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Eine Glocke ertönte. Markéta bewegte ihre schweißnasse Hand zwischen Flors kühlen Fingern und lehnte sich zurück, während der Vorhang abermals emporstieg und das Licht im Publikum erlosch.

Das zweite Bild zeigte einen Thronsaal. Zwischen Wänden aus gemaltem Gold und Spiegelglas saß ein junger Herrscher auf dem Prunksessel, im scharlachroten Habit, die silberne Krone schief auf seinem Haupt. Die Zuschauer hießen ihn mit leisem Gelächter willkommen; erst als Don Julius in seiner Loge lauthals auflachte, begannen auch unten im Saal Hunderte Hände ungehemmt zu applaudieren.

Von links sprang wieder der Magier mit dem schwarzen Umhang in die Szene; an der Schlinge geführt, stolperte die unselige Kreatur hinter ihm her. Leise erklang eine Flötenweise, zu diesen kummervollen Tönen begann sich der Nabellose hin und her zu wiegen und taumelnd im Kreis zu drehen. Währenddessen zog der Schwarzkünstler ihn weiter am Seil herum, und bei jeder Bewegung seiner Hände schwang der schwarze Stab in seinem Umhang empor.

Gelächter und Zurufe des Publikums klangen nun ein wenig beklommen. Auch Flor an Markétas Seite seufzte wieder und wieder beim Anblick seines Doppelgängers, der sich mit todtrauriger Miene auf der Bühne drehte. Dann aber brandete abermals Applaus auf, begleitet von heiterem Lachen und spöttischen Rufen: Von der rechten Seite tänzelte eine weitere Gestalt auf die Bühne, ein schmales Männlein, so makellos weiß gewandet wie sein bärtiger Widersacher in einförmiges Schwarz.

Auch Markéta musste lachen, als sie das Mädchen mit der mehlfarbenen Perücke erblickte, das über weißen Strumpfhosen ein Wams aus weißem Leder trug. In der rechten Hand wirbelte sie ein weißes Stäbchen, in der linken hielt auch sie ein Seil, dessen anderes Ende den Blicken noch verborgen war. Aber warum nur sah Lenka in der Rolle des eleganten Maître mindestens so traurig drein wie der Bühnen-Flor, der, von Fabrio hin und her gezogen, allen Grund hatte, mit seinem Schicksal zu hadern?

Geschmeidig bewegte sich der weiße Tänzer um den Thron herum, vor dem plumpen Schwarzbart zurückweichend, wenn der drohend auf ihn zuhinkte, dann wieder an Boden gewinnend, wenn der Nabellose in selbstvergessenem Taumel seinen Meister seitwärts mit sich riss. Der junge Herrscher auf der Bühne schaute gebannt von einer Seite zur anderen, vom Schwarzbart, der den Nabellosen führte, zum weißen Elegant, der nun gleichfalls das Seil in seiner linken Hand straffte. Und von dieser Schnur herbeigezwungen, stolperte eine junge Frau auf die Bühne, bei deren Anblick der ganze Saal in wieherndes, brüllendes, prustendes Gelächter ausbrach.

Die rossbraunen Haare fielen ihr wirr ins Gesicht und bis auf die Schultern hinab, ihre Füße schauten nackt und schlammbefleckt unter dem groben Leinenkleid hervor. Der elegante weiße Tänzer ruckte abermals am Seil, das um eine Hand und einen Fuß der torkelnden Maid geschlungen war. Da verlor sie die Balance und fiel vor dem Thron auf den Rücken, alle viere von sich streckend.

Markétas Gesicht wurde flammend heiß. So tief wie möglich drückte sie sich in ihren Sessel und hoffte, dass die Dunkelheit der Loge sie verschlingen möge. Zugleich aber starrte sie gebannt auf die Bühne, auf der sich ihre eigne Doppelgängerin zur kreischenden Erheiterung des Publikums vor dem Herrscher am Boden wälzte.

»Mit diesem kunstgeneigten Stabe«, sprach der weiße Elegant mit unsäglich trauriger Miene, »dressierte ich die liebliche Kreatur - für Euch, Exzellenz, mein allerherrlichster Herr!« Und dazu wirbelte er das weiße Stöcklein in der Luft und zerrte zugleich rhythmisch an der Schlinge, und im gleichen Takt spreizte die Maid, rücklings vor dem Thron liegend, Arme und Beine, ruckhaft wie ein Jahrmarktsapparat.

Unterdessen hatte der Nabellose sich weiter und weiter zum trübseligen Flötenklang im Kreis gedreht. Nun setzte eine zweite Melodie ein, beherrscht von harten, gläsernen Klavichordtönen, zu denen die Maid am Boden zuckte, sich wie beim Veitstanz wälzte und die Glieder spreizte.

Markéta wäre am liebsten im Boden versunken, nie zuvor hatte sie sich so gedemütigt gefühlt. Die Höflinge verspotteten sie als Hure, die sich vor dem Grafen auf den Boden warf und lockend die Schenkel öffnete! Fast ebenso sehr schämte sie sich für den armen Flor, dessen Doppelgänger nackt auf der Bühne umhertaumeln musste, die Schlinge um den Hals wie ein gefangenes Kalb. Aufhören!, schrie es in ihr, aber sie brachte nicht die Kraft auf, auch nur eine Hand zu heben. Was vermochte sie auch auszurichten gegen die hoffärtige Schar?

Und könnte das dreiste Bühnenstück denn ohne Julius’ Billigung überhaupt aufgeführt werden?

Dieser Gedanke, dass auch er in ihr nur eine tumbe Badershur erblickte, lähmte Markéta noch mehr. Wie versteinert saß sie in ihrer Loge neben Flor, der ebenso starr zur Bühne hinuntersah wie sie, und drückte seine kalte Hand.

Unter johlendem Zuspruch des Publikums war die Pantomime weitergeschritten: Die Maid am Strick des Tänzers hatte sich aufgerappelt, und sie und der Nabellose taumelten und tanzten nach zweierlei Klängen um den Thron herum. Die Flöten weinten, wie gemeißelt klangen die Töne des Klavichords. Währenddessen versuchten die beiden Gefangenen voller Verzweiflung, einander die Hände zu reichen, doch immer wenn sie nahe genug beisammen schienen, rissen ihre Herren sie wieder auseinander.

Dann plötzlich hob der Herrscher seine Schultern zu einer ratlosen Gebärde. Im gleichen Moment verstummten die Instrumente, und die Gestalten in den Schlingen blieben wie versteinert zu beiden Seiten des Thrones stehen. Der schwarze Magier und der weiße Tänzer aber wandten sich jeder zu seiner Seite und begannen, ihre Stäbe mit magischen Bewegungen durch die Luft zu schwingen.

Der Schwarzbart murmelte eine Formel. Da ergoss sich von seiner Seite her eine wahre Flut an papiernen Goldmünzen und gipsernen Gliedmaßen in den Thronsaal, vom schrillen Pfeifen der Flöten untermalt. Der Herrscher rückte seine Krone zurecht und neigte das Haupt zum Zeichen, wie sehr ihm diese Zaubertat behagte, dann jedoch wandte er sich mit fragender Miene dem weißen Tänzer zu. Dieser öffnete den Mund, sang eine betörende Tonfolge und schwang dazu das weiße Stöckchen wie einen Dirigentenstab. In seinen Gesang stimmte abermals das Klavichord ein, zuerst leise und langsam, dann mehr und mehr anschwellend zum Stakkato. Und unter diesen dramatischen Klängen rollte von rechts her eine Staffelei auf die Bühne, mit einem Gemälde darauf, das unter weißem Tuch verborgen war.

»Was ist das für ein Bild?«, rief der Herrscher, und alle Figuren auf der Bühne fuhren zusammen. Denn es war die Stimme ihres wirklichen Herrn, der sich in seiner Loge vorbeugte und hinzusetzte:

»Enthüllt es auf der Stelle - ich befehl’s!«

Augenblicklich wurde das Tuch entfernt, von so vielen Händen, dass nachher niemand hätte angeben können, wer die Dame als Erster entblößt hatte. Zum Vorschein kam ein Gemälde von bescheidenen Ausmaßen und noch mäßigerer Qualität, dessen Inhalt und Bedeutung sich in diesem Moment wohl kaum einem der Anwesenden offenbarte.

»Was stellt das Bild dar?«, fragte auch der wirkliche Don Julius, und während sein Doppelgänger auf der Bühne ratlose Blicke mit den Dubletten von d’Alembert und Hezilow, Flor und Markéta wechselte, gab ihm der tatsächliche Maître - so als ob nun die Loge zur Bühne geworden wäre - mit lauter Stimme Antwort: »Das Bild stammt aus dem Jahr 1587, Euer Liebden, und es zeigt Bianca von Ludanice, eine entfernte Verwandte Wilhelms von Rosenberg. Wie Ihr bei näherer Betrachtung unfehlbar feststellen werdet, sieht Madame Markéta der Dame so ähnlich, wie eine Tochter ihrer Mutter überhaupt ähneln kann.«