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Unweit des Felsens tummelte sich an der Oberfläche des Wassers eine Herde Delphine. Einer der Delphine trennte sich von der Herde, schnaubte laut auf, als wolle er den Signalruf des Horns beantworten, schwamm schnell auf den Felsen zu und verschwand hinter den Klippen. Einige Augen blicke angespannter Erwartung vergingen. Dann erblickten die Perlenfischer den hinter dem Felsen hervorschwimmenden Delphin. Auf seinem Rücken saß, wie auf einem Pferd reitend, ein sonderbares Geschöpf. Der Teufel, von dem jüngst der Taucher berichtet hatte.

Das Ungeheuer besaß einen menschlichen Körper. Es hatte zwei riesige Augen, die in der Sonne aufblitzten wie die Scheinwerfer eines Autos. Seine Haut schimmerte silbrigblau. Seine Hände waren froschähnlich-dunkelgrün, mit langen Fingern und Schwimmhäuten dazwischen. Die Beine blieben bis zu den Knien mit Wasser bedeckt. Ob sie in Schwänzen endeten oder in gewöhnlichen Menschenfüßen, blieb ungewiß.

Das sonderbare Wesen hielt in der einen Hand eine lange gewundene Muschel. Er blies noch einmal in dieses Horn, lachte ein fröhliches menschliches Lachen und rief plötzlich auf Spanisch: „Schneller, Leading, vorwärts!“ Es tätschelte mit der Froschhand den glänzenden Rücken des Delphins und trat ihm in die Seiten. Folgsam, wie ein gutes Pferd, schwamm der Delphin rascher vorwärts.

Einige der Fischer schrien unwillkürlich auf. Der ungewöhnliche Reiter drehte sich um. Die Menschen erblickend, glitt er mit der Geschmeidigkeit einer Eidechse blitzschnell vom Rücken des Delphins und verbarg sich hinter dem großen Körper. Auf dem Rücken des Delphins wurde eine grüne Hand sichtbar, die ihm einige Hiebe versetzte. Der gehorsame Delphin verschwand, zusammen mit dem Ungeheuer, sofort unter Wasser. Das seltsame Paar beschrieb einen Halbkreis unter Wasser und verschwand hinter den Klippen.

Der gänzlich ungewöhnliche Aufzug dauerte nicht länger als eine Minute, die Zuschauer aber konnten sich vor Bestürzung lange nicht fassen.

Die Perlenfischer schrien durcheinander, rannten auf dem Deck hin und her. Mancher faßte sich an den Kopf. Die Indianer sanken in die Knie und beschworen den Meeresgott, sie zu verschonen. Ein junger Mexikaner erkletterte, schreiend vor Angst, den Großmast. Die Taucher ließen sich in den Schiffsraum fallen und verkrochen sich in einem Winkel.

An Fang war nun nicht mehr zu denken. Der Kapitän konnte, mit Balthasars Hilfe, die Ordnung einigermaßen wiederherstellen. Die „Meduse“ lichtete die Anker und drehte nach Norden bei.

Suritas Mißerfolg

Der Kapitän der „Meduse“ zog sich in seine Kajüte zurück, um das Geschehene zu überdenken.

„Es ist zum Verrücktwerden!“ stieß Surita zwischen den Zähnen hervor, sich eine Kanne abgestandenes Wasser über den Kopf gießend. „Das Ungeheuer spricht in reinster kastilischer Mundart. Was bedeutet das! Eine Teufelei? Wahnsinn? Aber es ist doch undenkbar, daß eine ganze Besatzung wahnsinnig wird! Es können ja nicht einmal zwei Menschen den gleichen Traum träumen. Aber wir alle haben den Meerteufel gesehen. Das ist unbestreitbar. Und das bedeutet, daß ER tatsächlich existiert, wie unglaublich es auch scheinen mag.“

Surita übergoß seinen Kopf wieder mit dem lauwarmen Wasser und näherte sich, Kühlung suchend, den Bullaugen. Wie dem auch sei — setzte er, einigermaßen beruhigt, hinzu —, dieses ungeheuerliche Geschöpf besitzt gesunden Menschenverstand und kann vernünftige Handlungen ausführen. Anscheinend fühlt es sich im Wasser ebenso wohl wie an der Luft. Und es kann Spanisch sprechen — folglich kann man sich mit ihm verständigen. Was, wenn man. Wie wäre es, wenn man das Scheusal einfangen, zähmen und zum Perlenfang abrichten wurde! Diese Kröte, die im Wasser leben kann, könnte eine ganze Belegschaft von Perlenfischern ersetzen. Was für ein Geschäft! Jedem Perlenfischer muß man schließlich ein Viertel des Fangs abgeben. Diese Kröte aber würde gar nichts kosten. Wirklich: So könnte man in kürzester Zeit Hunderttausende, ja Millionen Pesetas verdienen.

Surita war in seinen Traum versunken. Bisher hoffte er, einmal reich zu werden, fischte Perlmuscheln an Stellen, die niemand kannte. Der Persische Meerbusen, die Westküste von Ceylon, das Rote Meer, die Australischen Gewässer waren weit entfernte Gebiete, Auch wurde dort die Perlenfischerei schon seit langer Zeit betrieben. Sollte er vielleicht den Golf von Mexiko oder die Fama- und Margarethen-Inseln aufsuchen? Zur Küste von Venezuela, dem besten amerikanischen Perlengebiet konnte er nicht fahren. Dazu war sein Schoner zu alt und seine Belegschaft zu klein — mit einem Wort, er mußte sein Geschäft in größerem Maßstab betreiben. Aber dazu reichten Suritas Mittel nicht aus. Und deshalb blieb er an der argentinischen Küste. Aber jetzt könnte er in einem einzigen Jahr reich werden, wenn es ihm nur gelingen würde, den Meerteufel einzufangen.

Er wird der reichste Mann von Argentinien, vielleicht sogar von ganz Amerika sein. Das Geld ist der Weg zur Macht. Der Name Pedro Surita wird in aller Munde sein. Aber vorsichtig mußte man sein und vor allem das Geheimnis wahren.

Surita ging auf Deck, rief die ganze Besatzung bis zum Koch zusammen und sagte: „Wißt ihr, was für ein Schicksal alle ereilte, die das Gerücht über den Meerteufel verbreitet haben? Sie wurden von der Polizei verhaftet und sitzen im Gefängnis. Ich bin gezwungen, euch zu warnen: Dasselbe wird mit jedem von euch geschehen, wenn ihr es wagen würdet, auch nur ein Wort darüber zu verlieren, daß ihr den Meerteufel gesehen habt. Einsperren wird man euch! Versteht ihr? Darum: Wenn euch euer Leben lieb ist, kein Wort über den Teufel! Zu niemandem!“

Surita bestellte Balthasar in seine Kajüte und weihte ihn als einzigen in seinen Plan ein. Dieser hörte seinem Kapitän aufmerksam zu. Nach nachdenklichem Schweigen sagte er: „Ja, das ist ausgezeichnet. Der Meerteufel ist ein paar hundert Perlenfischer wert. Es wäre gut, ihn zu Diensten zu haben. Aber wie ihn einfangen?“

„Mit einem Netz“, antwortete Surita.

„Er zerschneidet das Netz, wie er den Wanst des Haifisches aufschlitzte.“

„Wir könnten ein Metallnetz anfertigen.“

„Und wer wird ihn fangen? Wenn unsere Fischer nur das Wort Teufel hören, sinken sie schon in die Knie. Nicht einmal für einen Sack voll Gold wären sie dafür zu gewinnen.“

„Und du, Balthasar?“

Der Indianer zuckte die Schultern: „Ich jagte noch nie einen Meerteufel. Ihm aufzulauern dürfte nicht leicht sein. Aber wir brauchen den lebendigen Teufel.“

„Hast du keine Angst, Balthasar? Was denkst du über ihn?“

„Was kann ich vom Jaguar denken, der übers Meer fliegt, und vom Haifisch, der auf Bäumen herumklettert? Eine unbekannte Bestie ist gefährlich. Doch ich liebe es, gefährliche Bestien zu jagen.“

„Ich werde dich reich belohnen.“ Surita drückte Balthasars Hand und fuhr fort, ihm seinen Plan zu entwickeln: „Je weniger Teilnehmer wir bei diesem Unternehmen sein werden, desto besser. Besprich dich mit allen Araukanern. Die sind tapfer und schlau. Wähle fünf Mann aus, nicht mehr. Findest du sie nicht unter unseren Leuten, dann such außerhalb ein paar passende Männer. Der Teufel hält sich an den Ufern auf. Vor allem muß man herausfinden, wo er seine Höhle hat. Dann wird es leicht sein, ihn mit dem Netz zu fangen.“

Surita und Balthasar begannen gleich mit der Arbeit. Nach Suritas Angaben wurde ein über Reifen gespanntes Schleppnetz angefertigt, das an ein großes Faß mit offenem Boden erinnerte. Im Innenraum hatte Surita Hanfnetze ausgespannt, in denen sich der Teufel wie in einem Spinngewebe verwickeln sollte. Die alte Besatzung wurde ausgezahlt.

Nur zwei Indianer von der „Meduse“ konnte Balthasar überreden, an der Jagd auf den Teufel teilzunehmen. Weitere drei Araukaner hatte er in Buenos Aires angeworben.

Man beschloß, den Teufel in jener Bucht aufzuspüren, wo die Besatzung der „Meduse“ ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Um bei ihm keinen Argwohn zu erwecken, ging die „Meduse“ einige Meilen von der kleinen Bucht entfernt vor Anker. Surita und seine Begleiter beschäftigten sich von Zeit zu Zeit mit Fischfang, so, als ob eben dies der ganze Zweck ihrer Seefahrt wäre. Gleichzeitig versteckten sich abwechselnd drei von ihnen hinter Steinen am Ufer und beobachteten aufmerksam, was in den Wassern der Bucht vorging.