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Unbekümmert um den Wutschrei Sant’ Elmos, befahl Le Tenant den schleunigen Rückzug der Seinigen. Dann stürzte der Vizekapitän auf den Baron zu, der noch immer seinen Gegner zu erreichen suchte.

»Kommt, oder alles ist verloren!« rief er ihm eindringlich zu.

Vergebens sträubte sich der Ritter. Die Zurückflutenden rissen ihn mit sich.

Die Mauren suchten nun von neuem, die »Sirene« zu erstürmen. Die Größe der Gefahr gab dem Baron wieder kaltes Blut. Mit wenigen Befehlen ließ er die Enterhaken loslösen und sammelte seine Leute.

Ein Windstoß machte das Schiff frei.

Aber während seine Kanonen wieder feuerten, kam ein Kugelregen der Feinde und richtete furchtbare Verwüstungen auf Deck an. Von allen Seiten sausten die Geschosse und zertrümmerten das Holzwerk. Der Lärm verschlang die Befehle des Kapitäns und der Offiziere.

Die auf dem Verdeck und in den Batterien befindlichen Soldaten fielen.

Das Schiff war nur noch ein Wrack, das sich wie durch ein Wunder auf dem Wasser hielt. Die Kanonen waren verstummt aus Mangel an Bedienungsmannschaft.

»Ergebt euch!« – schrien die Mauren von allen Seiten.

Mit drohender Stimme antwortete der Baron: »Malteser sterben, aber ergeben sich nicht!«

In diesem Augenblick ertönte ein Jubelruf unter den Christen. »Segel, Segel! Wir bekommen Hilfe!«

Im Norden, von Sardinien her, zeigten sich weiße Punkte am Horizonte. Von dort her konnten keine feindlichen Schiffe kommen.

Bei diesem Anblick beseelte frischer Mut die Malteser. Sie erwiderten mit großer Kraft die feindlichen Angriffe, die jetzt zu erlahmen schienen.

Die Gegner hatten ebenfalls das Nahen der andern Segel bemerkt, die sie für Abgesandte des Vizekönigs von Sardinien hielten, der den Malteserrittern helfen wollte. Sie wurden unruhig und fürchteten, zwischen zwei Feuer zu kommen. Die Entfernung war aber noch zu groß, um mit Sicherheit die Herkunft bestimmen zu können.

Der Baron und Le Tenant nutzten ihr Zögern aus.

»Vorwärts, schießt!« – riefen sie ihren Leuten zu.

»Alle Mann in die Batterien!«

Das Feuer der Christen wurde wieder lebhafter. Schüsse auf Schüsse krachten in die feindlichen Schiffe hinein. Der Kugelregen bestimmte endlich die Barbaresken, von der Beute abzulassen. Ihre Galeeren waren durch den langen Kampf stark mitgenommen. So hißten sie eilig die Segel und flüchteten, nach einer letzten Breitseite auf die wracke »Sirene«, nach Algier zu.

Das Malteserschiff blieb nun den Wellen überlassen, noch umraucht von der letzten Kanonade, und schmerzvoll empfand sein junger Kapitän die Unmöglichkeit, den Flüchtenden zu folgen.

8. DIE SCHNELLSEGLER

Während die Überlebenden – kaum die Hälfte der Besatzung – die Verwundeten vom Verdeck und aus den Batterien schafften, hatte Le Tenant den Mastkorb erklettert, um nach den sich nähernden Segeln auszuschauen.

Ein Blick zeigte ihm, daß es sich weder um sardinische Kriegsschiffe, noch um Malteser Galeeren, sondern nur um zwei kleine Fahrzeuge handelte, die für die Verfolgung der Feinde nicht in Frage kamen.

Der Ritter, der Le Tenant gefolgt war und dieselbe Beobachtung gemacht hatte, war verzweifelt.

»Baron«, suchte ihn der Freund zu trösten, »Ihr seid Soldat und dürft den Mut nicht sinken lassen. Wenn auch heute das Glück auf Seiten der Ungläubigen war, kann es sich doch in kurzem wieder wenden und uns die Befreiung der Gräfin ermöglichen!«

»Besser, eine Kugel hätte mich getroffen!« stöhnte Sant’ Elmo.

»Und wer würde dann Donna Ida zu retten versuchen?«

Der Ritter fragte, da ihm ein plötzlicher Gedanke kam: »Wofür haltet ihr die nahenden Schiffe?«

»Für Feluken!«

»Vielleicht sind es Schmuggler, Handelsschiffe wären bei dem Kanonendonner sicher geflüchtet!«

»Und wenn das der Fall wäre?«

»Dann würde ich euch das Kommando der schwer beschädigten ›Sirene‹ überlassen und selber versuchen, Afrika mit den Feluken zu erreichen. Ich kann nicht Wochen verstreichen lassen bei der entsetzlichen Vorstellung, meine Braut als Sklavin in Algier zu wissen!«

»Baron, ich warne euch vor diesem Unternehmen. Bedenkt, welchen Gefahren ihr euch aussetzt! Es kennen euch zu viele in Algier, und Zuleik wird wachsam sein!«

»Mein Entschluß steht fest. Die ›Sirene‹ ist nur noch ein Wrack. Ihr könnt die Überlebenden unserer Mannschaft nach Sardinien zurückführen, und mich werden die Feluken gegen entsprechende Vergütung nach Algier mitnehmen!«

»Dann nehmt wenigstens, wenn ihr nicht zurückzuhalten seid, einige entschlossene Männer mit!«

»Mir genügt Eisenkopf. Ich gehe nicht dorthin, um zu kämpfen, nur die Gräfin zu entführen. Gebt den Feluken das Signal!«

Diese, die das Malteserbanner schon erkannt hatten, kamen schnell heran. Sie mochten kaum 40 Tonnen groß sein, waren niedrig gebaut, trugen aber sehr viel Segel, die auch bei schwachem Winde gingen, und hatten zahlreiche Besatzung nebst zwei Kanonen an Bord.

Es waren kleine, eigens für schnelle Fahrt gebaute Schiffe, die in jener Zeit den von den Barbaresken gefangenen Christen oft wertvolle Dienste leisteten.

Bemannt mit äußerst furchtlosen Leuten, wagten sie sich in die Häfen der Mauren und benutzten dort jede Gelegenheit, um den Christensklaven zur Flucht zu verhelfen.

Sie taten das wahrscheinlich weniger aus Menschlichkeit – es befanden sich unter ihnen sogar mohammedanische Renegaten – sondern mehr in der Hoffnung auf gute Belohnung durch die Familie der Befreiten.

In maurischer Tracht, unter dem Namen tunesischer oder algerischer Kaufleute, sehr geschickt in der Handhabung der Segel, wie der Waffen, wagten sie sich bei Nacht in jene Häfen, wo sie Vertrauensmänner hatten.

Der Tod bedrohte sie täglich. Einmal gefangen, durften sie seitens der Barbaresken auf Gnade nicht hoffen. Nicht selten wurden sie in solchem Fall lebend verbrannt oder gespießt. Glücklich diejenigen, die einfach nur in ungelöschten Kalk geworfen und dann geköpft wurden!

Die beiden Feluken legten sich an der Galeere fest.

Eine mächtige Gestalt, braun wie ein Afrikaner, mit langem, schwarzem Bart stieg die herabgelassene Strickleiter empor. Der Mann war in türkischer Kleidung mit weiten, braunen, am Knie befestigten Pluderhosen und hellblauem Rock mit roter Wollbinde.

»Hier hat wohl ein schwerer Kampf stattgefunden!« rief er in schlechtem Italienisch, auf der Brücke stehend und die Toten überschauend, die noch nicht ins Meer geworfen waren. »Seid ihr der Kapitän?« fragte er den Baron, seinen roten Fez lüftend. »Da kann man euch Glück wünschen, daß ihr dem Angriff jener vier Galeeren standgehalten habt! Schade, daß wir zu spät gekommen sind, um euch beizustehen!«

»Ihr seid Schmuggler?«

»Ja, Kapitän.«

»Von Cagliari!«

»Habt ihr vom Angriff der Korsaren auf San Pietro gehört?«

»Wir erfuhren durch Schiffe aus Antioco, daß die Ungläubigen das Schloß des Grafen von Santafiora bombardiert hätten.«

»Weiß man auch, daß die Gräfin geraubt ist?«

»Ja, ganz Cagliari beweint das Schicksal der edlen Dame.«

»Wo wollt ihr jetzt hin?«

»Ich will einen Handstreich in Algier und mein Gefährte einen solchen in Tunis versuchen. Der Sohn eines spanischen Gesandten soll befreit werden. Die Sache ist gefährlich, aber die versprochene Belohnung so hoch, daß ich mich, wenn alles glückt, zur Ruhe setzen und in der Normandie mein Feld bebauen könnte!«

»Ah, ihr seid kein Italiener?« fragte Le Tenant.

»Für die Leute im Mittelmeer, die mich als Seemann kennen, bin ich der Normanne, bei den Ungläubigen heiße ich Ben Kadek und bei meinen Landsleuten Jean Barthel.«