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Der Quaup, der möglicherweise geschlafen hatte, zuckte plötzlich mit einer Seitenflosse, legte sich quer und wandte sich seinem dreißig Meter entfernten Artgenossen zu. Der drehte sich um und sah ihn ebenfalls an. Ausdrucksmuster huschten über die Gesichtszellen, dann schwebten sie aufeinander zu, blieben in der Luft stehen und kommunizierten ein paar Sekunden lang mit raschen Mimiksignalen, bis eine kleine Flatterdrohne von der Decke schwebte und ihnen – akustisch, mit schrillem Zwitschern und Quieken – befahl, ihre Plätze wieder einzunehmen. Die Quaup kreischten und knatterten die ferngesteuerte Maschine protestierend an, trennten sich aber und schwebten zu ihren alten Positionen zurück.

Kaum hatten sie die ihnen zugewiesenen Plattformen erreicht, als ein halbes Dutzend Jajuejein-Techniker in steifen, unbequemen Paradeuniformen aus matt schillernden Bändern, die sie in ihrer Bewegungsfreiheit sichtlich einschränkten, durch eine Tür an einer Seite des Saalbodens kamen. Sie schoben komplizierte technische Geräte auf großen Paletten mit vor sich her, um sie um den Kochkessel herum aufzubauen. Fassin erinnerte sich plötzlich, dass die Körperbänder das Erkennungszeichen der Justitiarität waren. Ob er als Major der Ocula ihnen wohl Befehle erteilen könnte? Eine ähnlich große Gruppe – der Tracht nach menschliche Cessoria-Priester, vielleicht sogar Lustrale, obwohl das unter den höfischen Prunkgewändern schwer auszumachen war – kam aus der entgegengesetzten Richtung. Die Priester stellten sich dicht hinter die Techniker, aber die waren vollauf damit beschäftigt, ihre geheimnisvollen Apparaturen aufzustellen und zu justieren, und beachteten sie nicht.

Zuletzt marschierte ein Trupp aus vier menschlichen und vier Whule-Soldaten in den Saal, in voll verspiegelter Motorpanzerung und mit einem ganzen Sortiment von schweren Infanteriewaffen. Ein erschreckender Anblick. Die Atmosphäre im Saal veränderte sich; man spürte deutlich, wie die Stimmung bei allen Spezies umschlug. verwirrung und eine gewisse Neugier wandelten sich in Unruhe, sogar Angst. Die Quaup verständigten sich mit raschen, ausdrucksvollen Mimiksignalen, der Schutzanzug der Ifrahile erhob sich zischend von seiner Plattform, und die beiden Whule starrten sich an und musterten dann ihre Artgenossen in der Spiegelpanzerung mit empörten Blicken.

Wer schickte bewaffnete Streitkräfte in einen Audienzsaal? War das eine Falle? Hatten alle hier Anwesenden den Hierchon beleidigt? Sollten sie ermordet werden?

Die Soldaten bildeten einen großen Kreis um die Angehörigen der Justitiarität und der Cessoria, die Panzergelenke rasteten ein, die Waffen wurden in Anschlag gebracht. Doch sie waren nach innen auf den schwarzen Kochkessel gerichtet. Die Spannung im Saal ließ ein wenig nach. Dann leuchteten die Plattformen hinter dem Riesentopf und den verschiedenen Funktionären einmal auf und versanken im Boden, nur um Augenblicke später voll besetzt wieder aufzutauchen.

Ganz außen standen menschliche Hofbeamte in weißen Uniformen, dann folgte ein Ring aus Höflingen verschiedener Spezies mit prunkvollen Rangabzeichen. Die äußere Schicht des Kerns wurde von Angehörigen der Hohen Kommandantur, der Omnokratie, der Administrata und der Cessoria gebildet, die ebenfalls unterschiedlichen Spezies angehörten. Fassin kannte die meisten aus den Nachrichten und von den wenigen offiziellen Visiten bei Hofe, die er in den vergangenen Jahren pflichtgemäß absolviert hatte. Sie alle umstanden in ansteigenden Halbkreisen das Wesen im Zentrum: den Hierchon Ormilla höchstpersönlich. Er schwebte leise summend in der ganzen Pracht seines riesigen, platinverplatteten, diskusförmigen Schutzanzugs dicht über der höchsten Plattform. Hinter dem vorderen Diamantfenster des Anzugs war inmitten von brodelnden, roten Gaswolken sein schwarzes Gesicht mit dem weit aufgerissenen Mund zu erkennen. Der Anzug, sieben Meter hoch und drei Meter breit, war bei weitem der größte und eindrucksvollste Mikrolebensraum im Saal. Die Luftfeuchtigkeit kondensierte rasch auf den tiefgekühlten Oberflächen, die bald mit einer Eisschicht überzogen waren.

Als der Hierchon und sein Gefolge erschienen, begann Fassins Sessel warnend zu vibrieren und versank in der Plattform. Fassin verstand den Hinweis, stand auf und verneigte sich. Auch alle anderen Anwesenden bekundeten mit entsprechenden Gesten ihren Respekt. Der riesige Schutzanzug senkte sich kaum merklich, und als seine Basis die Plattform berührte, kam auch Fassins Sessel lautlos wieder zum Vorschein.

Der Hierchon Ormilla war Oerileithe: ein Gasriesenbewohner zwar, aber – und dieser Unterschied war für alle Beteiligten wichtig – kein Dweller, auch wenn er in seinem Schutzanzug so aussah. Ormilla war vor fast sechstausend Jahren eingesetzt worden, lange bevor die Menschen kamen, die jetzt den größten Teil seiner Untertanen ausmachten. Seither regierte er das Ulubis-System. Im Allgemeinen galt er als fähiger, wenn auch etwas phantasieloser Herrscher, der den Spielraum eines Hierchon innerhalb des Merkatoria-Systems mit Vorsicht, vernunft und gelegentlich sogar einem gewissen Mitgefühl zu nützen wusste. Seit der Zerstörung des Portals regierte er nach Einschätzung der offiziell sanktionierten Medien mit einer beeindruckenden Mischung aus atemberaubender Majestät, heroischer, absolut vorbildlicher Tapferkeit und einer rührend unerschütterlichen Solidarität mit seinen menschlichen Untertanen. Weniger freundliche, nicht sanktionierte und oft menschliche Kritiker mochten ihm vorwerfen, zunächst einen Hang zum Autoritarismus gepaart mit geradezu paranoider Unterwerfungssucht an den Tag gelegt zu haben, eine Haltung, die allerdings später, als er wieder auf seine Berater zu hören bereit war, von einem ruhigen, nach innen gerichteten Regierungsstil abgelöst worden sei.

Als Fassin sich die hohen Persönlichkeiten näher angesehen hatte, stellte er fest, dass die Regierungsbande im Grunde vollzählig versammelt war. Außer Ormilla und seinen zwei höchsten Stellvertretern waren die Peregale Tlipeyn und Emoerte gekommen, der Submeister Sorofieve, das ranghöchste Mitglied der Propylaea, das die Zerstörung des Portals überlebt hatte, Flottenadmiral Brimiaice, der höchste Navarchie-Offizier, General Thovin von den Sicherheitskräften, der Erste Minister Heuypzlagger von der Administrata, Colonel Somjomion von der Justitiarität – vermutlich sein eigener oberster Vorgesetzter für die Dauer dieses Notstandes, dachte Fassin – und der Oberste Archivar Voriel von der Cessoria. Die Elite von Ulubis.

Fassin betrachtete nachdenklich den bauchigen Kessel auf dem goldenen Boden und die schwer bewaffneten Soldaten. Was für eine phantastische Gelegenheit, sämtliche Lamettaträger des Systems auf einen Schlag zu beseitigen!

»Der Hof der Merkatoria von Ulubis hat sich in Anwesenheit des Hierchon Ormilla zu einer außerordentlichen Sitzung versammelt«, verkündete ein Beamter mit dröhnender Stimme über die Lautsprecheranlage im Saal. »Der Hierchon Ormilla!«, rief er gleich noch einmal, als fürchtete er, man könnte ihn beim ersten Mal nicht gehört haben.

Der Beamte sprach die menschliche Variante von Standard, der ›Lingua franca‹ der Galaxis. Man hatte sich vor mehr als acht Milliarden Jahren für Standard als artenübergreifende, pangalaktische Sprache entschieden. Besonders die Dweller hatten für seine Verbreitung gesorgt, obwohl sie ausdrücklich betonten, dass es sich nicht um ihre Muttersprache handele. Sie selbst hatten ein sehr altes Umgangsidiom und eine zweite, noch ältere Amtssprache, dazu viele Mundarten, die sich aus früheren Zeiten erhalten hatten oder inzwischen entstanden waren. Bei letzteren schwankte, wie in solchen Dingen üblich, die Popularität sehr stark.

»Oh nein, man hatte einen Wettbewerb ausgeschrieben«, hatte der Dweller Y’sul, Fassins Führer und Mentor, seinem Schützling auf dessen erstem Trip vor mehreren hundert Jahren erklärt. »Es lief wie immer – jede Menge so genannte Universalstandards konkurrierten miteinander. Eine linguistische Meinungsverschiedenheit führte sogar zu einem ausgewachsenen Krieg – zwischen einer Gallert-und einer p-Linien-Spezies, wenn ich mich recht erinnere –, gefolgt von den üblichen Reaktionen: Erkundigungen, Missionen, Sitzungen, Berichte, Konferenzen und Gipfeltreffen.