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«Intensiv ist das falsche Wort.«

«Ich will ganz sicher nicht mit Ihnen über die passenden Wörter streiten.«

Ich beeilte mich zu versichern, die Beziehung zu Frau Dr. Senft keineswegs bagatellisieren zu wollen. Ich würde allein die Schwangerschaft bezweifeln.

Was natürlich ungeschickt ausgedrückt war, denn die Dame in München verbürgte sich dafür, daß eine solche Schwangerschaft stattgefunden habe.

«Schon klar«, sagte ich.»Sie wissen, was ich meine.«

«Sie meinen«, sagte sie,»daß Sie sich weigern werden, die Vaterschaft anzuerkennen, und daß Sie sich vor allem weigern, das Kind bei sich aufzunehmen.«

«Natürlich! Weil es nämlich meines nicht sein kann. Abgesehen davon, bin ich zutiefst überzeugt, daß man ein Kind aus seiner Umgebung nicht herausreißen sollte. Diese Adoptivkinder, die wie Exportbier ins Ausland verschifft werden … ich halte das für Schwachsinn. Nur weil ein paar frustrierte Ehepaare die Umstände des Lebens und der Natur nicht akzeptieren.«

«Da gebe ich Ihnen gerne recht, Herr Braun. Aber weder ist Taiwan ein Entwicklungsland, noch geht es hier um eine Adoption. Und leider muß ich sagen, daß Simon demnächst niemanden mehr haben wird, der das gewährleistet, was Sie gerade als Umgebung bezeichnet haben. Außer der Umgebung eines Heims. Darauf läuft es nämlich hinaus. — Wenn ich also mit Ihnen telefoniere, dann, weil ich mir dachte, es wäre auch Ihnen ein Anliegen, dies zu vermeiden.«

Die blöde Kuh hörte einfach nicht auf, so zu tun, als stehe meine Vaterschaft außer Frage. Sie sagte:»Ein Test könnte Ihnen Gewißheit verschaffen.«

«Herrgott noch mal«, stöhnte ich auf,»ich will doch gar nichts beweisen. Sie wollen etwas beweisen.«

«Ich will nur, daß der kleine Simon eine Zukunft hat.«

«Wenn Taiwan so zivilisiert ist, wie Sie behaupten, hat er dort auch im Heim eine Zukunft.«

«Heime sind immer eine schlechte Lösung, in Taiwan wie in Deutschland.«

«Also, mir ist das jetzt zu blöd«, sagte ich,»ich werde dieses Gespräch beenden. Und ich werde mich beschweren. Sie basteln da aus ein paar Halbwahrheiten eine Geschichte, nur um irgendeinen Aktenordner schließen zu können.«

Sie blieb ganz ruhig und meinte:»Natürlich können Sie sich beschweren. Wenn Sie mögen, verbinde ich Sie gleich mit meinem Vorgesetzten.«

Ich schmiß den Hörer auf die Gabel und wurde laut:»Verdammt!«

Die Kollegin blickte herüber und fragte:»War das jemand aus dem Rathaus?«

«Nein, nein, was Privates«, antwortete ich, was der Wahrheit entsprach und trotzdem gelogen war.

Es versteht sich, daß ich die Sache nicht mehr aus dem Kopf bekam. An die beiden Male erinnert zu werden, da ich mit Lana die Nacht verbracht hatte, schmerzte genauso, wie es mich berührte. Wobei für mich absolut kein Zweifel bestand, jedes Mal ein Präservativ benutzt zu haben. Auch war mir keinerlei Perforation der Kondome aufgefallen. — Klar, mit einer Lupe hatte ich mir die Dinger nicht angesehen, bevor ich sie entsorgt hatte. Somit war nicht auszuschließen, daß … In derartigen Fällen war absolut gar nichts auszuschließen. Die Fortpflanzung war eine Schlange und bahnte sich an allen Abwehrversuchen der Menschen vorbei ihren Weg.

War dies aber tatsächlich der Fall, warum hatte Lana nie versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen? Hatte sie nicht gewollt? Nicht gekonnt? Hatte sie gefürchtet, der Vater ihres Kindes könnte sich als Arschloch herausstellen? — Die Dame von der Botschaft, die keine Botschaft war, hätte jetzt bestimmt gesagt:»Das letztere höchstwahrscheinlich.«

Vor allem aber eines: Was war es, das mich antrieb, am nächsten Tag genau diese Dame anzurufen? Wollte ich ihr nur zuvorkommen?

Sie erkundigte sich sogleich, ob ich ihren Vorgesetzten sprechen wolle.

«Nein, nein, wir zwei kriegen das schon hin.«

«Das freut mich, daß Sie das meinen«, sagte sie.

Ich wartete eine Weile, wie um den Frieden auszukosten, der in diesem Moment herrschte, und wollte dann wissen, was man von mir erwarte.

«Darf ich es kurz machen?«fragte meine neue Freundin.

«Von mir aus.«

«Ihre Vaterschaft anerkennen und das Kind zu sich nach Deutschland nehmen.«

«Ach ja. So einfach also.«

«Wir würden zusehen, daß Ihnen von taiwanischer Seite keine Steine in den Weg gelegt werden. Und ich denke, auch die deutsche Behörde wird nichts unternehmen, was den Prozeß komplizieren könnte. Ich darf vielleicht sagen, daß man sich durchaus noch bewußt ist, wie dramatisch die Umstände Ihres Taiwanaufenthalts damals waren, auch wenn es sich bei dem abgestürzten Flugzeug um eine japanische Maschine gehandelt hat.«

«Was hat das denn damit zu tun?«

«Dies war doch immerhin der Grund, daß Sie nicht wieder nach Tainan zurückgekehrt sind, sondern sofort nach Deutschland ausgeflogen wurden.«

Nun, wäre nicht die Walgeschichte gewesen, wäre ich bereits viel früher zu Hause gewesen. Doch auch jetzt, gegenüber der Dame von der taiwanischen Vertretung, verzichtete ich, diese peinliche Begegnung mit einem toten Fünfzigtonner zu erwähnen. Vielmehr verwies ich darauf — bereits tief in der Defensive stehend — , geschieden zu sein, zudem derzeit ohne Lebenspartnerin. Ich könnte in keiner Weise familiäre Verhältnisse garantieren.

«Na, in diesem Fall zählt wohl Ihr einstiger Kontakt zur Mutter des Kindes und nicht, ob Sie aktuell in einer eheähnlichen Beziehung leben. Außerdem: Ein Vater und ein Kind, das ist dann bereits eine Familie, nicht wahr?«

Das hatte etwas für sich. Eine Familie waren zwei. Und wenn man sich Gott vorstellte, war man praktisch schon zu dritt. — Genau, ich hatte angefangen, an Gott zu glauben. Merkwürdigerweise aber nicht in dem Sinne, eine Überzeugung gewonnen zu haben, die ich vorher nicht gehabt hatte. Auch nicht aus Gründen der Angst oder Vorsorge. Oder gar der Konvention, wie im Falle meiner» weißen Heirat«. Eher war es so wie mit diesen zugelaufenen Tieren. Sie waren plötzlich da, und man bekam sie nicht mehr weg, auch wenn man versuchte, sie fortzuscheuchen. In erster Linie, weil man den Dreck fürchtete, den sie machten. Haare auf dem Sofa und Schlimmeres.

Ich will jetzt nicht sagen, Gott würde Dreck machen … na, in gewisser Weise eben doch. Geistigen Dreck. Er verführt einen zu seltsamen Gedanken, die ebenfalls auf dem Sofa kleben bleiben oder sich als spirituelle Knäuel in den Zimmerecken sammeln. Andererseits ist seine Anwesenheit sehr angenehm. Er verströmt ein behagliches Gefühl. Man kann ihn an guten Tagen gewissermaßen schnurren hören. Was nicht heißen soll — denn wir sind ja keine alten Ägypter — , Gott sei eine Katze. Aber sein Verhalten ist manchmal schon recht ähnlich.

Nicht auszuschließen, daß jener Gott seine» Katzenfinger «im Spiel hatte, als ich mich nur einen Tag später hinreißen ließ, die in München agierende Angestellte der Taipeh-Vertretung erneut anzurufen und ihr zu sagen:»Okay, ich kooperiere.«

«Ach, wie schön«, meinte sie. Ihre Stimme war wie diese kleinen, zarten Damenhüte, die das Haar vor so gut wie gar nichts schützen, aber in einer kecken Weise schmücken.

Wenn zuvor gesagt wurde, Bürokratien unterlägen» kosmischen Bedingungen«, dann war das hier ein guter Beweis: einerseits der Fügungen, andererseits aber auch des Chaos wegen, das diesen Fügungen innewohnte. — Man wird bald sehen, warum ich das sage.

Zunächst einmal rechnete ich selbst nach. Denn es versteht sich, daß die Münchner Dame bereits beim ersten Gespräch das Geburtsdatum des Kindes genannt hatte: den 5. Dezember 2004. Wenn ich nun die üblichen neun Monate abzog, so paßte alles zusammen. Was nicht paßte, war weiterhin der Umstand der Verhütung. Andererseits hätte ich, um mich als Vater gänzlich auszuschließen, in der Tat eine promiskuitive Ader Lanas annehmen müssen. Zumindest die Existenz eines zweiten Mannes. Wogegen ich mich aber sträubte. Ich hatte diese Frau geliebt. Ich wollte mir keinen zweiten Mann vorstellen.