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Der Medikus verschränkte die Arme vor der Hünenbrust. »Und das will besagen, Edelste? Erlaubt mir übrigens die Frage: Aus welchen Quellen schöpft Ihr Eure heilkundliche Weisheit?«

»Aus der Zwiesprache mit Gott«, erwiderte sie, »der Herr im Himmel schenke auch Euch Weisheit, Senor.«

Belustigt beobachtete Julius, wie sich von Rosert in Johannas Richtung verneigte und etwas Unverständliches murmelte. Na meinetwegen, dachte er, mögen die Waldstein und ihre heiligen Weiber frömmeln und Chorale in Richtung der Wolken tirilieren, so viel es ihnen beliebt, solange sie nur den Fortgang des großen Werks nicht hemmen.

Er fasste eine besonders saftige Nonne in den Blick und stellte sich eben vor, wie sie sich aus ihrer kratzigen Kutte hervorgrub und himmelwärts schielende Brüstchen entblößte, als Johanna mit einer Stimme wie gesprungenes Kristallglas fortfuhr: »Um aber auf Eure erste Frage zurückzukommen, Medikus: Wollt Ihr die Seuche wirkungsvoll bekämpfen, so dürft Ihr nicht warten, bis die Leute einen neuen Krankheitsfall melden. Vielmehr müssen wir eine Vielzahl geschulter Gehilfen ausschwärmen lassen, die im ganzen Land nach Befallenen suchen.«

Johanna hielt inne, als Hezilow ihr heftig zunickte. Seine wundroten Lippen schnappten auf und zu, während seine Hände den schmierigen schwarzen Beutel kneteten, den er zusammen mit seinem Stöckchen ständig bei sich trug.

Wie sonderbar, dachte Julius, dass Johanna und der Puppenmacher einander so sehr fürchten und verabscheuen und sich doch so vortrefflich ergänzen beim Kampf gegen die Pest und bei der Vollendung des großen Werks.

»Ein gettlicher Gedanke, Madame«, stimmte der Russe zu. »Sind sich Gehilfen ohnehin schon halbe Tag in Kutsche unterwegs, um herbeizuholen, was Magister Hezilow alles beneetigt. Kannen sich Fondor und Oblion auch gleich die Menschlein einsammeln, die Eurer Hilf bedirfen.«

Sie warf ihm nur einen raschen Blick zu, die Lippen zusammengekniffen, sodass die Falten um ihren Mund noch schärfer hervortraten, dann wandte sie sich wieder dem Medikus zu. »Könnt Ihr die ersten Anzeichen beschreiben, Senor? So viele Variationen der Sünde und der Verdammnis, so viele Spielarten der Pestilenz soll es auch geben. Sie alle sind gewiss nur leibliches Abbild sündig befleckter, vom Teufel zerfressener Seelen. Aber nicht alle diese Krankheiten beginnen mit schwarzen Flecken auf der Haut und enden mit zerbeultem Fleisch, gebt Ihr mir Recht?«

Die Frage schien Kasimir von Rosert zu verwirren. Er verlor ein gut Teil seiner prächtigen Farbe, knetete die Hände, sagte »Nun, gewiss« und verstummte wieder. »Wir haben’s hier«, sprach er endlich, »mit einer - hm - äußerst seltenen Spielart -ha, Spielart! - der Pestilenz zu tun.«

Er sprach so langsam und gezwungen, als ob er jede einzelne Silbe seinem Gewissen abringen müsste, was doch sicherlich, wie Julius dachte, nicht zutreffen konnte. Denn warum sollte den Medikus so hilfreiche Unterstützung beschweren?

»Und wie sind also die Zeichen, Medikus?«

Geradezu flehentlich schien Rosert die Waldstein nun anzusehen.

»Reiß er sich zusammen, Kasimir«, sagte Julius, »und nenn er endlich die Zeichen, sonst mach ich ihm Beulen.«

Kasimir von Rosert klappte den Mund auf, verschluckte sich und begann dröhnend zu husten.

»Stirzt sich diese Pestilenz«, sagte da rasch der Magister, »überwiegend auf junge Leut von heechstens finfnzwanzig Jährchen. Braust sich die Hitz in ihren Leibern, saust der Schwindel hinter ihren Stirnen, finden sich reetliche Flecken, zerfranst wie Haderfetzen oder rund wie Guldensticke, irgendwo auf ihren Keerpern, schmerzt ihnen gar noch’s Herz im jungen Bristchen, so ist’s sich fast schon gewiss, Madame: Sind diese Menschlein befallen von spezieller Pestilenz.«

»Dann ist’s beschlossen«, sprach Don Julius, während der Medikus hustete und Johanna dem Puppenmacher die heilige Schulter zeigte, »die Gehilfen des Magisters fahren übers Land, sammeln die Erkrankten ein und bringen sie zu Kasimir ins Hospiz.«

»Halten zu Gnaden, Exzellenz.« Der Puppenmacher buckelte zum Thron hin, eifrig seinen Beutel in den Händen drehend. »Dirfte sich der Krankensaal unten in der Burg bald schon zu eng sein. Empfiehlt Hezilow dieserhalb, nur die Kranken aus der Stadt ins Hospiz zu bringen.«

»Und die andern«, forschte Julius, »die aus meinen Dörfern oder Meiereien?«

»Ins Rosenberger Kastell, Euer Liebden, dort kännen sich Hezilows Läjte mit Läjchtigkeit zwäjtes Hospiz einrichten.«

»In der Jagdruine?«, fragte Julius voller Erstaunen. »Na, meinethalben und für alle Fälle. In Euerm Krankensaal, Kasimir, könnte es in der Tat ein wenig eng werden.«

Damit erklärte er die Audienz für beendet und scheuchte sie alle aus dem Saal. Johannas Gegenwart missfiel ihm mindestens so sehr wie der drucksende Medikus, der erst wie eine Puppe »Mordio, die Pest!« rief und dann, wenn’s um die Zeichen derselben ging, herumzimperte wie die Jungfrau, die unter ihren Röcken eine Männerhand entdeckt.

Zur Hölle mit der Pest, dachte Julius, jetzt will ich Euch, Markéta, ich befehl’s.

71

»Die schwarzen Säfte gestockt«, zählte Sigmund Pichler auf, »die gelben gerinnend, das rote Blut verklumpt: drei untrügliche Zeichen der Pest. Aber Silvan Brodner und die andern jungen Leut: Die hatten ja bloß Schnupfen, Markéta, und höchstens ein wenig Fieber, harmlose Folgen einer Bootspartie, die allerdings hätte ärger enden können.«

Das runde Gesicht des Baders bewölkte sich noch mehr. »Die Bootsfahrt selbst, mein ich, denn was dann kam, konnte schwerlich übler werden.«

»Aber Medikus von Rosert beteuert, dass die Pest ...«

»Die Pest, die Pest!«, äffte Vater Sigmund sie nach, schreiend vor Zorn, aber auch, um das Kreischen von unten zu übertönen. »Du kennst doch Silvan und seine Freunde: der Wirtsbub und sein Freund Mikal Odradek, dazu Dela und Dana, die Zwillingsmaiden des Seilers Habersack, ein blühendes Kleeblatt, keins von ihnen über siebzehn Jahre alt.«

Markéta hatte Mühe, sich auf die Worte des Baders zu konzentrieren. Unten in den Zubern brachen Hezilows Gesellen und die Henkershuren immer wieder in jaulenden Chorgesang aus, so schaurig schallend, als ob sie hier bei ihnen in der Pichler’schen Wohnstube säßen.

»Die vier sind mit ihrem Kahn umgekippt, in einer Stromschnelle drei Meilen flussaufwärts«, fuhr der Bader fort. »Na, und das Wasser ist ja schon ziemlich kühl, die Luft nicht minder: Bis Dela und Dana, Mikal und Silvan wieder in trockenen Gewändern waren, schnatterten sie vor Kälte - das Abenteuer unserer vier Hübschen hatte also ein kleines Nachspiel.«

Mit solchen und ähnlichen Worten hatte Vater Sigmund ihr und früher auch Mutter Bianca an manchen Abenden von den Wehwehchen und Blessuren erzählt, die er im Lauf eines Tages kurieren musste. Nur der Tonfall seiner Rede, zwischen Zorn und Trauer zitternd, wollte zu solchen Erinnerungen nicht passen, noch weniger freilich der Teufelstanz, den unten die Lumpenkerle mit Schatzens fetten Weibern aufführten, beinahe Tag für Tag, wie der Bader ihr eben gestanden hatte.

»Und doch war’s nur ein Schnupfen.« Vater Sigmund war noch immer bei den vier Unglücklichen, die im gräflichen Dekret als »die ersten Opfer der jüngsten Krumauer Pestilenz« bezeichnet worden waren. »Ich selbst hab ja Silvan noch in den Hals geschaut und mein bewährtes Kräuter-Spezifikum verordnet. Und damit hätt’s auch sein Bewenden haben können, wenn es unser Kleeblatt nicht nach weiteren Abenteuern gelüstet hätte.«

Als Markéta vorhin das Baderhaus betreten hatte, war sie auf der Schwelle förmlich zurückgeprallt. Auf der hölzernen Plattform über den Zubern kauerten fünf ungeheure Huren auf Händen und Knien, und an jeder von ihnen hafteten drei von Hezilows Gesellen, die Weiber so rosig und feist wie die Kerle fahl und knochendürr.

»Was glaubst du, was in der Stadt für Schnurren erzählt werden über die Wunder, die der gräfliche Medikus vollbringen könnt in seinem mirakulösen Hospiz! Im Unterschied zum Pichler, wohlgemerkt, diesem Scharlatan, der von der Heilkunst nichts versteht, dafür von erschlichener Fürstengunst umso mehr!« Der Bader ballte die Faust und ließ sie auf die Tischplatte niederkrachen. »Das Geschwätz hat allen den Kopf verdreht, Markéta, unser Kleeblatt waren nur die Ersten, die sich trauten, oben am Burgtor anzupochen und deinen Herrn Medikus um wundersame Kur zu bitten.«