Die mit ihrer Zerstörung betreuten Soldaten warteten nur auf die letzten Verteidiger, um die Balken stürzen zu lassen.
In dieser Lage gab der Baron den Kampf auf und eilte zum Turme. Er hatte kaum die Pforte erreicht, als mit donnerndem Krachen die Brücke fiel und verschiedene Feinde unter sich begrub.
Wilde Todesschreie, Flüche, dann eine Staubwolke, die Tote und Sterbende verhüllte.
Die Angreifer hatten sich wieder auf die Terrasse zurückgezogen, auf die von der Plattform des Turmes aus schwere Steine und Zinnenstücke und von der Tür her Kugeln hagelten.
Schweißgebadet, den Helm zerdrückt und den Panzer mit tiefen Furchen, stürzte Sant Elmo zur Plattform. Dort fand er die Gräfin mit ihren Frauen bei den Seeleuten, welche die Kanonen bedienten.
»Wir sind verloren, Carlo«, rief sie schluchzend, »es bleibt uns nur der Tod!«
»Noch nicht!« antwortete der Ritter. Noch ist der Turm unser! Wir werden ihn mit Gottes Hilfe bis zur Ankunft meiner Galeere halten. Die Kanonade muß ja in Sardinien, vielleicht in Cagliari, gehört worden sein!«
»Du willst mich trösten!« Donna Ida lächelte unter Tränen. »Wie tapfer du gekämpft hast!«
Die Stirn Sant Elmos verdüsterte sich. »Nur einer schreckt mich! Zuleik! Wir haben soeben wieder gekämpft, ohne daß ich ihm den tödlichen Schlag versetzen konnte!«
»Warum haßt mich nur dieser Verräter?«
»Haß?« rief der Baron, »Liebe hat ihn dazu getrieben, das Schloß zu stürmen. Liebe zu dir!«
In diesem Moment erschien der Hauptmann mit den wenigen überlebenden auf der Plattform. »Wir haben das Tor verbarrikadiert und eine Mine unter den Turm gelegt«, rief er. »Ich nahm an, daß auch ihr lieber unter den Ruinen begraben sein wollt, als den Ungläubigen lebend in die Hände zu fallen!«
»Recht gehandelt!« erwiderte der Ritter. »Lieber Tod als Sklaverei! Wieviel Leute haben wir noch?«
»Vierundzwanzig und die Frauen.«
»Und Eisenkopf?«
»Ist hier!«
»Lebt er?«
»Es geht ihm besser als den anderen!«
»Setzt 10 Mann an die Geschütze, die anderen in den ersten Stock des Turms! Munition und Arkebusen sind genügend vorhanden. Wir müssen uns bis zur Ankunft der Galeere halten!«
»Aber was kann diese allein gegen fünf Schiffe ausrichten, Herr Baron?«
»Ich hoffe, sie kommt nicht allein. Wenn der Kanonendonner gehört wurde, werden auch andere Schiffe uns zur Hilfe eilen. Verteilt inzwischen unsere Leute auf die Kampfposten! Antiochus, Mut! Vertrauen wir Gott und unseren Schwertern!«
5. DIE MINE
Der Turm, in dem die Belagerten Zuflucht gesucht, war ein viereckiger, fester Steinbau auf der Nordseite des Schlosses. Getrennt von den übrigen Gebäuden, auf einem Hügel erbaut, erhob er sich zu einer Höhe von 40 Metern und zählte drei Stockwerke mit wohl verwahrten, mit Eisenstäben versehenen gotischen Fenstern. Wahrscheinlich hatte er einstmals als Gefängnis gedient. Die Mauern waren von riesiger Stärke. Von den Kellern aus führte ein geheimer Gang in das nahe Gebüsch, damit gegebenenfalls die Verteidiger einen Weg ins Freie finden oder die Feinde im Rücken überfallen konnten.
Nichtsdestoweniger konnten der Baron und die Belagerten bei der Überzahl der Feinde und ihrer Geschütze sich im Turm nicht sicher fühlen.
Die Korsaren waren trotz ihrer Verluste mutig und siegesgewiß. Die Gewehrschützen schossen aber noch von oben auf die Feinde, welche ihrerseits mit Hacken und Beilen die Mauern zu zerstören suchten, während die Galeeren die Stockwerke unter Feuer hielten.
Von allen Seiten hagelten Kugeln auf den Turm. Gleichzeitig legten die Korsaren Minen an, um die Mauern in die Luft zu sprengen.
Der Baron war unaufhörlich bemüht, den Mut der Belagerten mit der Hoffnung auf Hilfe aufrecht zu erhalten. Unablässig schaute er aufs Meer, aber kein Licht zeigte sich beim Untergang des Mondes.
Unwillkürlich befielen auch ihn Zweifel am Gelingen des Sieges, aber er fuhr fort, die mit ihren Dienerinnen in einer Ecke kauernde Gräfin zu trösten. »Mut, Mut! Wenn wir bis zum Morgen aushalten, werden die Korsaren sich zurückziehen!«
Auch der leichenblaß gewordene Eisenkopf bemühte sich, seinem Herrn nachzueifern. »Laßt die Hunde nur kommen! Wer sind sie denn, die Ungläubigen! Teufelssöhne, die wir wieder zur Hölle befördern müssen! Gott ist mit uns, wir werden sie schon vernichten!«
Leider bedrohte die Vernichtung weit eher die Belagerten. Schon hörte man die Hacken der Feinde an den Mauern immer stärker und deutlicher.
Die Kanoniere auf dem Dach hatten sich in die unteren Räume flüchten müssen. Die Hälfte von ihnen war unter den Steinkugeln der Feinde gefallen.
Die Räuber beschossen jetzt die Fenster, und mehr als ein Geschoß drang in die Zimmer. Der schreckliche Augenblick der Kapitulation oder des Untergangs der Belagerten rückte immer näher. Der Baron zweifelte allmählich an dem rechtzeitigen Eintreffen seines Schiffes.
»Unser Ende naht«, flüsterte er schmerzbewegt der Gräfin zu. »Gott verläßt uns. Ziehst du Sklaverei oder Tod vor, Ida? Wenn du zustimmst, versuchen wir das letzte Verteidigungsmittel!«
»Was planst du?« fragte die schreckensbleiche Gräfin.
»Einen Ausfall durch den geheimen Gang!« »Wird er nicht schon entdeckt sein?«
»Ich weiß es nicht, aber wenn du einverstanden bist,
steigen wir in den Keller. Ich fürchte nur eins. Daß die Algerier eine Mine springen lassen, um uns alle zu töten!«
»Großer Gott«, schrie Eisenkopf. »Eine Mine! Dann sind wir alle verloren!«
»Wir können jeden Augenblick eine Explosion erwarten«, sagte der Wachthauptmann. »Ich sah die Räuber soeben von den Felsen abklettern. Das Benutzen des Geheimganges rate ich nicht. Das Kellergewölbe kann über uns zusammenbrechen!«
»Dann ist alles zu Ende!« seufzte Donna Ida.
»Noch nicht«, versuchte der Ritter zu trösten. »Selbst wenn eine Mine hochgeht, fällt der Turm noch nicht ein. Er ist fest. Aber es könnte eine Bresche entstehen, durch welche die Korsaren eindringen würden. Die enge Treppe ist jedoch leicht zu verteidigen. Wieviel Mann sind wir noch?«
»Kaum fünfzehn.«
»Das genügt für Widerstand. Inzwischen muß Hilfe nahen!«
Der alte Kommandant schüttelte den Kopf, winkte dem Baron und flüsterte ihm zu: »In einer halben Stunde sind wir gefangen oder tot. Die Korsaren haben schon den Zünder ihrer Mine in Flammen gesetzt, und diese Explosion wird auch die meiner Mine herbeiführen!«
Der Ritter fuhr zusammen. »Dann gehen wir alle in die Luft. Ich bin Soldat, der Tod schreckt mich nicht. Aber die Gräfin, eure Herrin ... «
»Besser Tod als Sklaverei! Übrigens glaube auch ich nicht an den Einsturz des Turms, aber die Treppe wird einstürzen und uns den Rückzug abschneiden!«
»Wenn ich nur Zuleik vorher töten könnte!« murmelte Sant Elmo zähneknirschend. »Dann ginge ich leichter in den Tod!«
»Herr Baron«, rief plötzlich Antiochus, der wieder Ausschau gehalten hatte. »Ich sehe, es dürfte noch einige Zeit bis zur Explosion vergehen. Wir könnten da noch meine Mine, die gefährlichere, durch Wasser unschädlich machen. Ich eile zur Stelle.«
»Wenn du dem Tode trotzest, tue ich es auch. Zuleik würde mich doch nicht schonen!«
Der Ritter drückte der in die Knie gesunkenen Gräfin einen Kuß auf die Stirn und stürzte zur Treppe.
Der Kommandant wehrte ihm jedoch. »Laßt mich allein gehen. Ich bin alt, ihr jung!«
Und Donna Ida schrie verzweifelt auf: »Carlo!«
Aber der Ritter eilte in wenigen Sätzen hinunter zu dem Raum, wo die Pulverfässer standen. In der Ecke befand sich die Tür zu dem geheimen Gang. Antiochus riß sie auf und betrat den niedrigen, in den Felsen gehauenen Weg. »Hier ist die Mine, rasch, Herr!«