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Wieder das rasche Spreizen von Daumen und Zeigefinger, wieder wimmerte Flor. Flugs füllte Hezilow nun eine Kupferschale mit Wasser, setzte sie auf den Athanor und schüttete zwei Säckchen farblosen Pulvers hinein - aus dem Saft von Mondpflanzen gewonnen, wie Julius wusste. Er hatte dem Magister schwören müssen, dass er keines der alchimistischen Geheimnisse an unwürdige Personen weitergeben würde, mit einem grässlichen, blasphemischen Schwur, vor dem ihm noch in der Erinnerung schauderte.

Fondor und Täkie standen starr neben dem Athanor, wie der tönerne Kerl aus seinem Traum, nur durch Hezilows Magie belebt. Während die Mixtur in der Kupferschale heiß wurde, nahm der Puppenmacher zwei kleine Flaschen aus dem Regal. Aus der ersten Flasche schüttelte er drei Tropfen Quecksilber in den zweiten Flakon, der mit klarem Meisterwasser gefüllt war. Sofort trübte sich das Wasser und nahm eine milchig weiße Farbe an.

Auf dem Herd dampften unterdessen die Mondsäfte in ihrer Kupferschale. Hezilow gab die milchige Flüssigkeit aus der Flasche hinzu, wartete aufmerksam, bis die Mixtur zu kochen begann, und zog sie mit einer raschen Bewegung vom Feuer.

Dann machte er seinem Adepten ein Zeichen.

Sofort trat Julius zu ihm, sie hatten jede Bewegung mehrfach eingeübt. Er spürte Markétas Blicke auf sich und musste sich neuerlich mystischer Vorstellungen erwehren, den Tiegel zwischen ihren Schenkeln und die darin brodelnden Mondsäfte betreffend. Rasch nahm er das Kupferbecken mit kaltem Wasser, das auf dem Tisch bereitstand, und hielt es seinem Meister hin.

Hezilow goss die kochende Mixtur aus der Kupferschale hinein, und sogleich löste sie sich im Wasser auf. Schließlich blieb ein bräunlicher Rückstand übrig - »das Projektionspulver«, erklärte der Russe, »misste sich äjgentlich in der Sonne trocknen, aber weil Euer Herrlichkeit nicht länger warten kann, behilft sich Hezilow mit dem Athanor.«

Er nahm Julius das Kupferbecken aus den Händen und stellte es auf den Herd. Bescheiden trat Julius zur Säule zurück, zwischen den Maître, der undurchdringlich wie immer dreinblickte, und Markéta, deren Wangen brennend rote Flecken zierten.

Binnen weniger Minuten war der bräunliche Schlamm zu feinem Puder getrocknet. Hezilow stellte ihn zur Seite, nahm ein Stück Blei, legte es in einen Tiegel und brachte es langsam zum Schmelzen. Er öffnete eine weitere Flasche und gab einen Tropfen rötlichen Extrakts aus einer kleinen Phiole hinein - »ist sich Leeweneel« -, fügte eine Prise des braunen Puders hinzu und bedeckte den Tiegel mit einer Kupelle, die mit glühenden Kohlen gefüllt war. »Muss sich die Mixtur ein Stindchen lang gliehen.« Er feixte in Julius’ Richtung, dann trat er zu seinen Gehilfen und verwickelte sie in ein leises Gespräch.

Während die Minuten dahinschlichen, wechselten Julius, der Maître und Markéta kaum ein Wort. So gelassen und siegessicher sich Julius eben noch gefühlt hatte, so bang wurde ihm nun zumute. Hatte er früher in Prag nicht unzählige Erzählungen von betrügerischen Alchimisten gehört? Waren nicht auch die angeblichen Magier, die vor Jahren hier auf Burg Krumau Goldtaler zu säen versprachen, nichts als gemeine Strauchdiebe gewesen? Was wäre, wenn auch der Puppenmacher sich als Scharlatan entpuppte?

Nein, unmöglich, beschwor er sich dann wieder, Hezilow hatte ihm durch unzählige Andeutungen bewiesen, dass er wahrhaftig ein eingeweihter Magister war. Und hatte nicht auch jener Astrolog ihm vorausgesagt, dass die Goldprobe gelingen würde? Kurz und erschreckend huschte ihm das Mariandl durch den Sinn; wieder spürte er das widerlich klebrige Rot an seinen Händen, wie damals, als er neben dem Leichnam zu sich gekommen war. Ah, auch diesen ruchlosen Verschwörern würde er auf die Spur kommen, mit der Hilfe Markétas, die ganz und gar davon überzeugt schien, dass er in eine mörderische Kabale verwickelt worden war; fast noch überzeugter, dachte Julius, als ich selbst. Pah, alles, alles würde glücken, bald schon würden sich aus den Gewölben von Burg Krumau gewaltige Ströme funkelnden Goldes ergießen, mächtig und unbezähmbar. Nie wieder würde die väterliche Majestät auf einem Reichstag um die dürftigsten Gelder betteln müssen, und niemals mehr würde irgendwer sich erdreisten, seine, Don Julius’, Sukzessionsfähigkeit zu bestreiten. Wir, Julius Caesar von Habsburg, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ...

In seine ekstatischen Träume hinein tönte, wie aus weiter Ferne, die Glocke von St. Veit: zwölf Schläge und zwei dünnere dazu.

Hezilow entfernte die Kupelle mit den glühenden Kohlen, nahm eine Weinrebe zur Hand und rührte das rötliche Gebräu damit um. Augenblicklich wurde es zu einer zähen Masse -»durch Projektionspulver und Leeweneel«, erklärte der Russe gelassen, »wird sich das Metall fixiert.«

Ruhig rührte er weiter um, hob endlich den glühenden Tiegel mit einer Zange vom Herd und setzte ihn auf einen Stein. Wieder winkte er Julius heran, in seinen Knopfaugen funkelte es triumphierend. Als Julius sich über den Tiegel beugte, brach ihm vom Boden des Gefäßes goldener Glanz entgegen.

Sein Herz schlug nun mit hämmernder Härte, der Härte des mystischen Pelikans. Stumm sah er zu, wie die Flüssigkeit auf dem Boden des Tiegels koagulierte und endlich eindickte. Da vermochte sich Julius nicht länger zu bezwingen, er nahm die Zange, die neben dem Tiegel auf dem Tisch lag, fischte einen noch glühenden Klumpen heraus und hielt ihn prüfend ins Licht.

Der Klumpen funkelte und glitzerte, und ehe irgendjemand etwas sagen konnte, begann der Nabellose zu stammeln: »Der ro-rote Leu - Go-gold!«

In der Hand die Zange mit dem funkelnden Klumpen, trat Julius zu Markéta. »Für Euch, Madame.« Und er zog sie an sich, Pelikan und Becken aneinander drängend zur mystischen Vermählung.

»Trockene Substanzen werden mittels Säure zu wässrigen gelöst.«

FÜNF - SOLUTIO

49

»Der Kaiser kommt!«

Tausendmal rascher, als die Moldau durch ihr Flussbett eilte, hatte sich die Nachricht verbreitet, überall in der Burg und drunten in der Stadt. Rudolf II. geruhte Krumau zu besuchen, in wenigen Tagen schon! Was für eine unerhörte Ehre! Und wem hatte man die Gnade zu verdanken: dem neuen Grafen Don Julius!

D’Alembert ging in seinem Salon auf und ab, ein ganzes Bündel hastig verfasster Schreiben in Händen. Man schrieb den 5. Juni 1607 A.D. einen Dienstag, und wie an so vielen Vormittagen war er damit beschäftigt, die Rapporte seiner Späher zu lesen und die nötigen Folgerungen zu ziehen.

Alle geheimen Zuträger berichteten mehr oder minder das Gleiche: Seit sich die Kunde vom Besuch des Kaisers verbreitet hatte, waren die Feinde des neuen Grafen, die Verkünder des Unheils und Orakel des Untergangs mit einem Schlag verstummt. Keine Rede mehr davon, dass Don Julius ein unwürdiger Nachfolger Wilhelms von Rosenberg sei, im Gegenteiclass="underline" Auf einmal wollten alle immer schon gewusst und geweissagt haben, dass mit dem Bastardsohn des Kaisers eine neue Blütezeit für Krumau anbrechen werde.

In die Lobgesänge zu Ehren des jungen Grafen mochten nur zwei Krumauer Bürger nicht einstimmen: der Flößer Karel Kudaçek, dem der Kummer über das spurlose Verschwinden seines Sohnes Nicodemus den Verstand zu rauben drohte, und der Bader Sigmund Pichler, den der Entzug des gräflichen Privilegiums begreiflicherweise erbitterte.

Im Gehen durchstöberte d’Alembert das Papierbündel, bis er den gesuchten Rapport gefunden hatte. »Wie kann der Herr Graf schuld dran sein, dass der Flößersbengel abhanden gekommen ist?«, empörte sich der Späher mit einem Eifer, der ihm gar nicht zukam. »Drängt sich der Bube in die edle Jagdgesellschaft hinein, verschuldet selbst die erlittene Jagdverletzung, wird auf Kosten des Herrn Grafen im Burgspital zurechtgeflickt - und verschwindet dann, um seine Wichtigtuerei auf die Spitze zu treiben!«