbst, sondern auch Julius ihn als selbstverständliches Besitztum des Puppenmachers anzusehen.

Die Fackel in der Hand, trat Hezilow mit schleifendem Schwert zu einem großen Tisch unweit von Julius und Markéta. Er beugte sich über eine zerfledderte Lederschwarte. Als er darin blätterte, wallte süßlicher Aasgeruch auf. Markéta wich einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen Don Julius, der blitzschnell seine Arme um sie legte.

»Hier!«, rief der Puppenmacher aus. »Beachten Sie dieses Bild, Hochwohlgeboren!«

Julius beugte sich über ihre Schulter, wobei er sich von hinten noch fester gegen sie presste. Der Kupferstich zeigte einen bauchigen Topf auf glühendem Ofen, von unten züngelten Flammen empor. Oben aus dem Gefäß schauten verschiedene Wesen hervor, eines sah für Markéta wie ein Schwein aus, ein anderes wie ein Wolf. Das Grässlichste jedoch war ein Drache mit gespreizten Flügeln und halb geöffnetem Rachen, der sich offenbar anschickte, dem Feuer zu entfliehen.

Flor, der einen flüchtigen Blick auf das Bild geworfen hatte, prallte förmlich zurück und brach nun tatsächlich in Tränen aus. »Der aalte Drach’!«