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1. DIE GEHEIMNISVOLLE FELUKE

Es war eine herrliche Nacht, eine jener wunderbaren Nächte, wie man sie nur an den Küsten Italiens findet, wo die durchsichtige Klarheit des Himmels selbst schöner als in den tropischen Gegenden ist.

Der kaum aufgegangene Mond spiegelte sich mit tausend zitternden Silberstrahlen auf der ruhigen Fläche des Tyrrhenischen Meeres. Die dem Horizont nächsten Sterne schienen lange Streifen geschmolzenen Goldes darauf zu werfen. Eine frische Brise, voll vom Dufte der noch blühenden Orangenbäume, wehte stoßweise von der Küste Sardiniens. Die spitzen Gebirge dieser Insel hoben sich klar vom Himmel ab; ihre Riesenschatten lagen auf der Ebene zu ihrem Fuße.

Eine schnelle Schaluppe, am Rande reich vergoldet, am Vorderteil ein vergoldetes Wappen, glitt über das Meer, gerudert von zwölf starken Männern. Ihr Wappen zeigte drei eiserne Fausthandschuhe und einen aufrecht stehenden Löwen.

Sie hielt sich im Schatten der Küste, die hier ziemlich hoch ragte, wie bemüht, unbemerkt zu bleiben von etwa aus Süden kommenden Schiffen. Zwölf kräftige, wettergebräunte, mit Stahlpanzern bewehrte Männer füllten das schlanke Fahrzeug. Auf der Brust trugen sie ein schwarzes Kreuz. Den Kopf bedeckten glänzende Helme. Rings um sie waren Spieße, Hellebarden, zweihändige Schwerter, die man zu Ende des 16. Jahrhunderts brauchte.

Am Steuer saß ein stattlicher, noch sehr junger Ritter von edlem Aussehen. Er trug einen goldverzierten Panzer, um den eine blauseidene Schärpe mit gelbgesticktem Rand sich schlang. Wie Silber glänzte der kleine Helm, den drei langwehende, weiße Straußenfedern schmückten. Hohe, gelbe Stulpenstiefel mit Silberschnallen ließen kaum die rotsamtenen Beinkleider sehen. Am Gürtel hingen ein langes Schwert und zwei Pistolen.

Seine hohe, schlanke Gestalt zeigte eine kräftige Muskelbildung, die ihn zu leichter Handhabung des schweren Schwertes befähigen mußte. Trotzdem war sein Gesicht mit den leuchtenden, blauen Augen von zarter rosiger Farbe. Goldblonde Locken fielen ihm wellig unter dem Helm auf die Schultern herab.

Neben ihm auf der Bank des Ruderschiffes saß ein Mann, rund wie ein Faß, wenigstens zehn Jahre älter als der geschilderte. Von Gestalt viel kleiner, hatte er ein gutmütiges Vollmondgesicht mit langem, rötlichen Bart, stahlgrauen, kleinen Augen und einer roten Trinkernase. Wie die andern, trug er einen Stahlpanzer, durchquert von einem großen Kreuz, und eine federbauschgeschmückte Stahlkappe. Sein breiter, gelber Ledergürtel war ein wahres Arsenal. Er trug darin, neben dem Schwert, zwei Dolchen und zwei Pistolen, eine riesige eiserne Keule.

Die Schaluppe war von der Küste Sardiniens abgelenkt und einer kleinen Insel zugeeilt, die sich deutlich im Südosten zeigte.

»In einer halben Stunde werden wir San Pietro erreicht haben!« sagte der Ritter.

»Sind die Koranhunde schon dort, Herr Baron?« fragte der Dicke seufzend.

»Beunruhigt dich das, Eisenkopf?« Der Malteser lächelte mit leichtem Spott.

»Mich? Nein. Ich fresse sie alle; sie werden schon die Kraft meiner Arme spüren! Ich fürchte Barbaresken nicht!«

»Aber dein Seufzen ... «

»Alte Gewohnheit, Herr Baron. Wäre noch schöner, wenn ein Katalane sich vor Algeriern fürchtete. Mein Vater hat mindestens tausend davon getötet und mein Großvater ... «

»Mindestens zehntausend!« warf der Ritter Sant’ Elmo lachend ein.

»Wenn nicht ganz zehntausend, so doch jedenfalls sehr viele!«

»Und sein Enkel Eisenkopf?«

»Wird ebensoviele umbringen!«

»Aber warum warst du neulich, als wir mit dem tunesischen Korsaren zusammenstießen, mit deiner furchtbaren Keule im Schiffsraum verschwunden?«

»Das ist wirklich nicht meine Schuld gewesen!«

»Wessen denn?«

»Die eines Bechers Zypernwein, der mir infolge irgendeiner Teufelei den Gebrauch der Beine unmöglich gemacht hatte. Irgendein Trick Mohammeds!«

»Ein Becher? Oder ein halbes Faß ›Angst‹?«

»Ein Abkomme der berühmten Familie Barbosa, die so viel Blut im Heiligen Lande und in Peru vergossen hat, Angst? Ihr wißt wohl nicht, Herr Baron, daß einer meiner Ahnherren den Kaiser der Inkas, Abatalisca, gefangennahm, und daß ein anderer beinahe Saladin getötet hätte? Aus so mutigem Blute kann kein Feigling hervorgehen. Laßt die Algerier in San Pietro landen und die Burg der Gräfin angreifen, da werdet ihr sehen, wessen Eisenkopf fähig ist!«

Diesmal hatte der Ritter geseufzt, und seine Züge zeigten eine gewisse Unruhe.

»In diesem Augenblick käme mir das sehr ungelegen«, erwiderte er. »Wäre meine Galeere zur Stelle, dann würde auch ich gern den Mauren zeigen, wie die Ritter von Malta kämpfen. Aber sie kann vor vierundzwanzig Stunden nicht hier sein!«

»Haltet ihr die Kunde, die man uns brachte, für wahr?«

»Ein gestern angelangter Fischer hat sie mir bestätigt!«

»Wird man es auf der Burg Donna Idas schon wissen? Und was beabsichtigen denn die Algerier mit der Landung?«

»Die Gräfin Santafiora zu rauben und das Schloß zu zerstören! Der Fischer hat eine Feluke bemerkt, die verdächtig um San Pietro herumstrich. Sie wird wohl der Kundschafter eines Geschwaders sein!«

»Aber was könnte dann eure Galeere gegen ein ganzes Geschwader ausrichten?« fragte nun zähneklappernd der Katalane.

»Unsere Leute sind nicht gewöhnt, die Feinde zu zählen!« erwiderte ihm mit fester Stimme der Baron. »Wir greifen diese Seeräuber an, und Gottes Wille geschehe!«

»Möge uns Sankt Isidorus schützen!« fügte Eisenkopf fromm hinzu.

»Das werden besser unsere Schwerter tun ... Still! Da erscheint wieder der Spion!«

Sant’ Elmo war aufgesprungen. Unwillkürlich griff er mit einer Hand zum Schwert, mit der anderen zur Pistole. Sein Antlitz zeigte äußerste Besorgnis.

Am Horizont, südlich der Insel San Pietro, flog ein langer, schwarzer Streifen, überragt von zwei lateinischen Segeln, mit großer Schnelligkeit übers Meer. Eine lange Silberspur bezeichnete seine Bahn.

Vorn leuchtete von Zeit zu Zeit ein glänzender Punkt auf dem Fahrzeug auf.

»Das muß die vom Fischer beobachtete Feluke sein«, meinte der Baron. »Mit wem kann sie nur Signale wechseln?«

»Ihr meint den leuchtenden Punkt? Ist es ein Feuer?«

»Es ist ein Metallspiegel, der die Mondstrahlen auffängt!«

»Vielleicht verständigt sich die Feluke mit einem Schiff im Meere?« fragte Eisenkopf.

»Nein. Sie gibt Signale zur Küste. Ah, unglaublich! Man antwortet von San Pietro her!«

Dort flammte plötzlich am Ufer ein Feuer auf und erlosch nach wenigen Minuten wieder, während die Feluke, die Segel wechselnd, rasch nach Südosten, in der Richtung der undeutlich sichtbaren Insel Sant’ Antioco, sich entfernte.

»Es ist mir unverständlich, wer ein Interesse haben kann, die Korsaren nach San Pietro zu locken, diese Räuber, die alles vernichten, wo sie landen! Es leben lauter zuverlässige Leute dort. Weißt du, daß der Fischer auf der Feluke die Flagge des Culkelubi gesehen haben will?«

»Was? Des Befehlshabers der algerischen Galeeren?« stammelte der Katalane. »Ach, Herr, auch der letzte der Barbosa fühlt, trotz des edlen Blutes in seinen Adern, einen Schauer bei diesem Namen!«

Der Baron schien die Bemerkung zu überhören. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf die Feluke gerichtet, die jetzt wie ein schwarzer Punkt auf dem Silberspiegel des Meeres erschien.

Wohin eilte sie? fragte er sich. Sind dort im Süden vielleicht die Galeeren Culkelubis versteckt? Warum sind keine Malteser Schiffe in der Nähe? Wo sind Venedigs und Genuas Flotten, die unser Mittelmeer bewachen sollen? Ich bin allein gegen alle. Siegen oder sterben! Sei es! Verteidigen wir die Mauern der Burg, die meine Braut schützen!

Das Gesicht des jungen Ritters hatte sich verändert. Seine Augen schossen Blitze. Er, der eben fast noch einem Knaben geglichen, zeigte, daß er imstande sei, ein Held zu werden.