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»Ich würde ruhiger sein, wenn der Baron Sant’ Elmo mit seiner Galeere hier wäre!«

Ein wilder Blitz leuchtete aus den Augen des Afrikaners. »Erwartet ihr ihn, Herrin?«

Mit Mühe unterdrückte er seine Unruhe.

»Ja, seine Galeere muß Malta schon verlassen haben. Siehst du nicht tapfere Männer immer gern?«

Ein leises Erröten überzog ihre Wangen.

»Aber sie wollen meine Rasse ausrotten, diese Tapferen!« zischte Zuleik.

»Deine Leute greifen uns ja fortgesetzt an!«

»Das ist Mohammeds Gebot!«

»Und Gott waffnet den Arm unserer christlichen Krieger zur Verteidigung!«

Der Algerier zuckte die Achseln und zupfte wieder die Saiten der Tiorba.

»Was ist das mit der Feluke!« rief Donna Ida, die sich jetzt lebhaft erhoben hatte. »Sie wendet und macht Miene, nach Sant Pietro zu segeln!«

»Es werden sicher Fischer sein!«

»Vor einer halben Stunde habe ich aber dreimal vom Verdeck des Schiffes blitzartig helle Lichter aufflammen sehen!«

»Ich habe nichts bemerkt.«

»Du warst ja unten am Strande!«

»Wenn unsere algerischen Fischer bei Nacht auf See sind, zünden sie Feuer an, um die Fische anzulocken!« erwiderte der Maure. »Ihr werdet solches Feuer wahrgenommen haben!«

»Nein, sicher, ich täuschte mich nicht!«

Zuleik lächelte und zupfte von neuem die Saiten. Aber seine mageren Finger entlockten ihnen jetzt rauhe, wilde Töne, als wenn er das Geschrei der Araber bei Kampfspielen oder im Angriff nachahmen wollte.

Die Töne schienen auch auf den Spieler selbst nicht ohne Einfluß zu bleiben. Sein Gesicht nahm einen wilden Ausdruck an. Die Augen glühten, der ganze Körper zitterte, und seine Lippen öffneten sich, als wollte er in das Kriegsgeheul der Mauren miteinstimmen.

»Was spielst du denn da?« fragte die Gräfin.

»Eine Wüstenphantasie!«

Die wilden Töne erschollen noch einige Minuten lang, dann wichen sie wieder süßesten Lauten. Der Maure schien das ferne Murmeln der Wellen, das Säuseln des Windes in den Palmen der Oasen, das Plätschern der Brunnen nachahmen zu wollen.

Plötzlich verstummte die Tiorba. Der Algerier hatte das Haupt auf die Brust gesenkt. Seine Züge waren wieder ruhig geworden. Er schien zu schlafen.

»An was denkst du, Zuleik?« fragte jetzt Donna Ida. »Du bist ja heute abend so sonderbar!«

»Ich dachte an die verlorene Freiheit, an die Moscheen im Schatten der Palmen, an die feurigen Rosse, an die lachenden Gestade meiner Heimat ... Wie oft sah ich im Traum den Marmorpalast meiner Ahnen, wo ich meine Kindheit verlebte; ich sah das Minarett, von dem der alte Muezzin morgens und abends zum Gebete rief, die marmorne Fontäne, an der abends die Frauen meines Vaters zusammenkamen, um ihre Lieder zu singen ... Ich sah die entzückende Gestalt meiner Schwester vor mir, dann wieder die Galeeren mit dem grünen Banner des Propheten, unsere feurigen Reiter im blitzenden Harnisch und wehenden weißen Mantel ...

Die Gräfin folgte lächelnd den Phantasien ihres schwärmenden Lautenspielers.

»Oh, was wäre noch aus mir geworden, wenn nicht eines Tages ein Christ mich gefangen hätte! Wo sind nun alle meine Träume von Ruhm und Eroberungen! Ein Sklave bin ich ... ! Diese Hände, geschaffen, um Keule und Säbel zu schwingen, Schild und Lanze zu führen, die Ungläubigen auszurotten, müssen nun die Tiorba spielen, als ob ich ein Weib wäre!«

Mit einem Ruck hatte der Maure die Laute von der Balustrade in den Wallgraben geschleudert.

»Zuleik!« rief da die Gräfin zornig, »du scheinst zu vergessen, daß du mein Sklave bist!«

»Darf denn der arme Sklave nicht einmal der Heimat gedenken und die verlorene Freiheit beweinen?« erwiderte der Algerier bitter.

»Ich habe dir versprochen, dich eines Tages gegen einen Christen auszutauschen. Du leidest, aber leiden die Unsrigen in den Händen des grausamen Culkelubi etwa weniger? Worüber beklagst du dich? Ich habe dich wie einen Freien behandelt, während die Christen von deinen Landsleuten gequält, gemartert und getötet werden!«

»Mich peinigt auch der Verlust meiner Freiheit wie eine Folter! Ich bin nicht zum Sklaven geboren, ich habe in den Adern das Blut der Eroberer Granadas!«

»Und trotzdem hast du während der zwei Jahre deiner Gefangenschaft keinen Fluchtversuch gemacht? Zuerst auf Malta und dann bei mir? Die Schaluppen des Schlosses liegen unbewacht, und ich habe dich frei auf der Insel umherschweifen lassen ... «

»Glaubt ihr, daß ich nie an Flucht gedacht habe?« Er schwieg einen Augenblick, dann fuhr er mit ruhigerer Stimme fort: »Wenn nicht das Mädchen, das meine Träume erfüllt, mich krank gemacht hätte, wäre ich längst über das Meer zum Hause meines Vaters geflüchtet!«

»Du liebst ein Mädchen?« rief Donna Ida überrascht.

»Ja, ein Mädchen, schön wie eine Jungfer im Paradiese des Propheten! Ihrethalben habe ich alle Erinnerungen an meine Familie zurückgedrängt, ihrethalben das Dasein als Sklave der Freiheit in Algerien vorgezogen. Sie hat meine Seele getrunken, sie die Mohammed nicht kennt!«

»Ist sie denn eine Christin?«

»Zu meinem Unglück!«

»Wo lebt sie?«

»Hier auf der Insel. Ich atme mit ihr dieselbe Luft, und dieselbe Sonne strahlt uns!«

»Eine Fischerstochter?«

Der Maure machte eine Gebärde höchster Verachtung. »Ich bin als Fürstensohn geboren. Wie könnte ich eine ärmliche Fischerstochter lieben. Weil ich gefangen bin? Schon morgen dürften meine Ketten fallen, und ich könnte wieder mächtig werden!«

»Hier gibt es nur Fischer auf der Insel. Ich fürchte, mein armer Zuleik, daß dein Verstand gelitten hat. Rufe meine Dienerinnen und geh jetzt zur Ruhe!«

In diesem Augenblicke ertönte am Ufer ein Hornsignal und darauf vom Turme des Schlosses der Ruf: »Zu den Waffen!«

Die junge Gräfin erschrak. »Wer kann zu dieser Stunde landen? Zuleik, rufe meine Waffenträger.« Sie war auf die Balustrade hinausgeeilt.

»Schau nur, da ist wieder die Feluke. Sollten uns deine Landsleute überraschen?«

»Es sind Christen«, antwortete der Maure mit finsterer Miene.

»Woher weißt du das?«

Jetzt ertönte eine helle Stimme durch die ruhige Luft: »Senkt die Brücke für den Baron von Sant’ Elmo!«

»Er! Carlo!« rief jubelnd die Gräfin, während sie mit der Hand zum Herzen fuhr, wie um seine Schläge zu hemmen. »Er!«

Das Gesicht des Algeriers nahm einen wilden Ausdruck an. Er ballte die Faust. Da sah er plötzlich jene von der Gräfin an den Vorabenden bemerkte Feluke rasch auf die Insel zuschießen. Im Mondschein leuchteten auch weiße Punkte am Horizont auf. Wilde Freude glänzte jetzt aus seinen Augen. »Die Panther sind da«, murmelte er. »Sie dürsten nach Christenblut!«

Die Zugbrücke wurde mit dumpfem Krachen heruntergelassen. Der Wachthauptmann, gefolgt von vier mit Fackeln versehenen Schildträgern, begrüßte den Ritter und seine Leute, indem er ihm im Namen der Schloßherrin den Willkommen bot.

»Welcher Wind führt euch zu so ungewöhnlicher Stunde her, Herr? Niemand hat euch schon erwartet!«

»Ein böser Wind, mein alter Antiochus! Ein Wind, der aus Algerien weht. Hebt sofort die Brücke, ladet die Kanonen und weckt alle Leute! Die Barbaresken sind in Sicht. Wo ist eure Herrin?«

»Sie harrt eurer im Saal.«

»Herr Antiochus« wandte sich jetzt der Katalane an den Hauptmann, »vergeßt nur nicht, daß wir hungrig und vor allem durstig sind! Und mit leerem Magen läßt sich schlecht fechten!«

»Das Gewünschte soll gleich zu Stelle sein!«

Der junge Ritter stieg die Freitreppe zu den Gemächern empor, wo Donna Ida in größter Unruhe seiner harrte.

Zuleik stand im dunkleren Teil des Saales. Er glich einem lauernden Raubtier.

Als Sant’ Elmo eintrat, den federgeschmückten Helm in der Hand und die Rechte am Degen, konnte die Gräfin einen freudigen Aufschrei nicht unterdrücken.