Mit lauter Stimme rief er jetzt: »Steuert geradeaus nach San Pietro! Verflucht der Verräter, der die Korsaren dorthin gelockt!«
Eisenkopf war zähneklappernd in sich zusammengesunken: »Hätte ich nur ein einziges Becherchen Zypernwein im Leib«, murmelte er, »dann wehe den Feinden! Herr Baron, werden wir viel dort unten zu tun bekommen?«
»Wir müssen um unser Leben kämpfen!«
»Ist das Schloß der Gräfin wenigstens fest?« »Nun, wenn die Mauern nicht stark genug sind, müssen es unsere Schwerter sein!« rief ihm Sant Elmo zu.
»Aber der Stahl, selbst wenn er aus Toledo ist, widersteht nicht den Geschützen!«
»Ich denke, dein Schwert ist im Guadalquivir gekühlt, eine Toledoklinge, wie du sagst!«
Nach einigem Schweigen setzte der Katalane hinzu: »Schöne Überraschung für Donna Ida! Ist sie von eurer Ankunft unterrichtet?«
»Ich hatte mein Kommen angezeigt, und wenn der Sturm nicht das Steuer meiner Galeere beschädigt hätte, wäre ich ja schon gestern hier angelangt. Achtung! Die Feluke erscheint wieder. Sie scheint jetzt nach Sant Antico zu lenken, aber vielleicht sucht sie nur den Wind ... Auf, Leute, rudert aus allen Kräften, wenn ihr nicht vorzeitig mit den Hunden Bekanntschaft machen wollt. Vergeßt nicht, es sind die algerischen Panther!«
Die zwölf Matrosen brauchten nicht angespornt zu werden. Sie kannten nur zu gut die Verwegenheit der Korsaren und wußten, daß dieselben ziemlich weittragende Geschütze mit sich führten, die sie sehr geschickt zu handhaben verstanden.
Die Insel war jetzt nahe, während die Gegner noch vier Meilen zu durchlaufen hatten. Es blieb also Zeit genug zum Landen.
Der Baron, der das Steuer führte, lenkte nach einer von einem felsigen Vorgebirge gebildeten Bucht. Dort erhob sich an einer Seite ein hoher, majestätischer Turm mit Zinnen, an den sich ein massiver Bau anschloß, den der Schatten einiger Bäume noch verhüllte.
Am Ufer dieser Bucht hatte das von Sant Elmo und den Katalanen beobachtete Feuer gebrannt.
»Siehst du nichts, Eisenkopf?« fragte der Malteserritter.
»Nur ein erleuchtetes Fenster! Gräfin Ida scheint noch zu wachen.«
»Es ist ja noch nicht zehn Uhr!«
»Hoffen wir«, meinte der Dicke, »daß das Gesinde noch auf den Beinen ist! Diese Nachtbrise hat mich so hungrig gemacht, daß ich drei Mauren in fünf Minuten verspeisen könnte!«
Der Baron hatte sich erhoben. Seine Augen hafteten auf dem hellen Fenster, das sich deutlich von der dunklen Masse des Schlosses abhob.
Sollte man ihn erwarten? Eine rasche Röte flammte über sein Gesicht, aber machte einer plötzlichen Blässe Platz, als sein Blick das Meer überflog. Er suchte umsonst die Feluke. Ob das Unheil noch heute nacht über die Burg hereinbricht, oder ob seine Furcht übertrieben ist?
Sein Herz krampfte sich zusammen bei dem Gedanken, daß ihm die Geliebte entführt werden könnte, daß diese kühnen, als Frauenräuber bekannten Piraten sie ihrem Herrn bringen oder dem Bey von Algier verkaufen könnten.
»Wenn wir nur bis zur Ankunft meiner Galeere aushalten! Wir sind zwar wenige, aber ausgezeichnete Kämpfer. Auch die Schloßbediensteten sind tapfer!«
»Herr Baron«, rief da der Katalane: »Die Feluke kommt wieder!«
»Noch allein?«
»Ich erblicke keinen anderen Segler.«
»Nehmt noch einmal alle Kraft zusammen, meine Braven!« Des Ritters Schaluppe war nun bei der Bucht angelangt. »Zieht sie ans Land, nehmt die Waffen und folgt mir! Die Piraten können uns jetzt nicht mehr auf offener See erreichen!«
2. ZULEIK
Das heute nur in unbedeutenden Ruinen noch vorhandene Schloß des Grafen von Santafiora war im Jahre 1630 eine noch starke Festung, wenn auch nur bescheidenen Umfangs.
Angelegt, um die häufigen Überfalle der Barbaresken, die schon mehrfach die Insel San Pietro verwüstet und viele ihrer Bewohner als Sklaven fortgeschleppt hatten, zu hindern, war das Schloß den Malteserrittern Grafen von Santafiora zu Lehen gegeben worden. Diese hatten sich oftmals in Kämpfen gegen die Sarazenen in Sizilien und in den tunesischen und algerischen Gewässern ausgezeichnet.
Graf Albert, der erste Schloßherr, hatte bei solchen Treffen wichtige Dienste geleistet. Sein Sohn Wilhelm, genannt Stahlarm, war nicht weniger tapfer. Er hatte verschiedene Belagerungen überstanden, mit seinen Galeeren die berüchtigten tunesischen Korsaren besiegt und sogar gewagt, die Stadt Algier zu bombardieren. Dieser verwegne Streich sollte ihm das Leben kosten. Die Schiffe Culkelubis, des berühmtesten algerischen Admirals seiner Zeit, hatten ihn mit allen seinen Begleitern vernichtend geschlagen.
Als einzige Erbin war ein kleines Mädchen zurückgeblieben. Sie wuchs auf unter den Augen eines entfernten Verwandten, da ihre Mutter bei einem Angriff des Schlosses das Leben eingebüßt hatte. Die junge Gräfin Ida war unter dem Donner der Geschütze groß geworden.
Die Korsaren, mit der Absicht, ihren Fuß auf Sardinien zu setzen, versuchten mehrfach, das Schloß zu erobern. Aber die Heldenhaftigkeit der Malteser, die auf den Ruf des Mädchens zur Rettung kamen, hatte sie stets mit blutigen Köpfen heimgeschickt.
Unter den mit ihren Galeeren zu Hilfe eilenden Rittern stand Baron Carlo von Sant Elmo an der Spitze, der, ein Sizilianer, noch sehr jung Malteserritter geworden. Seine Tapferkeit, seine Schönheit, seine hohe Abkunft hatten nicht verfehlt, tiefen Eindruck auf die jugendliche Gräfin zu machen. Beide jung, beide Kinder von Verteidigern des Mittelmeers, beide allein in der Welt stehend, war es begreiflich, daß ihre Herzen sich fanden. Eine zarte Liebe verband beide, die ihre Erfüllung finden sollte in der bevorstehenden Vermählung.
Das Glück schien ihnen zu lächeln. Da kam Carlo die Kunde von seiten eines Schiffers, daß die Korsaren einen gewaltsamen Angriff auf das Schloß planten ...
In dem Augenblicke, als man von der Schaluppe des Barons das Korsarenschiff zuerst entdeckte, saß Donna Ida auf der Schloßterrasse. Sie war schön und anmutig, mit zartem, rosigem Teint und tiefschwarzen Augen, zierlich und biegsam wie eine Gerte.
Wenige Schritte von ihr entfernt, hockte auf einem Teppich ein junger Maure von dunkler Hautfarbe, schwarzem Haar und kühnem, äußerst regelmäßigem Gesichtsschnitt. Das Kinn war von einem spärlichen Bärtchen beschattet. Er hielt auf den Knien eine Laute mit langem Griff, eine algerische Tiorba.
Der Afrikaner, der Barbareske, der Sohn jenes Eroberervolkes, das seine Waffen nach Spanien, ja bis ins Herz Frankreichs getragen hatte, war in ihm unverkennbar. Er trug auch dessen Gewandung: seidenen Turban, grüne, silberverzierte Jacke, weite, rote Pluderhosen und gelbe Pantoffeln.
Seine feinen, nervösen Finger entlockten von Zeit zu Zeit, wie in Zerstreutheit, den Saiten süße Töne. Zuweilen schaute er in stiller Bewunderung auf das reizende Mädchen, deren Blicke auf das Meer gerichtet waren.
Hin und wieder leuchteten die Augen des Mauren blitzartig auf, und der Mund ließ ein Gebiß sehen, das einem Panther ähnlich war. In jenen Momenten hafteten seine Blicke auf der Feluke. Das braune Gesicht nahm den Ausdruck eines Raubtiers an, das auf Beute lauert und schon das Blut des Opfers wittert.
Die junge Gräfin schien sich nicht um den Lautenspieler zu kümmern. Auch sie schaute in ängstlicher Spannung auf die Silberfläche des Meers und auf die geheimnisvollen Manöver des Fahrzeugs.
Plötzlich wandte sie sich zu dem Mauren um: »Zuleik, wem gehört wohl der kleine Segler, der seit drei Abenden sich hier zeigt und des Morgens verschwindet? Er beunruhigt mich!«
»Ach, eine erbärmliche Feluke. Wie kann das die Herrin erschrecken! Es werden Fischer aus Cagliari oder aus Antioco sein!«
»Wenn es aber barbareskische Korsaren wären?« »Im Schloß stehen ja vier Kanonen auf den Wällen und eine auf dem Turme. Wie könnte ein so kleines Schiff wagen, sich ihren Schüssen auszusetzen!«