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Funkelnde Fluten schossen in ihm empor. »Ströme, Ströme, Ströme, Markéta!« Er keuchte. »Goldströme, Homunkelfluten, schimmernde Aquastergüsse, und dann mach ich dich zur Königin, ah!«

Markéta schloss die Augen und spürte, wie die Woge seiner Leidenschaft sie hoch und immer höher trug. Zugleich sah sie sich selbst und Julius wieder vor sich, wie sie durch einen Schlosssaal schritten, und diesmal nahmen sie auf den prachtvollen Thronen Platz. Am Ende bekommt er doch noch eine der väterlichen Kronen, dachte Markéta, dann werden wir wahrhaftig ein Königspaar - und dann dachte sie überhaupt nichts mehr, bis ins Innerste vor wollüstigem Glück erschauernd.

»Aber bis dahin heißt’s wachsam sein!«, stieß er hervor und ließ sich atemlos auf den Rücken fallen.

»Wachsam, Julius? Was meint Ihr?«

Er schloss die Augen und lauschte dem Tosen seines Pulsschlags.

»Noch haben wir nicht gewonnen.«

»Aber was hättet Ihr denn noch zu befürchten?«

Sie drehte sich neben ihm auf die Seite und sah ihn an, den Kopf in ihre rechte Hand gestützt. Seine Augen verengten sich, und er stieß einen wohligen Seufzer aus, als sie mit der linken Hand über seinen Bauch zu streichen begann, im Uhrzeigersinn seinen Nabel umkreisend.

»Letzte Nacht«, murmelte er, »hat sich jemand an den Pestgräbern zu schaffen gemacht. Die Wächter haben wohl das Ärgste verhindert, aber es zeigt, dass immer noch Gefahr droht.«

Zwei Gräber hatten sie geöffnet, die Särge herausgeholt, die Deckel aufgestemmt. Ehe sie allerdings mit den Leichnamen in der Nacht verschwinden konnten, waren die Gardisten herbeigestürmt und hatten die dreisten Räuber in die Flucht geschlagen.

Markétas Hand glitt sanft abwärts und packte dann so fest zu, dass er den Atem anhielt. Gleich darauf saß sie auf ihm, vorgebeugt wie eine Reiterin, die Hände auf seinen Schultern. »An den Pestgräbern? Aber wer macht denn so was, mein Herr?« Sie begann auf seiner Mitte auf und ab zu hüpfen.

»Einen der Kerle haben meine Soldaten geschnappt.« Julius öffnete die Augen und weidete sich am Anblick ihrer Brüste, die über ihm auf und nieder sprangen. »Er heißt Balthasar Kuckuck, glaub ich, und wurde heut bei Sonnenaufgang von meinem braven Schatz aufgeknüpft.«

Sie erstarrte über ihm, ihr Schoß zog sich so hart zusammen, dass er beinahe aufgeschrien hätte.

»Kennst du ihn etwa?«

Markéta sah auf ihn herunter, doch in diesem Augenblick nahm sie ihn kaum wahr. Nicht um diesen Preis, dachte sie, nicht von Hezilows Gnaden, nicht auf Kosten des armen Balthasar!

Sie krallte die Nägel in Julius’ Schultern und begann ihn erneut zu reiten, so wild jetzt, dass ihm das Blut in den Schläfen rauschte.

»Ob ich ihn kenne, mein Herr? Balthasar Kurusch - den Toten-, Totengräber von Krumau? Den Bruder von - von Melchior, den Eure Kutsche entzweigefahren hat, als Ihr im Frühjahr - zu uns kamt?« Unvermittelt sackte sie über ihm zusammen, und ihr Kopf sank auf seine Wange. Wenn ich denn für uns beide wählen muss, geliebter Herr, zwischen dem Teufelsglanz und -glück, mit dem Hezilow Euch lockt, und dem Zerschellen Eurer - unserer - Träume, so wähl ich das Scheitern, Julius, und wenn es mir das Herz zerdrückt.

Ihre Tränen rannen ihm auf Schulter und Hals. Er fühlte die warmen Tropfen und ein vages Erstaunen, dass jener Unselige vom letzten Mai und der gestrige Grabschänder Brüder waren. Und auf einmal fiel ihm wieder ein, was ihm damals durch den Kopf geschossen war, beim Anblick des Verunglückten unter seiner Kutsche: Schon wieder ein Toter; aber auch er soll nicht umsonst gestorben sein.

79

Zurück, zurück, wahrhaftig wieder dort, wo alles anfing. Nicht am selben Ort, vielleicht, aber alles ganz genau so eingerichtet, wie es damals war.

Sonderbare Starre, die ihn überkommen hatte, seit er wieder in der Hand des Höllenmeisters war. Nackt bis auf ein rußiges Lumpenhemd, um den Hals ein grobes Lederband, daran hängend die Kette, die bei jedem Schritt erklirrte, so tappte er in Hezilows Unterwelt umher. Flor selbst hätte nicht sagen können, was er so rastlos suchte. Seine Beine, seine Augen fanden keine Ruhe, unablässig lief er im Gewölbe umher. Dabei fühlte er weder Angst noch Schmerzen, weder Hoffnung noch Kummer, seine Seele wie unter Eis erstarrt.

Schau nur, schau, mein lieber Flor, alles wie damals.

Der Ofen an der Wand, die Tische davor, er erkannte alles wieder. Auf Tischen und Regalen die vertrauten Tiegel, Flaschen, Gläser. Zwei Gehilfen, die vorm Ofen knieten und aus voller Kraft den Blasebalg traten, obwohl der Athanor längst wie eine Doppelsonne glühte. Und dort hinten, im finstersten Winkel, erklang auch wieder jenes Winseln und Fiepen.

Welpen, warme, winzige Hundekinder, auch das Bild stellte sich gleich wieder ein. Dabei wusste er ja, dass keine Welpen, auch keine Kätzchen in den Gitterkästen hausten.

Keine Tiere, lieber Flor, du weißt ja.

Er war nicht allein, keinen Lidschlag lang, denn Markéta war bei ihm und redete in seinem Innern tröstlich auf ihn ein. Zur schwärzesten Weihnacht waren jene Hände aus dem Bodenloch gesprossen und hatten ihn in die Unterwelt hinabgerissen, derweil die Kutsche endlos durch den Tunnel getost war - und trotzdem war Markéta noch bei ihm.

Sorg dich nicht, mein armer, lieber Flor.

Und Flor tappte durch die Felsenräume, kaum beachtet von Hezilows Lumpenkerlen, die sich an Truhen und Särgen, Ballons und Becken, an Tiegeln und Pelikanen, Öfen und Zubern zu schaffen machten, die Metallblöcke zerfeilten und Holzklötze zerhackten, die Wurzelbrocken zersägten und Pflanzen häckselten, die in Töpfen rührten und Elixiere aus Flaschen schütteten, die Gläser schüttelten und fieberbunten Dampf entweichen ließen.

Auch sie alle erkenn ich wieder, Markéta: Oblion, Fondor, Täkie.

Manchmal sah einer von ihnen auf und versetzte ihm eine Backpfeife, wenn er vorüberklirrte, oder ein anderer riss an seiner Kette, dass es ihm die Kehle zusammenzog.

Ruhig, ganz ruhig, lieber Flor, solange ich bei dir bin, soll dir nichts geschehen.

Das stete, langsame Tropfen, dort ganz hinten, führte ihn zurück zum entlegensten Gemach. Alles wie damals, Markéta. Sieh nur, die riesigen Glaskugeln über den Becken voll glühender Kohlestücke. Und sieh nur, die Armen dort, über den Kristallballons aufgeknüpft, oder dort gar, wie furchtbar, das Kindlein im Glas.

Wie es mich anschaut, mich anschaut, Markéta.

Sieh nicht hin, mein lieber, kleiner Flor.

Aber es ist am Leben, schau doch, es hockt in der brodelnden Brühe, Markéta, und seine Augen starren uns an.

Sieh nicht hin, sieh nicht hin, mein armer Flor.

Fügsam schweiften seine Augen ab, suchten wieder nach einem Pfad durch die glühende Kohle, zu den vergitterten Kästen hinter den Kristallballons, dem Quell jenes Winselns, Wimmerns, Fiepens. Und fand wie damals keinen Pfad, keine Lücke im Glutmeer, durch die sich hinüberschlüpfen ließe.

Wie sonderbar, dabei haben sie uns da drüben auch bemerkt. Hörst du nicht, Markéta: Sie winseln und fiepen lauter, damit wir zu ihnen hinüberkommen, sie aus dem grässlichen Käfig befreien. Siehst du nicht: wie bleich ihre Haut, die im Dunkeln herüberblitzt, wie flehentlich der Glanz ihrer Augen?

Komm jetzt, es ist nicht gut hier, lieber Flor.

Nein, nicht gut, Markéta. Hörst du: das Rauschen und Schleifen in der Luft, siehst du: wie rot seine Augen dort droben im Finstern glühen? Das ist der Drach’, der alte Drach’! Ma-markéta, hilf, Markéta!

Wie damals warf er sich flach zu Boden, die Beine angewinkelt, die Arme über den Kopf gelegt.

Sieh dich um zu ihm, mein lieber Flor. Keine Angst, er hat dich nicht bemerkt.

Ganz langsam hob er den Kopf, nur ein wenig, und sah über die Schulter zurück. Im schwarzen Lumpenumhang stand Hezilow mitten im Gewölbe, den Kopf in den Nacken gelegt, in den Händen ein dickes Seil, das offenbar von der Decke herabhing und sich wenig über ihm in der Dunkelheit verlor.