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»Irgendjemand muss es wohl machen. Geschieht mir recht, warum stamme ich auch von Ulubis.« Pumpen sprangen an, Luft strömte zischend in die Kabine, ein tiefes Summen drang durch die Wände des Kutters. Nach einer Weile war nur noch ein Summen zu hören. »Kampfhandlungen stehen ohnehin nicht an. Nur Aufräumungsarbeiten. Ich versäume nicht viel.«

»Gibt es Neuigkeiten von Fassin?«, fragte Sal. »Als ich das letzte Mal von ihm hörte, hieß es, er sei vielleicht doch wieder am Leben. Du weißt schon, wie ich das meine.«

Die äußere Schleusentür öffnete sich lautlos. Die Sterne und ’glantines große silbrig-braune Scheibe lagen vor ihnen.

»Bitte gedulde dich noch ein oder zwei Minuten«, bat ihn Taince. »Ich bin schon eine Weile nicht mehr geflogen …«

»Lass dir ruhig Zeit.«

Der Kutter schob sich aus der Schleuse, fuhr sein Fahrgestell ein, setzte sich langsam in Bewegung und steuerte mit leichten Gasstößen auf die Atmosphäre zu.

»Ach ja, Fassin«, sagte Taince. »Er wird immer noch gesucht.«

»Ich hörte, er sei in Nasqueron verschwunden und dann wieder aufgetaucht.«

»Es gibt viele Gerüchte. Das ist immer so. Wenn man ihnen glauben wollte, wäre er im letzten halben Jahr in ganz Nasqueron herumgekommen, niemals fort gewesen, hätte sich seit einigen Monaten in der Oort’schen Wolke aufgehalten und wäre eben erst zurückgekehrt. Und das sind noch nicht die abwegigsten Geschichten. Außerdem wurde er mindestens dreimal amtlich für tot erklärt. Wie immer die Wahrheit aussehen mag, bisher ist er nicht aufgetaucht, um sie uns selbst zu erzählen.« Taince drehte den Kutter und richtete ihn für den Eintritt in die Atmosphäre aus.

»Glaubst du, dass er tot ist?«, fragte Sal.

»Sagen wir, wenn er noch lebt, ist es merkwürdig, dass er sich noch nicht gemeldet hat.«

Wenig später trafen sie auf die Atmosphäre und wurden gegen die Gurte gepresst. Ein kirschroter Schein hüllte das Kanzeldach ein und verblasste wieder, das Schiffchen durchstieß pfeifend mehrere dünne Wolkenschichten, dann rasten sie über Wüstenflächen, flache Meere, Hügel und Felsen, Seen und niedrige Gebirge hin.

»Nimmst du die Panoramastraße, taince?«

Sie lachte. »Wahrscheinlich bin ich im Grunde meines Herzens hoffnungslos sentimental, Sal.«

»Schön, die alte Heimat wiederzusehen«, sagte Sal. Sie beobachtete ihn. Er beugte sich zur Seite und schaute nach unten. »Ist das Pirri?«

Sie warf einen Blick auf den Navigator. »Ja, das ist Pirrintipiti.«

»Sieht genauso aus wie immer. Ich hätte gedacht, es wäre etwas größer geworden.«

»Lange nicht mehr zu Hause gewesen, Sal?«

»Zu lange, viel zu lange. Man nimmt es sich immer wieder vor, aber du weißt ja, wie es ist. Sicher zehn oder zwölf Jahre. Vielleicht noch mehr. Eine ganze Ewigkeit.«

Sie schwebten hoch über der dünnen Eiskappe auf dem Polarplateau und flogen, ständig sinkend, in die Dunkelheit hinein. Jetzt waren die Sterne wieder zu sehen.

Sal hob den Kopf, sah sich um. »Man vergisst ganz, wie schön es hier ist, nicht wahr?«, fragte er.

»Manchmal«, erwiderte Taince und nickte. »Das ist schnell passiert.«

Das Leuchten am Himmel wurde schwächer. Das Kanzeldach verstärkte das einfallende Restlicht, bis sie im Sternenschein das Nördliche Ödland mit seinen weiten Buntsandflächen erkennen konnten und die Felsen wie silbrige Gespenster immer näher kamen.

»Ach ja«, seufzte Sal.

Taince berührte einige Symbole auf dem Display, die Schirme leuchteten schwächer.

»Ich dachte, wir fliegen eine Runde«, sagte sie. »Du hast hoffentlich nichts dagegen.«

»Zur Erinnerung.« Das klang nachdenklich, sogar resigniert. »Warum nicht?«

Wieder sah Taince auf den Navigator, richtete das Schiff neu aus und nahm die Geschwindigkeit ein wenig zurück. Auf einem der Displays blinkte ein Warnlicht. Sie schaltete es ab.

»Ich war seit jener Nacht jedenfalls nicht mehr hier«, sagte Sal. Taince fand, dass seine Stimme jetzt traurig klang. Vielleicht bereute er, was geschehen war. vielleicht auch nicht.

Etwas weiter rechts tauchte das Schiffswrack vor ihnen auf. Taince flog eine flache Kurve nach Steuerbord und richtete den Kutter wieder gerade.

Sal schaute seitlich auf die Wüste hinab, die siebzig Meter unter ihnen vorbeiraste. »Mann«, sagte er. »Der ist ja noch schneller als der Flieger, den ich mir damals von Dad geliehen hatte.«

»Es ist eins von deinen eigenen Schiffen, Sal«, sagte sie.

»Dieses kleine Ding?«, fragte er lachend. »Ich wusste gar nicht, dass wir solche Winzlinge bauen.«

»Es ist schon alt.«

»Aha. Noch aus Dads Zeit. Mit den großen Kähnen verdient man mehr.«

Sie rasten an dem schwarzen Koloss vorüber. Die frei liegenden Rippen ragten drohend in den Himmel.

»Huhu!«, rief Sal, als die schwarze Wand zwanzig Meter vor ihnen vorbeiglitt.

Taince zog die Maschine hoch, flog einen Looping, stellte sie wieder gerade und ging noch näher an das Wrack des Alien-Schiffs heran.

»Hoho!«, rief Sal, als er sah, wie nahe sie der schwarzen Wand diesmal kamen. Taince flog einen vertikalen Kreis, bis sie kopfstanden. »Scheiiiße! Mann! Taince! Ja-ha!«

Sie war bis zum Schluss nicht sicher gewesen, ob sie es wirklich tun würde. Sie wusste schließlich nicht mit letzter Gewissheit, was damals geschehen war. Sie hatte nur einen Verdacht. Es war trotz allem möglich, dass sie sich einfach getäuscht hatte. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand das Gesetz selbst in die Hand genommen hätte und hinterher von den Fakten unbarmherzig widerlegt worden wäre. verdammt, das war doch Sinn und Zweck der Justiz, deshalb hatte man Gesetze und alles, was dazugehörte, es war eines der Dinge, die eine Gesellschaft zu einer Gesellschaft machten.

Dennoch. Sie wusste es. Sie war ganz sicher. Seine Zeit war abgelaufen. Selbst wenn sie sich irrte, Sal hätte sein Leben gelebt. Es war nicht so, als würde sie ein Kind töten oder eine junge Frau, die noch alles vor sich hatte. Es war und blieb Mord, es war ein Verbrechen, aber alles hatte seine Graustufen, sogar die Hölle hatte verschiedene Kreise. Und – ob Recht oder Unrecht – sie zumindest würde es nie erfahren.

Denn auch ihre Zeit war abgelaufen. Das wusste sie.

Sie hatte wirklich geglaubt, dass ihr die Tränen kommen würden, aber ihre Augen blieben trocken. Seltsam, dass man auch nach so langer Zeit, so kurz vor dem Ende noch immer nicht wusste, wie man in solchen Extremsituationen reagierte.

Was blieb noch zu tun? Sie hatte überlegt, es ihm zu sagen, ihn mit seiner Tat zu konfrontieren, alles noch einmal auf den Tisch zu bringen, zu hören, wie er tobte, um Gnade flehte oder sie anschrie. Sie hatte die Szene oft und oft durchgespielt, hatte sie im Lauf der Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte unzählige Male vor sich ablaufen lassen. Sie hatte ihre und seine Rolle übernommen und sich genauestens zurechtgelegt, was er sagen könnte, wie er versuchen würde, sein Verhalten zu erklären, wie er unterstellen würde, sie sei verrückt oder hätte sich geirrt.

Und nun hatte sie einfach keine Lust mehr. Sie hatte schon alles gehört. Es gab nichts mehr zu sagen.

Sie verurteilte einen Menschen auf Grund eines Indizienbeweises, auf Grund eines Verdachtes zum Tode. Sie müsste ihm die Chance geben, sich zu rechtfertigen. Sie müsste ihn zumindest wissen lassen, was sie mit ihm vorhatte.

Aber wozu?

Im kalten Licht der Sterne rasten sie auf die Wüste, auf das riesige schwarze, so massive Schiffswrack zu.

»Verdammt, tain …!«

Sal hätte versuchen können, den Schleudersitz auszulösen – das einzige System, das sie mit ihrer Steuerung nicht deaktivieren konnte – deshalb war sie das letzte Stück kopfüber geflogen.

Am Ende genügte ein einziges kurzes Zucken mit den Handgelenken.

Dann krachte der Kutter etwa mit halber Schallgeschwindigkeit nur zehn Meter über dem Wüstenboden in die Flanke des Schiffes.