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»So gut wie gar nichts. Die Tollkühnen Schelme hatten sich das verbeten. Sie gehören zu den … flegelhafteren Adoleszentenhorden. Ich durfte nur einmal im Jahr ein Lebenszeichen schicken.«

»Und der Trip davor?«

Fassin seufzte und klopfte mit den Fingern gegen die Glasabdeckung am Beckenrand. Bei der alten Erde, was hatte das zu bedeuten? Warum beschaffte sich Slovius solche Informationen nicht einfach aus den Archiven des Sept? An einer Wand des Saals befand sich ein großer frei tragender Arm mit einem Computerterminal, das sich, wie Fassin selbst schon gesehen hatte, auf Slovius’ Höhe bringen ließ, so dass der Alte auf den Schirm schauen und mit seinen Stummelfingern die Tasten betätigen konnte.

Natürlich wäre das weder die schnellste, noch die effektivste Methode für eine Anfrage an die Hausbibliothek, aber sie hätte alle Fragen beantwortet. Der alte Knabe könnte sich auch bei jemand anderem erkundigen. Wofür hatte man die Diener?

Fassin räusperte sich. »Auf diesem Trip war ich die meiste Zeit damit beschäftigt, Paggs Yurnvic vom Sept Reheo einzuweisen, der zum ersten Mal dabei war. wir machten Traav Hambrier unsere Aufwartung, in Dweller-Zeit, mit Rücksicht auf Yurnvics Mangel an Erfahrung. Nach Eigenzeit dauerte der Trip nur knapp drei Monate. Eine Einführung wie aus dem Bilderbuch.«

»Und du hast keine Zeit gefunden, deinen eigenen Forschungen nachzugehen?«

»Kaum.«

»Aber ein wenig doch?«

»Ich konnte einen Teil eines Symposiums der Universitätshorde Marcal über die Tiefen der Poetik verfolgen. Wenn du Genaueres über die anderen Teilnehmer wissen willst, müsste ich im Sept-Archiv nachsehen.«

»Was gibt es sonst zu sagen? Über das Symposium, meine ich. wie lautete das Thema?«

»Wenn ich mich recht erinnere, sollten die Jagdmethoden der Dweller mit den Verfahren der Inquisitionsbehörden im Maschinenkrieg verglichen werden.« Fassin strich sich über das Kinn. »Die Beispiele stammten aus dem Ulubis-System, einige sogar von ’glantine.«

Slovius nickte und sah seinen Neffen an. »Weißt du, was man unter einer Abgesandten-Projektion versteht, Fassin?«

Fassin blickte hinauf zu dem Teil des Gasriesen, der durch den transparenten Bereich des Dachs zu sehen war. Auf einer Seite kam soeben der Terminator in Sicht, der vordere Rand eines schwarzen Schattens, der über die ferne Wolkenlandschaft kroch. Er wandte er sich wieder seinem Onkel zu. »Kann sein, dass ich den Ausdruck schon einmal gehört habe. Aber ich würde nicht wagen, ihn zu definieren.«

»Man schickt per Laserstrahl ein Paket mit Fragen und den entsprechenden Antworten an einen räumlich entfernten Ort. Dieses Paket spielt die Rolle eines Abgesandten.«

»Wer ist ›man‹?«

»Die Techniker. Die Administrata. Vielleicht auch die Omnokratie.«

Fassin richtete sich auf. »Tatsächlich?«

»Tatsächlich. Wenn man den Begleitinformationen glauben darf, handelt es sich bei dem Objekt um so etwas wie eine Bibliothek, die mit einem Signallaser übertragen wird. Wenn diese … Entität an fortgeschrittene Apparaturen mit hinreichender Kapazität angeschlossen und aktiviert wird, vermag sie, obwohl sie im Grunde nur aus einer vielfach verzweigten Matrix von Aussagen, Fragen und Antworten und einem Regelwerk besteht, das festlegt, in welcher Reihenfolge diese Elemente zum Einsatz kommen, eine Unterhaltung zu führen, die in vieler Hinsicht als intelligent bezeichnet werden kann. Damit kommt sie einer Künstlichen Intelligenz so nahe, wie das in Nachkriegszeiten gestattet ist.«

»Unglaublich.«

Slovius schaukelte in seinem Becken hin und her. »Jedenfalls unglaublich selten«, nickte er. »Ein solcher Abgesandter ist auf dem Weg hierher.«

Fassin blinzelte. »Hierher?«

»Zum Sept Bantrabal. Zu diesem Haus. Zu uns.«

»Zu uns?«

»Er wurde von der Administrata geschickt.«

»Von der Administrata.« Fassin merkte selbst, dass er sich ziemlich einfältig anhörte.

»Mit dem Technikschiff Est-taun Zhiffir

»Du meine Güte«, sagte Fassin. »Welche … Ehre für uns.«

»Nicht für uns, Fassin; für dich. Die Projektion hat den Auftrag, mit dir zu sprechen.«

Fassin lächelte unsicher. »Mit mir? Aha. Und wann …?«

»Die Übertragung läuft bereits. Sie müsste bis zum späten Abend abgeschlossen sein. vielleicht solltest du dafür alle Verabredungen absagen. Hattest du viel vor?«

»Äh … ein Abendessen mit Jaal. aber …«

»Ich würde an deiner Stelle das Abendessen zeitlich vorziehen. Und mich nicht zu lange dabei aufhalten.«

»Hm, ja. Natürlich«, sagte Fassin. »Kannst du dir vorstellen, womit ich das verdient haben könnte?«

Slovius schwieg einen Moment lang, dann sagte er: »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«

Guime hängte das Interkomgerät an seinen Haken zurück, verließ seinen Posten, kniete neben Slovius nieder und flüsterte ihm etwas zu. Slovius nickte und wandte sich an Fassin. »Haushofmeister Verpych möchte dich sprechen, Neffe.«

»Verpych?« Fassin schluckte. Der Haushofmeister, der ranghöchste Diener des Sept Bantrabal, sollte eigentlich im Tiefschlaf bleiben, bis der ganze Sept in achtzig Tagen in sein Winterquartier übersiedelte. Dass man ihn vorzeitig störte, war unerhört. »Ich denke, er schläft!«

»Nun, man hat ihn geweckt.«

Das Schiff war seit Jahrtausenden tot. Wie lange tatsächlich, wusste niemand genau, aber die plausibelsten Schätzungen beliefen sich auf sechs bis siebentausend Jahre. Es war nur eines von all den untergegangenen Schiffen, die mit einer der großen Flotten am Krieg der ›Neuen Schnellen‹ (oder wenig später am Maschinenkrieg, vielleicht auch an den darauf folgenden Streuungskriegen oder an einem der kurzen, erbitterten, unkoordinierten und blutigen Scharmützel im Verlauf der Aussaat) teilgenommen hatten. Eine von vielen ausrangierten und vergessenen Figuren im großen Spiel um die Macht in der Galaxis und die Vorherrschaft unter den Zivilisationen, in dem speziesübergreifend intrigiert wurde und jedes Mittel erlaubt war.

Der Koloss hatte mindestens tausend Jahre lang unentdeckt auf ’glantine gelegen, denn ’glantine war zwar für menschliche Begriffe ein kleiner Planet – noch etwas kleiner als der Mars – aber nach den gleichen Maßstäben nur dünn besiedelt. Knapp eine Milliarde Einwohner konzentrierten sich zumeist auf die Tropen, in die leeren Weiten des Nördlichen Ödlands, wo das Wrack niedergegangen war, wagte sich nur selten ein Besucher. Auch dass es lange gedauert hatte, bis man wieder Überwachungssysteme besaß, die auch nur annähernd so komplex und hoch entwickelt waren wie vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten, hatte die Entdeckung des Wracks nicht gerade beschleunigt. Und schließlich hatten trotz der gewaltigen Größe des Schiffes ein Teil seiner automatischen Tarnsysteme den Aufschlag auf die Oberfläche des Planetenmonds, die partielle Zerstörung und den Tod aller Sterblichen an Bord überlebt. Dadurch hatte der Rumpf die ganze Zeit wie einer der vielen kahlen Felsen ausgesehen, die aus dem tiefen Einschlagskrater geschleudert worden waren, als gleich zu Beginn des Konflikts der ›Neuen Schnellen‹ ein kleineres, aber sehr viel schnelleres Schiff zehn Kilometer entfernt auf den Planeten gestürzt und verdampft war.

Die Trümmer waren nur gefunden worden, weil ein Flieger an einer der großen gewölbten (aber zu diesem Zeitpunkt perfekt als einladend leerer, klarer Himmel getarnten) Rumpfrippen zerschellt war. Erst nach diesem Unglück hatte man das Wrack untersucht und die wenigen Systeme ausgebaut, die noch funktionierten (aber unter dem neuen Regime nicht verboten waren. Dank dieser Einschränkungen war die Ausbeute gering). Schließlich – das Anheben des Rumpfes und der großen Unterkonstruktionen kam aus Kostengründen nicht in Frage, das Zerschneiden und Wegkarren der Teile war schwierig, ebenfalls nicht billig und potenziell gefährlich, und eine völlige Zerstörung wäre nur mit schweren Waffen im Gigatonnenbereich möglich gewesen, gegen deren Einsatz in der Atmosphäre eines kleinen Planetenmondes, selbst in menschenleerem Gebiet die Bevölkerung in Friedenszeiten heftig zu protestieren pflegte – hatte man die Absturzstelle weiträumig abgesperrt und ließ sie zur Sicherheit auf unbestimmte Zeit von einem Schwarm Flugdrohnen bewachen.