Sant Elmo leerte ein großes bereit stehendes Faß Wasser auf die Mine.
»Nun eilig fort!« rief der Alte.
Da zuckte ein Blitz auf.
Beide fühlten sich wie von einer unwiderstehlichen Gewalt in den Gang zurückgerissen.
Ein furchtbares Krachen folgte, Schreie, Lärm ...
Jetzt verloren sie das Bewußtsein.
Als der Baron wieder zu sich kam, herrschte tiefes Schweigen um ihn. Er lag in dem unterirdischen Raum, wohin ihn die Explosion geschleudert und fühlte sich wie zerschlagen, hatte keine Gewalt mehr über seine Glieder. Einen Augenblick glaubte er, schon im Reiche der Toten zu sein ... Da kehrte ihm das Bewußtsein zurück, und seinen Lippen entrang sich ein wilder Schrei! Er schlug an die Mauern, er weinte wie ein Kind. Dann beugte er sich über seinen unbeweglich daliegenden Begleiter. Unter dessen Helm drang ein Blutstrom hervor. »Tot!« rief er schmerzlich.
Der Mann hatte beim Hinstürzen sich den Schädel eingeschlagen.
»Also noch ein Freund ist zu rächen. Wehe dir, Zuleik! Käme nur erst die Stunde, wo ich dich finde!«
Er schaute sich um. Von der Tür her kam ein Lichtstrahl. Die Sonne war also aufgegangen. Mit großer Mühe tastete er sich in das Kellergemach zurück. Eine weite Bresche klaffte da in einer Ecke. Zwischen Fässern, Waffen und anderen Gegenständen lagen mehrere tote Korsaren. Es mußte also ein Kampf stattgefunden haben.
Auf der nicht zerstörten Treppe fand er weitere Leichen. Blut strömte von oben herab. Korsaren und Christen lagen durcheinander. »Alles tot. Und meine Braut ... ?«
Mit äußerster Selbstüberwindung bahnte er sich einen Weg nach oben über die Gefallenen hinweg. »Ida, Ida!«
Er war fast oben, als er eine menschliche Stimme zu hören glaubte.
»Wer ruft?« schrie er. Da antwortete es von oben: »Wo seid ihr, Herr Baron?«
Staune und Freude ergriff den Ritter. Er erkannte die Stimme Eisenkopfs. War es möglich, daß er sich gerettet hätte ... ?
Er stieg zum ersten Stock hinauf. Auch hier nur Leichenhügel. Aber von der oberen Plattform hinabführenden Treppe kam der Katalane hinuntergestiegen.
Er warf die eiserne Keule von sich und stürzte aufschluchzend dem Ritter entgegen. »Ach, Herr. Das Unglück!«
»Wo ist die Gräfin?« schrie ihm der Baron voller Angst zu.
»Geraubt! Geraubt von Zuleik, dem Maurenhund!«
»Geraubt? Von Zuleik?« Dem Baron versagte die Stimme. Er fiel auf die Knie nieder.
»Herr, Herr, verzweifelt nicht! Wir werden die Räuber verfolgen. Vor kaum zwei Stunden sind sie fortgesegelt. Und eure Galeere ist in Sicht!«
»Meine Sirene?« schrie der Ritter auf, sich wieder ermannend.
»Ja, ich habe sie von oben gesehen.«
Der Edelmann sprang wie neubeseelt auf. Neue Hoffnung erfüllte sein Herz. Er bedachte nicht, wie wenig das eine Schiff den Feinden gewachsen war.
Beide stiegen auf die obere Plattform. Auch dort lag alles in Trümmern, und zwischen den Ruinen sah man nichts als Leichen.
Die Sonne verklärte Meer und Küsten. Gegen Norden zeigte sich ein großes Schiff, dessen Rutensegel und Flagge die Herkunft von Malta bekundeten. Auf dem Verdeck glänzten Helme und Panzer im Sonnenstrahl.
»Meine Sirene!« Der Ritter breitete die Arme aus, und ein Leuchten flog über sein Gesicht. »Warum konnte sie nicht früher kommen! Aber ich fühle mich bei ihrem Anblick wieder stark. Wir werden die Korsaren verfolgen, wenn nötig, selbst bis nach Algerien. Wir müssen sie schlagen und Zuleik, den Verräter, strafen!«
»Die Räuber sind nach Südwesten abgesegelt!«
»Alle?«
»Ja, zusammen mit der voraussegelnden Feluke.«
»Warst du beim letzten Kampf, Eisenkopf?«
»Gewiß, und meine Keule hat Wunder getan!«
»Wer hat Donna Ida gefangen genommen?«
»Zuleik. Die Unsrigen waren alle verwundet oder tot bis auf mich!«
»Hat man Gewalt gegen sie gebraucht?«
»Nein, die Gräfin war ohnmächtig, als man sie forttrug. Und ihre Begleiterinnen hat man auch mitgenommen.«
»Aber auf welche Weise bist du entronnen?«
Der berühmte Nachkomme der Barbosa, der um ein Drittel magerer geworden, kraute sich verlegen den Kopf.
»Du bist einfach ausgerissen, hast dich versteckt?«
In diesem Augenblick fielen zwei Kanonenschüsse und überhoben Eisenkopf der Antwort.
Die »Sirene« erschien im Hafen.
6. DIE VERFOLGUNG
Die »Sirene« war eins der größten und besten Schiffe, die zu jener Zeit das Mittelmeer befuhren. Sie hatte ein hohes, reichverziertes Vorderteil mit einem Aufbau für Angriffszwecke. Das Hinterteil mit dem Steuer war noch höher und trug an beiden Seiten riesige Laternen. Das Mittelschiff war so stark wie möglich gegen Feinde befestigt. Die Masten trugen unten große, leicht bewegliche Rutensegel und oben viereckige Rohre. Aus dem Zwischendeck steckten die Kanonen ihre Rohre.
Die Besatzung, ohne Ahnung vom Schicksal des Schlosses, war im Begriff, vor Anker zu gehen, als der Baron und sein Begleiter am Ufer erschienen. »Laßt ein Boot herab und bleibt unter Segel!« rief er.
So sonderbar der Besatzung auch der Befehl des Kapitäns erschien, wurde er sogleich befolgt. Die Schaluppe kam eilig ans Ufer. Die Besatzung erkannte nun erst mit Entsetzen die Lage.
Der Vizekommandant eilte erschreckt auf den Baron zu: »Ritter, was ist geschehen?«
»Ihr seid zwei Stunden zu spät gekommen«, erwiderte dieser düster. »Da seht ihr das Werk der Korsaren!«
»Sie haben das Schloß gestürmt?«
»Und alle Verteidiger umgebracht!«
»Auch unsere Leute?«
»Wir beide sind die einzig Überlebenden.«
»Und die Gräfin Santafiora?«
»Gefangen. Wenn ihr keine Furcht kennt, Le Tenant, dann machen wir uns sofort an die Verfolgung der Räuber!«
Sie fuhren zur Galeere zurück. Unterwegs berichtete der Ritter von seinen Erlebnissen.
»Was mich besonders beunruhigt«, sagte er traurig, »das ist die Leidenschaft, die dieser Zuleik für die Gräfin gefaßt hat. Ehe er sie herausgibt, wäre er imstande, sie zu töten!«
»Ihr wißt nicht, auf welchem Schiff er sich befindet, Eisenkopf?«
»Es war unmöglich, das zu beobachten. Die Räuber gingen zu eilig an Bord.«
»Und vier Galeeren waren es?«
»Ohne die Feluke.«
»Eine bedenkliche Übermacht, Ritter. Wollen wir nicht erst Hilfe von Cagliari holen?«
»Damit würden wir Zeit verlieren, ohne die Sicherheit, Hilfe zu erhalten. Ich will lieber allein mein Glück versuchen. Gott wird helfen.«
»Vielleicht treffen wir einige unserer im Mittelmeer kreuzenden Schiffe!«
»Wolle Gott das fügen!« seufzte Eisenkopf.
Die Galeere war erreicht. Ihre Besatzung befand sich in höchster Aufregung. Man hatte die Verwüstung des Schlosses gesehen. Die Leute fragten sich, durch welches Wunder der Baron und sein Begleiter dem Tode entronnen waren.
Kaum an Bord, trat ersterer in ihre Mitte und rief: »Wer Furcht vor dem Tode hat, kann an Land gehen. Ich ermächtige ihn dazu!«
Keiner rührte sich.
»Wir müssen einen verzweifelten Kampf bestehen«, fuhr er fort, »bei dem wir vielleicht zugrundegehen. Einer gegen fünf. Wer auf Gott und sein Schwert vertraut, der folge mir! Es handelt sich darum, die Herrin des Schlosses mit ihren Frauen, wie die ganze Bevölkerung der Insel zu befreien. Alle sind auf die nach Afrika segelnden Galeeren geschafft worden.«
Von allen Seiten rief man: »Krieg gegen die Räuber! Wir folgen unserm tapfern Kapitän!«
»Dann hoch die Flaggen und heran die Waffen und gegen den Feind!«
Kaum hatte der Baron diesen Ruf getan, sank er zusammen. Ermattung, Überanstrengung, Hunger und Aufregung hatten ihn niedergestreckt. Er wurde in seine Kabine getragen, wohin ihm Eisenkopf traurig folgte.