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Der Normanne verließ keinen Augenblick das Steuer. Er nahm den Kurs zunächst nach Süden, um dann, wie wenn er von Tunis käme, nach Westen zu segeln.

Die Gegend war gefährlich. Jeden Augenblick war es möglich, auf einen Korsaren zu stoßen, der das kleine Schiff, wie es oft vorkam, in den Grund schießen konnte, ohne sich darüber zu beunruhigen, ob er Freund oder Feind vor sich hatte.

Aber das Meer blieb leer. Nur die Delphine, die um das Vorderteil des ›Soliman‹ tanzten, belebten es, helle Furchen in dem dunklen Wasser hinterlassend.

Erst nach einigen Stunden zeigte sich im Süden ein kleiner leuchtender Punkt.

»Wollen sehen, was das ist!« brummte der Seefahrer. Seit sechzehn Stunden sind wir jetzt wie eine Schwalbe geflogen!«

Da klopfte ihm eine Hand auf die Schulter. Er wandte sich um.

»Ah, ihr seid es, Herr Baron? Ihr könntet ruhig bis zum Sonnenaufgang schlafen!«

»Ich habe schon zu viel geruht. Was bedeutet der leuchtende Punkt?«

»Es kann das Leuchtfeuer von Deidjeli sein!«

»Schon die afrikanische Küste?«

»Ja, unsere Feluken laufen rascher als die Galeeren, besonders hier meine!«

»Dreht ihr bei?«

»Nein.«

»Wollt ihr den Ort anlaufen?«

»Ja, Herr Baron.«

»Aber ihr habt dort nichts zu tun!«

»Nein, doch das Anlaufen Deidjelis verschafft uns einen guten Paß«, antwortete der Seemann, geheimnisvoll lächelnd.

»Inwiefern?«

»Ihr wißt doch, daß christliche Schiffe sich nicht in die maurischen Häfen wagen. Ich nehme nun hier einen Paß, um den algerischen Behörden beweisen zu können, daß ich nur mit den Barbaresken Handel treibe. Ich lade auch einige Zentner Schwämme hier. Das verschafft mir den Ausweis, und ich mache zugleich ein gutes Geschäft dabei.«

»Ihr seid ebenso weise wie schlau!«

»Ich habe schon einige arabische Gewänder für euch und den Diener in die Kabine bringen lassen. Sucht das Passende aus! Bei eurem feinen Gesicht, euren blauen Augen und blonden Haaren möchte ich übrigens raten, euch als Mädchen zu verkleiden. Ihr würdet vielen die Köpfe verdrehen!«

»Ich ziehe vor, ein Mann zu bleiben!« lachte Sant’ Elmo auf diesen seltsamen Vorschlag.

»Beeilt euch, Herr, in zwei Stunden wird die Sonne aufgehen, und wir werden in die Zitadelle einfahren!«

»Kennt man den ›Soliman‹ dort?«

»Ich bin mehrmals dort gelandet, ohne Argwohn zu erregen, kann also ganz beruhigt sein! In Deidjeli laufen wir keine Gefahr, aber in Algier. Die Aufsichtsbehörde ist dort sehr mißtrauisch.«

Die vier Galeeren waren nicht mehr gesehen worden. Entweder hatten sie den Kurs gewechselt, um einer Verfolgung zu entgehen, oder sie waren weit nach Westen gefahren, ehe sie in Algier anlegten.

Mit der Morgenröte ließ der Schiffer die tunesische Flagge hissen. Er steuerte auf die Hafeneinfahrt zu, wo zwei kleine Festungen lagen.

Der Baron und sein Begleiter erschienen als Mauren, ersterer in blauer, silbergestickter Jacke und roten Pluderhosen, letzterer, dem wegen seines Leibumfangs die Sachen nicht paßten, in schwarzen Hosen, weiß wollenem Mantel und großem, rot und grünen Turban, der von solchen Dimensionen war, daß er einen grotesken Eindruck machte.

Der Seemann musterte beide aufmerksam und war zufrieden mit ihnen.

»Herr Baron, ihr seid ein schöner Maurenjüngling und werdet die Frauen in Feuer versetzen und die Männer eifersüchtig machen! Nur euer Begleiter ist etwas verdächtig!«

»Die Mauren werden meine Keule kosten!« sagte der Katalane beleidigt.

»Die laßt nur beiseite! Ihr könntet sonst was erleben! Zum Beispiel in einem Topf kochenden Wassers gesotten oder in ungelöschten Kalk gestellt zu werden!«

Eisenkopf überlief ein Gruseln.

Vor ihren Blicken zeigten sich jetzt zahlreiche schwarze Punkte, die sich rasch über die Meeresfläche bewegten.

»Sind das alles Boote?« fragte der Ritter. »Was treiben sie?«

»Schwammfischer bei der Arbeit, meist Gefangene aus Sizilien und Sardinien!«

»Vorsicht, Steuermann, daß wir kein Boot beschädigen!«

Langsam näherte sich der ›Soliman‹ den ersten Fischern.

Es waren große Boote mit je zwölf Mann und einem bis auf die Zähne bewaffneten Soldaten, der oft mit einer Peitsche auf die nackten Taucher einhieb.

Einige fischten mit Schleppnetzen. Von anderen Booten stiegen Taucher, mit einem Stein zwischen den Beinen, ins Meer.

»Sind das Neger?«

»Nein, gefangene Christen!«

Schon damals wurde die Schwammfischerei an den Küsten des südlichen Mittelmeers, besonders in Tunis und Algier, Griechenland und Syrien, eifrig betrieben. Zahllose Barken mit gut ausgebildeten Fischern waren damit beschäftigt. Man wählte diese mit Vorliebe aus den gefangenen Sizilianern, Sardiniern und Griechen.

Die Schwämme wurden zu jener Zeit für Meerespflanzen gehalten. Daß sie aus Tierfamilien nach Art der Korallen bestehen, ahnte man noch nicht. In andern Meeren, mit Ausnahme des Roten, kommen sie so selten vor, daß es sich nicht lohnt, sie zu gewinnen. Das Mittelmeer ist aus unbekannten Gründen ihr Lieblingsfeld. Sie pflanzen sich meist fort durch Samenabstoßen, der nach einigem Herumschwärmen sich an irgendeiner Klippe festsetzt und mit fabelhafter Geschwindigkeit neue Schwammkolonien bildet. Manche Arten aber entstehen aus Knospen der alten Schwämme, die wie Pflanzen sich verzweigen. Auch ihr Bau ist verschieden. Viele enthalten Kalkkörperchen und Kieselsäure, die ihnen Halt verleihen. Die geschätzteren aber wachsen ohne solche Stoffe auf.

Die jährlich gefischte Menge der Schwämme ist ungeheuer groß. Sie vermehren sich so rasch, daß man kaum eine Abnahme entdeckt. Freilich sind nicht alle in gleicher Weise gesucht. Am besten sind die von den Küsten Syriens, die »venezianische Schwämme« genannt werden. Dann kommen jene aus dem griechischen Inselmeer, die oft 60–70 Zentimeter Durchmesser haben und »griechische Schwämme« heißen. Die an den Küsten der Barbareskenstaaten geischte Art heißt »Marseille« und steht weniger hoch im Preise. Heutzutage findet man Schwämme in Mengen auch in den Gewässern des nördlichen Amerika. Sie sind aber nicht so schön wie die des Mittelmeers. Ehe sie in den Handel kommen, müssen sie alle sorgsam gesäubert werden, da sie meist Muschelstücke und auch Kalk und Kiesel enthalten. Durch das Bleichen bekommen sie dann die schöne weiße Farbe.

In der kleinen Bucht von Deidjeli schien der Schwammreichtum besonders groß zu sein. Ununterbrochen brachten die Taucher Ladungen davon in die Barken.

Enorme Strapazen hatten die armen Fischer zu ertragen unter der Glut der erbarmungslosen Sonne und unter der grausamen Peitsche der Aufseher. Ihre nackten Rücken waren voller Narben und blutigen Striemen. Oft erschienen die Taucher an der Oberfläche des Wassers mit hervorquellenden Augen und halb erstickt.

»Das sind nun Christen wie wir!« seufzte Eisenkopf, der voller Mitleid auf die armen Teufel schaute, denen man keinen Augenblick Ruhe gönnte.

»Alles Christen!« bestätigte der Normanne, »und denen geht es hier noch gut. Sie haben wenigstens bei Nacht eine Hütte, wo sie ruhig schlafen können. Was wollen ihre Mißhandlungen besagen im Vergleich zu den Qualen, denen die in den Bagnos eingeschlossenen ausgesetzt sind!«

»Und das wird von den christlichen Staaten geduldet«, rief empört der Baron, »statt daß sie vereint diesen Schurken endlich einmal das Handwerk legen? Hoffentlich ist dieser Tag nicht mehr fern!«

Der Seefahrer schüttelte zweifelnd den Kopf.

Nun gab er Befehl, Anker zu werfen.

Deidjeli war damals ein kleiner, unbedeutender Ort, nur von wenigen Feluken besucht, die Waren aus Tunis brachten und Schwämme ausführten.