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»Mit wem bist du denn verabredet?«

»Kann ich dir nicht sagen«, wehrte er ab. Als Jaal am Haushafen unten im Tal aus ihrer Suborbitalfähre gestiegen war, hatte er erwähnt, dass er später noch einen Termin hätte, aber sie hatte über dem neuesten Klatsch aus der Hauptstadt und über der Geschichte des Skandals um ihre Tante Feem und den Jungen aus dem Sept Khustrial vergessen, sich genauer danach zu erkundigen. Und nachdem sie geduscht und mit ihm zu Abend gegessen hatte, waren andere Dinge wichtiger gewesen.

»Du kannst es mir nicht sagen?« Sie runzelte die Stirn, rückte noch näher an ihn heran, hob eine ihrer dunkelbraunen Brüste an und legte sie auf seinen hellhäutigen Oberkörper. Nicht zum ersten Mal stellte er fest, dass ein Warzenhof, der heller war als seine Umgebung, einen ganz besonderen Reiz hatte … »Oh Fass«, sagte Jaal. es klang verärgert. »Es ist doch hoffentlich kein Mädchen? Eine von den Dienerinnen vielleicht? Verdammt, fängt das etwa schon an, bevor wir verheiratet sind?«

Sie lächelte. Er grinste zurück. »Es ist lästig, aber es muss sein. Tut mir Leid.«

»Du kannst es mir wirklich nicht sagen?« Sie drehte den Kopf, ihr blondes Haar fiel ihm auf die Schulter. Es fühlte sich noch besser an, als es aussah.

»Wirklich nicht«, beteuerte er.

Jaal starrte unverwandt auf seine Lippen. »Wirklich nicht?«, wiederholte sie.

»Nun ja.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. »Ich kann dir immerhin verraten, dass es kein Mädchen ist.« Ihre Augen wichen nicht von seinem Mund. »Hör mal, Jaal, habe ich vielleicht irgendetwas zwischen den Zähnen?«

Ihre Lippen berührten schon fast die seinen. »Noch nicht«, murmelte sie.

»Sie sind Fassin Taak vom Seher-Sept Bantrabal, Mond ’glantine, Gasriesenplanet Nasqueron, Sonne und System Ulubis?«

»Das ist richtig.«

»Sie sind körperlich anwesend und werden nicht durch eine Projektion oder Repräsentation irgendwelcher Art vertreten?«

»So ist es.«

»Sie sind nach wie vor als ›Langsamen‹-Seher aktiv, haben Ihren Wohnsitz in den Jahreszeitenresidenzen des Sept Bantrabal und arbeiten vom Satellitenmond Third Fury aus?«

»Ja, ja und ja.«

»Gut. fassin Taak, alles, was zwischen Ihnen und diesem Konstrukt gesprochen wird, unterliegt strengster Vertraulichkeit. sie verpflichten sich zu strikter Geheimhaltung und werden von dem, was hier zur Sprache kommt, nur so viel nach außen tragen, wie unerlässlich ist, um Ihnen den Weg frei zu machen für alle Aktivitäten, die man von Ihnen erwartet, und alle Ziele, die man Ihnen setzt. Haben Sie das verstanden und willigen Sie ein?«

Fassin überlegte. Als die leuchtende Kugel zu sprechen anfing, hatte sie ihn im ersten Moment an ein Plasmawesen erinnert (nicht dass er jemals einem begegnet wäre, aber er hatte Bilder gesehen), und dieser Gedanke hatte ihn so sehr beschäftigt, dass er das Gesagte nicht voll hatte aufnehmen können. »Eigentlich nicht. Bedaure, ich möchte nicht …«

»Wiederholung …«

Fassin befand sich im Großen Audienzsaal im obersten Stockwerk des Herbsthauses, einem großen, kreisrunden Raum, der in der Horizontalen Ausblicke nach allen Seiten gestattete und ein riesiges transparentes Dach besaß. Jetzt waren alle Fenster undurchsichtig. Das Mobiliar beschränkte sich im Moment auf einen einzelnen Stuhl für ihn und einen kurzen Zylinder, vermutlich aus Metall, über dem eine Kugel aus leuchtendem Gas schwebte. Von dem Zylinder führte ein fettes Kabel zu einer Bodenklappe in der Mitte des Raumes.

Die Gaskugel wiederholte ihre Belehrung. Diesmal sprach sie langsamer, zeigte aber erfreulicherweise keine Spur von Gereiztheit oder Herablassung. Die Stimme war flach und akzentfrei, verriet aber doch einen Anflug von Persönlichkeit, als hätte man Stimmproben von einem bestimmten Individuum genommen und den Ausdruck nur unvollständig eliminiert.

Fassin hörte bis zum Ende zu, dann sagte er: »Schön, ich habe verstanden und willige ein.«

»Gut. Dieses Konstrukt ist eine Projektion der Administrata der Merkatoria unterhalb der Ministerebene, der von der Hohen Kommandantur, Technikdivision, Oberste Hierarchiestufe, Vorgesetztenstatus verliehen wurde. Es wurde abgestrahlt vom Portralträger T-Schiff Est-taun Zhiffir. Es ist berechtigt, empfindungsfähig zu erscheinen, ohne es tatsächlich zu sein. Haben Sie das verstanden?«

Fassin überlegte wieder und entschied sich für ein knappes ›klar doch‹, fragte sich aber sofort, ob die Projektion diese Art von umgangssprachlicher Affirmation wohl verstehen könnte. Es sah ganz danach aus.

»Gut. Seher Fassin Taak, Sie werden hiermit zur Ocula der Justitiarität abkommandiert. Sie erhalten ehrenhalber den Rang …«

»Halt!« Fassin wäre fast aufgesprungen. »Was?«

»Ehrenhalber den Rang …«

»Nein, ich meine, wohin bin ich abkommandiert

»Zur Ocula der Justitiarität. Sie erhalten ehrenhalber den Rang …«

»Die Justitiarität?« Fassin verschlug es fast die Sprache. »Zur Ocula

»Richtig.«

Die barocken, bewusst unübersichtlich gehaltenen Machtstrukturen der gegenwärtigen von der Culmina geprägten Epoche verkörperten die Ambitionen von mindestens acht Hauptspezies und etlichen großen Unterkategorien anderer Raumfahrender Rassen und die Einschränkungen, die man ihnen aufgezwungen hatte; sie ›kontextualisierten‹ (nach eigenem Anspruch) auch mehrere kleinere Zivilisationen, die sich von ihrer Größe und ihren Zielsetzungen her stark voneinander unterschieden; und sie beeinflussten zumindest am Rande ein ganzes Spektrums von weiteren Aliens. Eingebettet in dieses Gefüge waren viele Organisationen und Institutionen, deren Namen den Menschen – zumindest denen, die sich in solchen Dingen auskannten – gehörigen Respekt, wenn nicht sogar Angst einflößten.

Die Justitiarität war dafür vielleicht noch das harmloseste Beispiel; man respektierte sie – viele fanden die Ziele, die sie verfolgte, sogar eher uninteressant –, aber gefürchtet wurde sie kaum. Sie war ein paramilitärischer Orden, ein fachspezifischer Zusammenschluss von Technikern und Theoretikern einer Wissenschaft, die man früher als Informatik bezeichnet hatte, und befasste sich deshalb, wenn auch nicht ausschließlich, mit jenen Resttechnologien aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz, die in ihren Funktionen so weit beschnitten waren, dass sie auch nach dem Krieg noch existieren durften.

Vor mehr als siebentausend Jahren hatte der Maschinenkrieg die überwiegende Mehrheit der KIs überall in der Galaxis vernichtet. Der anschließende Frieden, von der Culmina erzwungen und geprägt, verdankte seine Stabilität einem Regime, das jegliche Forschung auf dem Gebiet der KI verbot und von allen Bürgern verlangte, dass sie sich aktiv an der Jagd auf die wenigen da und dort noch verbliebenen KI-Relikte und an ihrer Zerstörung beteiligten. Die militärisch organisierte und von einem festen Unterbau aus religiösen Dogmen getragene Justitiarität war mit dem Betrieb, der Verwaltung und der Wartung all jener IT-Systeme betraut, die auch nur annähernd komplex genug waren, um durch Zufall oder durch gezielte Einwirkung Intelligenz und Empfindungsfähigkeit entwickeln zu können, aber für die Führung der verschiedenen von ihnen abhängigen Gesellschaften als zu wichtig erachtet wurden, um abgeschaltet und demontiert zu werden.

Mit den Lustralen der Cessoria war ein zweiter und weitaus mehr gefürchteter Orden gegründet worden, der die Aufgabe hatte, nicht nur die KIs selbst, sondern auch alle Individuen aufzuspüren und zu vernichten, die entweder versuchten, neue KIs zu schaffen, oder bereits vorhandenen Schutz und Zuflucht gewährten oder sie in anderer Weise unterstützten. Das hatte allerdings nicht verhindert, dass innerhalb der Justitiarität eine Geheimdienstabteilung – die Ocula – entstanden war, die in ihrem Aufgabenbereich, ihren Methoden und sogar ihrer Philosophie erhebliche Gemeinsamkeiten mit den Lustralen aufwies. Fassin konnte sich keinen Grund vorstellen, warum er gerade dieser Ocula, einer etwas zwielichtigen und angeblich auch leicht bedrohlichen Organisation zugeteilt werden sollte.