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Zunächst hatte es so ausgesehen, als sei der Angriff gescheitert. Die letzte Verteidigungslinie hatte standgehalten und das Portal war noch da.

Doch bis zu diesem Moment war alles nur Schau gewesen. Der eigentliche Überfall begann erst, als aus der entgegengesetzten Richtung ein großes Schiff auftauchte – ein ausgehöhlter Asteroid von mehreren Millionen Tonnen, der mit mehr als neunundneunzig Prozent Lichtgeschwindigkeit flog. Im Grunde verfehlte auch dieser Angreifer sein Ziel, er schoss hundert Meter an der Portalöffnung vorbei und raste mitten hinein in einen Schwarm von Laserkampfsatelliten, die sich noch nicht einmal ihm zugewandt hatten. Sie wurden zusammen mit der Portaleinfassung, den Hilfsapparaturen und nahezu allen angeschlossenen Systemen auf der Stelle zerstört. Ein weiteres Feuerwerk aus gleißendem Licht erhellte den Himmel.

Trotzdem blieb das Portal unversehrt. Erst die relativistische Masse des geopferten Schiffs konnte es zerstören.

Portale wurden nur deshalb an Lagrange-Punkten oder in Orbits platziert, die von großen Himmelskörpern weit entfernt waren, weil sie nur in relativ flachen Raumzeitabschnitten funktionieren konnten. wurde der Gradient – etwa zu nahe am Schwerkraftfeld eines Planeten oder eines anderen großen Objekts – zu hoch, dann versagten sie den Dienst. Wurde die Raumzeit noch ein klein wenig stärker gekrümmt, dann kam es zu einer meist sehr heftigen Implosion, und sie verschwanden ganz und gar. Das heranrasende Asteroidenschiff war so massiv und flog so dicht unter Lichtgeschwindigkeit, dass es die gleiche bewegte Masse hatte wie ein Planet von der Größe Sepektes. Als sein Schwerkraftfeld so nahe und mit dieser extremen Geschwindigkeit an der Portalöffnung vorbeizog, brachen das Portal und das dazugehörige Wurmloch zusammen und schickten noch einen weiteren Unheil verkündenden Lichtblitz durch das System.

Die letzten Schiffe der ersten Angriffswelle flüchteten sofort, wurden aber zerstört oder so schwer beschädigt, dass die Selbstvernichtungssysteme den Rest erledigten.

Zwei Tage vor dem Angriff war Fassin irgendwo zwischen dem Weltraum und Sepekte gewesen. Er hatte in einem Drehrestaurant an der Spitze des Äquaturms von Borquille mit Taince Yarabokin gespeist, die nach dem Tod ihrer Mutter einen längeren Urlaub genommen hatte und sich am folgenden Tag in der Militärakademie der Generalflotte zurückmelden musste. Fassin hatte einen einmonatigen Streifzug durch einige der schäbigeren, weniger empfehlenswerten Vergnügungsviertel von ’skem, der zweiten Stadt auf Sepekte, hinter sich. Er fühlte sich erschöpft. Geradezu wie ein alter Mann.

Mit Taince war er seit dem Zwischenfall in dem Schiffswrack auch weiter in Kontakt geblieben, obwohl sie sich trotz einer wenig später gemeinsam verbrachten Nacht nie wirklich nahe gekommen waren. Saluus hatte sich im Anschluss etwas zurückgezogen, er war bald auf ein Privatcollege am anderen Ende der Galaxis gegangen und hatte dann zum Leidwesen seines Vaters Jahrzehnte lang den Playboy und Tunichtgut gespielt  – wobei er sich mehr oder weniger ständig und galaxisweit so benahm, wie Fassin es nur hin und wieder und nur innerhalb des Systems tat. Nach Ulubis war er nur selten und ohne Voranmeldung zu kurzen Besuchen zurückgekehrt.

Ein Rettungs-Suborb der Sicherheitskräfte war wenige Minuten nach dem Navarchieschiff, das Taince gerufen hatte, bei dem Wrack auf ’glantines Nördlichem Ödland eingetroffen. Die Besatzung hatte das Alienschiff betreten und Ilens zerschmetterten Leichnam gefunden. Es gab eine Untersuchung. Sal wurde von den Zivilbehörden zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er das Schiffsinnere mehr verwüstet hatte, als es unbedingt notwendig gewesen wäre, um vor der äußeren Bedrohung Schutz zu suchen. taince hatte dagegen für ihren Einsatz von den Streitkräften der Navarchie zusätzliche Bonuspunkte erhalten.

Fassin heimste dank Tainces Aussage irgendeine zivile Tapferkeitsmedaille ein, konnte sich aber vor der Verleihungszeremonie drücken. Er selbst verlor nie ein Wort über das verbogene Metallteil, das Sal aus dem Wrack gestohlen hatte, aber Taince hatte das Thema beim Essen im Äquaturm zur Sprache gebracht. Sie hätte es schon damals bemerkt, aber es einfach nicht über sich gebracht, Sal das Ding wieder abzunehmen. Mochte er seine jämmerliche Trophäe behalten.

»Wahrscheinlich ist es bei den Aliens das Gegenstück zu einem Türknopf oder einem Garderobenhaken«, sagte sie wehmütig. »Aber ich wette zehn zu eins, sobald das Ding in Sals Spind oder auf seinem Schreibtisch lag, war es der Steuerknüppel des Schiffes oder der Feuerknopf des Hauptgeschützes.«

Taince beobachtete, wie der ferne Horizont und die weit nähere Oberfläche von Sepekte vor dem Restaurant vorbeiglitten. Durch die Drehung entstand der Anschein von Schwerkraft in diesem schwerkraftfreien Habitat, das an einem Ende einer vierzigtausend Kilometer langen Trosse an der Grenze zum Weltall hing. Das andere Ende war in Borquille, der Hauptstadt von Sepekte, am Boden verankert.

»Verdammt, du hast es also die ganze Zeit gewusst«, bemerkte Fassin und nickte. »Eigentlich hätte ich es mir denken können. Dir entgeht nicht viel, das war schon immer so.«

Taince war in jeder Beziehung zum Überflieger geworden. Sie war nach einer makellosen Karriere bei den Streitkräften der Navarchie für die Generalflotte auserwählt worden, eine der höchsten Institutionen der Merkatoria, in die nur sehr wenige Menschen jemals aufgenommen worden waren. Commander Taince Yarabokin sah noch sehr jung aus, sie hatte sich gut gehalten.

Das galt auch für die beiden Männer.

Sal konnte sich trotz seiner vielfältigen Ausschweifungen die allerbesten Behandlungen leisten, darunter vermutlich auch einige, die nicht unbedingt legal waren, und so hätte ihm niemand zugetraut, dass er seit Ilens Tod volle einhundertdrei Jahre durchlebt hatte. Neuerdings ging sogar das Gerücht, er gedenke sesshaft zu werden, als gehorsamer Sohn bei seinem Vater in die Lehre zu gehen und sich im Unternehmen zu engagieren.

Taince hatte jahrzehntelang knapp unter Lichtgeschwindigkeit die Schiffe der Beyonder-Rebellen verfolgt und ihre Stützpunkte angegriffen, und wer schnell kämpfte, der alterte langsam.

Fassin war doch ins Familiengeschäft eingestiegen und ›Langsamen‹-Seher geworden. Auch er hatte Jahrzehnte in gedehnter Zeit verbracht, um mit den Dwellern von Nasqueron Gespräche zu führen und ihnen ganz allmählich Informationen zu entlocken. Wie Saluus hatte er sich einige Jahre lang ausgetobt und als ›junger Wilder‹ auf ’glantine, Sepekte und darüber hinaus kein Abenteuer ausgelassen. Auf einer nicht ganz so bildungslastigen ›Bildungsreise‹ hatte er einige der bunteren Regionen der so genannten zivilisierten Galaxis erkundet und dabei Geld und Illusionen verloren, an Gewicht zugelegt und ein Quäntchen Weisheit gewonnen. Aber seine Exzesse hatten sich vermutlich in kleinerem Rahmen und auf jeden Fall in engeren zeitlichen Grenzen abgespielt als bei Sal. Er war relativ bald ernüchtert und sehr viel ruhiger wieder nach Hause zurückgekehrt, hatte die Ausbildung angetreten und war Seher geworden.