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Stetig tropfte das Wasser in den Saal herab, und ebenso gleichförmig sprach der Puppenmacher auf Don Julius ein: »Leben, Euer Liebden, ist sich nichts als einbalsamierte Mumia, die den sterblichen Keerper vor Fäulnis bewahrt, mit Hilfe einer Salzleesung, deren Formula sich offenes Buch für Hezilow ist.«

»So könnt Ihr wahrhaftig Kreaturen formen«, fragte Don Julius, »aus Lehm und Dreck - wie ein zweiter Gott?«

»Keerper ist sich malum acputridum, Euer Liebden, beese und faulig. Sein Bestreben ist es nur, zu verfaulen und sich wieder in Kot zu verwandeln. Philosophischer Kinstler kann der Mumia während der Fäulnis ihre Lebensessenz entziehen - den heiligen Aquaster, Euer Gnaden, aus dem Hezilow Euch flugs das monstrum hermaphroditum destillieret - das Retortensöhnchen, auch als Homunkel bekannt.«

»Mo-monstrum«, flüsterte Flor, »Homu-munkel!«

Don Julius’ Hände lagen noch immer auf Markétas Hüften, braun und lauernd wie zwei kräftige kleine Tiere.

»Dämpfe steigen auf, das Destillat läuft zurück im Pelikan.«

DREI - DESTILLATIO

26

Über Krumau goss es aus allen Himmelsschleusen, dass man die Moldau bis in die Burg herauf gurgeln hörte, und Don Julius war in allerbester Stimmung. Eben hatte die Glocke unten im Städtchen achtmal geschlagen - oder vielleicht auch siebenoder neunmal, was scherte es ihn? Wollüstig wälzte er sich in den Seidenpfühlen des gräflichen Paradebettes, das von einem dunkelblauen Samthimmel überspannt wurde und wenigstens drei auf drei Meter maß.

Ah, die väterliche Majestät wird Augen machen, dachte er, wenn erst nach Prag vermeldet wird, dass hier auf Krumau Dreck in Gold verwandelt worden ist - unter der Regentschaft Eures Sohnes, allerherrlichster Herr! Laut Hezilow war die Transformatio für einen Erleuchteten seines Grades »ganz geringfiegiges Kunststick, Euer Gnaden«

- und wie käm ich dazu, an seinen Worten zu zweifeln, dachte Julius, Mariandls Astrolog hat mir ja alles aufs Haar genau so vorausgesagt. Die geschaffene Kreatur und den erleuchteten Magister, die gleich nach seiner Ankunft auf Burg Rosenberg erscheinen würden; Ströme funkelnden Goldes und geschaffener Bälger, die bald schon aus dem Gewölbe unter der Burg hervorquellen würden ...

Julius reckte sich nach der Messingglocke, die an einem burgunderroten Strang vom Himmel hing, und läutete ungestüm. Einen Herzschlag drauf erschien sein persönlicher Kammerdiener, den er stets nur Robert nannte, nach dem Vertrauten seines kaiserlichen Vaters zu Prag.

»Ich hab einen Hunger wie ein Bär, Berti!«, rief ihm Julius entgegen und rieb sich den Bauch unter seinem Nachthemd, das mit dem Rosenberg’schen Wappen in Rot und Silber bestickt war. »Apropos Bär - wir brauchen Braunbären für den Burggraben, ganz so, wie’s früher bei Wilhelm war. Sag d’Alembert, er soll sich drum kümmern, ja?«

»Wie Ihr befehlt, Exzellenz.«

Ah, cher maître, ich werd dir zeigen, wer fortan das Stöckchen in der Hand hält. Mit heiterem Lächeln sah er zu, wie der junge Robert von Fenster zu Fenster ging und die schweren Samtvorhänge aufzog. Draußen rauschte noch immer der Regen, und der Himmel war von der Farbe alten Bleis. Plumbum! Hezilow hatte gestern gleich zehn Fässer voll bestellt, außerdem Schwefel und Kalk, allerlei Säuren und Salze sowie Himmelskraut, bei Vollmond zu pflücken, dazu zweihundert lebendige Zitterlinge, die abstoßendsten Pilzgewächse auf Erden. Der Gallert des Zitterlings, tremella nestoc, so der Puppenmacher, beschleunigte die Fäulnis, aus der das alchimistische Gold emporblühen würde.

Alles, alles, was er will, soll er bekommen, sagte sich Julius, Metalle und Pulver, Truhen voller Geld und Kutschen voller Gehilfen - wenn er nur geschwind seine magische Kraft beweist und mir im Triumph zurück nach Prag hilft! Er warf die Polster zurück und wälzte sich seitwärts aus dem Bett. Robert sprang gleich herbei, um ihm den Nachttopf mit dem gräflichen Wappen zu reichen, und Julius zog sich das Schlafhemd bis zum Nabel hoch und sah voller Behagen zu, wie der zitronengelbe Strahl in die Schüssel schäumte.

»Was wünschen Eure Exzellenz heut zu speisen?« Mit seinem runden Böhmengesicht, den semmelblonden, scharf gescheitelten Haaren und dem Knödelbäuchlein unter der blauen Uniform sah Robert wie eine verjüngte Kopie des väterlichen Kammerdieners aus, des einzigen Menschen wahrscheinlich, dem die einsame Majestät überhaupt noch über den Weg traute.

»Gebratenen Kapaun, was sonst«, gab Julius zurück, »mit Kastanien aus Chiavenna angestopft. Und dazu Burgunder und rote Trauben, und bring Marzipan - aber das gute, aus Siena, hörst du, nicht wieder so ein griesiges Imitat! Sag dem Maître, dass ich seine Schliche durchschaue - allesamt und immer schon! Oder nein, Robert, das sag ich ihm besser selbst.«

Wenn ich es wage. Auf einmal wurde ihm flau. Auch das geschlachtete Mariandl fiel ihm gleich wieder ein, ihr Blut an seinen Händen, die ruchlose Intrige, durch die er aus dem Hradschin gedrängt worden war. Aber wenn die väterliche Majestät erst erkennt, was ihr verstoßener Sohn alles vermag, sagte sich Julius, muss sie die Verbannung im Handumdrehen aufheben. Und wer auch immer mir das Mariandl untergeschoben hat, wird grässlich dafür büßen.

Er stülpte die Lippen vor und reichte Robert den Nachttopf. »Ah, noch eins: Erinnere Madame Markéta, dass ich mit ihr zu frühstücken wünsche, hier in meinem Schlafgemach! Und von Breuner soll uns auftischen, die Maid wird Augen machen!«

Während Julius in sein Bett zurückklomm, begann seine Stimmung bereits wieder zu steigen. Markéta! Wenn er nur an sie dachte, drängte es ihn schon zu lächeln, dabei hätte er gar nicht sagen können, was er an der Badersmaid so erheiternd fand. Wie sehr sie stets auf ihre Würde bedacht war, na, das war in der Tat recht komisch. Oder nein, an andern Weibern hätte er’s lachhaft gefunden, wenn sie Brüstchen und Ehre vor ihm zu verwahren suchten, aber bei Madame Markéta Pichlerovâ ...

Er warf sich rücklings in die gräflichen Kissen und musste auf einmal grinsen, als er sich in Erinnerung rief, wie sie ihn gestern angesehen hatte: die Augen funkelnd, die Wangen gerötet, aber so, als ob sie selbst sich ihrer Empörung keineswegs sicher wäre. Und trotzdem schüchterte sie ihn manchmal geradezu ein! Ei, wie denn das? Obwohl Euer Gebaren ganz und gar unzimperlich ist, Madame, flößt Ihr mir auf geheimnisvolle Weise den Wunsch ein, mich moralisch zu bessern. Ha! Ganz anders als Johanna von Waldstein, deren gesteifte Würde und totenäugige Kühle ihn stets nur reizten, die ewig Verlobte zu kränken, durch Nichtachtung oder offene Niedertracht, je nachdem.

Auch wenn die Pfaffen mich längst zu immerwährendem Schmachten in der Hölle verdonnert haben, bin doch auch ich zu höheren Regungen fähig, zumindest in Markétas Gegenwart. Das Sujet begann ihn zu verdrießen, er schob eine Hand unter sein Hemd und bohrte missmutig in seinem Nabel. Wie dieser Flor wohl die Nacht verbracht hatte? Eigentlich hatte er den Geschaffenen, Rolfie, Flor oder wie er letzten Endes heißen mochte, wieder in den Karzer sperren lassen wollen, aber Markéta hatte sich für ihn eingesetzt wie eine Löwin für ihr Junges: »Wenn in Eurer Brust ein menschliches Herz schlägt, Exzellenz, dann gebt Flor frei!« So, mit genau diesen Worten, mit blitzenden Augen und vor zornigem Eifer geröteten Wangen, hatte Markéta sich für den Nabellosen ins Zeug gelegt, gestern Mittag, als sie aus dem laboratorischen Gewölbe wieder emporgestiegen waren. »Er hat keinem was zuleide getan - im Gegenteil, seht ihn Euch doch an: Der arme Bursche muss Furchtbares erlebt haben! Und überlasst ihn um Himmels willen nicht Hezilow.«

Zu seiner eigenen Überraschung hatte Julius zugestimmt, mit wegwerfendem Lachen: »Ihr sollt Euren Willen haben, Madame, der Nabellose kann sich frei zwischen den Burgmauern bewegen - unter einer Bedingung!«