»Aun«, sagte Fassin. Es klang müde. »Glaubst du mir jetzt?«
Sie zögerte, zuckte die Achseln. »Ich halte es mit deinem aggressiven Freund; ich glaube, dass du davon überzeugt bist.«
Der Strom von telemetrischen Daten riss ab.
Die Technikerin, die für die Fernsteuerung zuständig war, kam herein und justierte die Holos über einem der Displays. »Das war nicht etwa das Gasschiff, das den Geist aufgab«, erklärte sie. »Jemand hat den Mikrosatelliten gegrillt. Schnelle Arbeit. Empfehle, schleunigst von hier zu verschwinden.«
»Hüte festhalten«, sagte der Captain. »Weit zurücklehnen.«
Das Schiff beschleunigte. Sie wurden in ihre Sitze geworfen, gepresst und schließlich gerammt. Die Offiziere wechselten von physischer auf Induktionssteuerung. Die kardangelagerte Kommandosphäre schwenkte herum, um den Andruck auch weiter auf die Brust wirken zu lassen.
»War das wirklich Ihr Ernst, Mr. taak?«, stieß der Captain mühsam hervor. Die Beschleunigung drückte ihre Kehlen zusammen wie ein Schraubstock.
»Ja«, würgte Fassin heraus.
»Es gibt also ein geheimes Netzwerk von uralten Dweller-Wurmlöchern, das – wie? – alle Dweller-Gasriesen miteinander verbindet?«
Fassin atmete mühsam ein und rang sich ein »So in etwa« ab. wieder ein Atemzug. »Sie schicken alles … was wir … vom Gasschiff … empfangen haben … an Ihr Oberkommando?«
Der Captain brachte sogar ein Lachen zustande. »Soweit davon die Rede sein kann.«
»Scheiße«, sagte der Verteidigungsoffizier mit gepresster Stimme. »Wir wurden erfasst.« Er atmete schwer. »Ein schnelles Schiff. Zu schnell für uns. Auf vierzehn!«
»Feuer aus allen Rohren«, befahl der Captain knapp. »Absprengen des Kommandoraums vorbereiten. Wir werden durchs All treiben und hoffen, dass die Furchtlos in der Nähe ist.«
»Vor dem Absprengen müssen wir wenden, sonst geraten wir in den Trümmerregen«, sagte der Taktik-Offizier.
»Verstanden«, antwortete der Captain. »Schade. Habe dieses Schiff immer so gemocht.«
Das Schiff flog einen scharfen Schwenk. Fassin fiel in Ohnmacht und bekam nicht mit, wie sie von der Ökophobie weggeschleudert wurden.
Drei Tage später wurde die Kommandosphäre vom Schlag-Schiff Furchtlos aufgefischt.
»Taince«, sagte Saluus Kehar grinsend. »Hallo. wie schön, dich wiederzusehen.« Er ging auf sie zu und schloss sie in die Arme.
Taince Yarabokin hatte sich ein Lächeln abgerungen. sie hatte zu ihrer Uniform eine altmodische Offiziersmütze gewählt, die sie nun mit dem Ellbogen an die Seite drückte. Das lieferte ihr einen Vorwand, die Umarmung nicht allzu überschwänglich zu erwidern. Sal schien es ohnehin nicht zu bemerken. Er trat zurück und sah sie an.
»Lange her, taince. Freut mich, dass du es geschafft hast.«
»Schön, wieder hier zu sein«, sagte Taince.
Sie befanden sich in einem Hangar in der Gefängnisanlage Achse 7 der Sicherheitskräfte, einem Habitat aus drei Rädern im Orbit um ’glantine. Saluus wurde dort seit zwei Monaten festgehalten, weil sich die Behörden nicht entscheiden konnten, ob die Geschichte seiner Entführung tatsächlich der Wahrheit entsprach, oder ob er nur geflohen war oder sogar die Seiten gewechselt hatte.
Er hatte sich freiwillig Dutzenden von Hirnscans unterzogen – in gewöhnlichen Fällen mehr als genug, um alle Zweifel auszuschließen, und natürlich hatte er Beziehungen und Freunde in höheren Kreisen, die unter normalen Umständen nur allzu bereit gewesen wären, ein diskretes Wort in wahrscheinlich sehr empfängliche Ohren zu flüstern. Aber man hielt seinen Fall für außergewöhnlich. Sal sei reich genug, um sich technische oder operative Eingriffe geleistet zu haben, die jeden Hirnscan zu täuschen vermochten, möglicherweise hätten ihm auch die Hungerleider falsche Erinnerungen implantiert, und überhaupt hätte man um seine vermeintliche Desertion zu den Invasionstruppen so viel Aufhebens gemacht, dass man ihn nun nur mit der Begründung, er sei wohl doch unschuldig, nicht so ohne weiteres laufen lassen könne.
Als Saluus verschwunden und allem Anschein nach zum Verräter geworden war, hatte es Anschläge gegen das Privat-und das Firmeneigentum der Kehar-Familie gegeben, und er war von jeder Instanz der Ulubis-Merkatoria aufs Heftigste verurteilt worden. Dahinter stand nicht nur moralische Entrüstung sondern die Genugtuung darüber, endlich auf etwas einschlagen zu können. Persönlichkeiten, die sich bis dahin als Sals Freunde bezeichnet und regelmäßig in seinen vielen Häusern seine Gastfreundschaft genossen hatten, waren tief gekränkt gewesen und hatten sich im Hinblick auf die öffentliche Meinung – ganz zu schweigen von ihrer gesellschaftlichen Stellung und ihren Karriereaussichten – verpflichtet gefühlt, seine verabscheuungswürdige Niedertracht mit ständig wachsender Empörung zu brandmarken. Aus den Schmähungen, mit denen man Sals Haupt in seiner Abwesenheit überhäuft hatte, hätte sich ein ganzes Wörterbuch der Gehässigkeit, ein Lexikon der Feindseligkeit zusammenstellen lassen. Zuletzt hielt man ihn vor allem zu seiner eigenen Sicherheit weiter in Haft.
Als sich mit dem Abzug der Hungerleider und dem Eintreffen der Generalflotte im gesamten Ulubis-System Erleichterung und Euphorie breit machten, ließ sich die schockierende Nachricht von Sals Unschuld in der Öffentlichkeit sehr viel besser verkaufen, und man konnte bekannt geben, dass er zu gegebener Zeit freigelassen würde. Die hasserfüllten Vorwürfe wurden weitgehend zurückgenommen, dennoch hielt man es auch weiterhin für das Beste für alle Beteiligten, Sal nicht schlagartig, sondern allmählich zu rehabilitieren und wieder ins öffentliche Leben einzuschleusen.
Taince hatte sich freiwillig dafür gemeldet – ja sogar massiv ihren Einfluss geltend gemacht – Sal vom Arrestschiff abzuholen und zum Stammsitz der Kehar-Familie auf ’glantine zu fliegen.
Ein Major der Sicherheitskräfte verlangte vor der Übergabe ihre Unterschrift.
Sal betrachtete ihren Namen auf dem Block. »Mit diesem Autogramm schenken Sie mir die Freiheit, vizeadmiral«, sagte er. Er trug seine eigene Kleidung. Ein schlanker, unbekümmerter, vitaler Mann.
»Gern geschehen«, antwortete sie und sah den Offizier an. »War das alles, Major?«
»Ja, Madame.« Er wandte sich an Saluus. »Sie können gehen, Mr. Kehar.
Saluus schüttelte ihm die Hand. »Med, ich danke Ihnen für alles.«
»Es war mir ein Vergnügen.«
»Keine Kleidung oder andere Sachen?«, fragte Taince mit einem Blick auf seine leeren Hände.
Sal schüttelte den Kopf. »Ich bin mit nichts gekommen und nehme auch nichts mit. Ein Reisender ohne Gepäck.« Er ließ ein Lächeln aufblitzen.
Sie nickte ihm zu. »Nicht schlecht in unserem Alter.«
Sie gingen zu dem kleinen Kutter, der auf dem leicht gewölbten Hangarboden stand. »Ich bin dir sehr dankbar, Taince«, sagte er. »Ganz ehrlich. Du warst nicht verpflichtet, mich hier rauszuholen.« Sie lächelte. Sein Blick huschte über ihre Rangabzeichen. »Ich darf doch noch Taince zu dir sagen? Ich meine, wenn du willst, kann ich dich auch mit Vizeadmiral …«
»Taince ist okay, Sal. Bitte nach dir.« Sie dirigierte ihn in das Doppelcockpit des kleinen Kutters und wies ihm den Sitz vor und etwas unter dem Pilotensessel an. Dann nahm sie selbst Platz, schnallte sich einen leichten Flugkragen um und aktivierte die Systeme des kleinen Schiffes. Die Flugkontrolle der Anlage gab ihnen Starterlaubnis.
»Was bist du denn jetzt? Verbindungsoffizier für das ganze System?«, fragte Sal über die Schulter hinweg, als die Maschine durch eine Tür in eine geräumige Luftschleuse rollte.
»Richtig, aber ich habe fast nur protokollarische Aufgaben«, antwortete sie. Die Schleusentür schloss sich hinter ihnen, die Lichter wurden schwächer. »Empfänge, Festmähler, Rundreisen, Ansprachen, du kennst das ja.«
»Das klingt nicht gerade begeistert.«