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„Sehr gut, ausgezeichnet“, sagte Salvator wie begeistert und betastete weiter die Geschwulst. Nach beendeter Untersuchung wandte er sich an den Indianer und sagte: „Wir haben jetzt Neumond. Komm in vier Wochen beim nächsten Neumond wieder, und du bekommst dein Kind gesund zurück.“

Er trug das kranke Mädchen durch die Glastür in den Teil des Hauses, wo sich die Baderäume, Operationssäle und Krankenzimmer befanden. Der Neger führte schon den nächsten Patienten in das Untersuchungszimmer — die Alte mit dem kranken Bein. Der Indianer verbeugte sich tief gegen die Glastür, die sich bereits hinter Salvator geschlossen hatte, und ging hinaus.

Genau achtundzwanzig Tage später öffnete sich dieselbe Glastür. Da stand das kleine Mädchen in einem neuen Kleid, gesund und blühend. Ängstlich sah es auf den Großvater. Der Indianer stürzte auf das Kind zu, nahm es in seine Arme, küßte es und betrachtete seinen Hals. Von der Geschwulst war nichts mehr zu sehen, nur eine kleine rötliche Narbe hatte die Operation zurückgelassen.

Das Mädchen stieß den Großvater mit den Händen zurück und schrie sogar auf, als die Stoppeln des lange nicht rasierten Bartes es beim Kusse stachelten. Er mußte das Kind wieder auf den Boden stellen. Jetzt lächelte der Arzt sogar, streichelte den Kopf des Kindes und sagte: „Nun, da hast du dein Mädchen. Du hast es gerade noch rechtzeitig hergebracht. Einige Stunden später, und sogar ich hätte ihm das Leben nicht erhalten können.“

Das Gesicht des alten Indianers verzog sich in tiefe Falten, die Lippen bebten, und die Augen füllten sich mit Tränen. Erneut hob er das Kind auf, drückte es an seine Brust, fiel vor dem Arzt in die Knie und sagte mit tränenerstickter Stimme: „Ja, Sie haben meiner Enkelin das Leben gerettet. Was kann Euch ein alter Indianer zum Dank anbieten außer dem eigenen Leben?“

„Was soll ich mit deinem Leben?“ fragte verwundert Salvator.

„Ich bin alt, aber noch rüstig“, fuhr der Indianer fort, ohne sich zu erheben. „Für das Gute, das Ihr mir erwiesen habt, will ich für den Rest meines Lebens bei Euch bleiben und Euch dienen wie ein Hund. Ich werde das Kind zu seiner Mutter — meiner Tochter — bringen und selbst zu Euch zurückkehren. Verweigern Sie mir diese Gunst nicht!“

Salvator überlegte. Er nahm sehr ungern und nur mit strengster Vorsicht neue Dienstboten auf. Zwar wäre Arbeit genug da, sogar sehr viel Arbeit, denn Jim wurde im Garten allein schlecht fertig. Dieser Indianer schien ihm ein geeigneter Mensch zu sein, obwohl er einen Neger bevorzugt hätte.

„Du bietest mir dein Leben und flehst wie um eine Gnade, daß ich dein Geschenk annehme. Gut, du sollst deinen Willen haben. Wann kannst du kommen?“

„Bevor das erste Viertel des Mondes voll ist, bin ich wieder hier“, sagte der Indianer und küßte den Saum von Salvators Kittel. „Wie heißt du?“ „Ich — Christo — Christofer — “ „Geh, Christo, Ich erwarte dich.“ „Komm, Enkelchen!“ wandte sich Christo zu dem Kind und nahm es wieder in den Arm. Das Mädchen weinte. Christo beeilte sich, fortzukommen.

Der wundervolle Garten

Als Christo eine Woche später erschien, sah ihm Salvator prüfend in die Augen und sagte: „Paß gut auf, Christo, Ich nehme dich in Dienst, Du bekommst freie Verpflegung und einen guten Lohn.“

Christo hob abwehrend die Hände. „Ich brauche nichts, ich will Euch nur dienen.“

„Schweig und hör zu“, fuhr Salvator fort. „Du wirst alles bekommen. Aber ich verlange eins: Du mußt über alles schweigen, was du hier sehen wirst.“

„Eher schneide ich mir die Zunge ab und werfe sie den Hunden vor, bevor ich auch nur ein einziges Wort sage.“

„Vergiß es nicht, damit dich dies Unglück nicht trifft“, warnte ihn Salvator. Er rief den Neger im weißen Kittel herbei und befahl ihm: „Führ ihn in den Garten und übergib ihn Jim.“ Der Neger verneigte sich schweigend, führte den Indianer aus dem weißen Haus, hinweg über den Christo bereits bekannten Hof und klopfte an die eiserne Pforte der Innenmauer.

Hinter der Mauer erklang Hundegebell, die Pforte quietschte und öffnete sich langsam. Der Neger schob Christo in den Garten einem anderen dort stehenden Neger zu, rief etwas mit unverständlichen Kehllauten und verschwand wieder hinter der Tür.

Erschreckt drückte sich Christo an die Wand. Mit brüllendem Gebell stürzten unbekannte, dunkelge fleckte Bestien auf ihn zu. Hätte Christo sie in den Pampas getroffen, hätte er sie sofort als Jaguare erkannt, aber diese herbeistürmenden Bestien bellten wie Hunde.

Zur Zeit war es Christo gleichgültig, welche Art von Bestien ihn da überfielen. Er sprang zum nächsten Baum und erkletterte ihn mit überraschender Geschwindigkeit. Der Neger zischte die Hunde an wie eine gereizte Kobra.

Das beruhigte die Hunde sofort, sie hörten auf zu bellen und legten sich auf die Erde. Die Köpfe auf den ausgestreckten Pfoten, schielten sie nach dem Neger.

Dieser wandte sich dem auf dem Baum sitzenden Indianer zu und bedeutete Christo mit den Armen, herunterzukommen.

„Was zischst du wie eine Schlange?“ fragte Christo, ohne seine Zuflucht zu verlassen. „Hast wohl deine Zunge verschluckt?“

Der Neger antwortete mit einem zornigen Gestammel.

Wahrscheinlich ist er stumm, überlegte Christo und erinnerte sich schaudernd an Salvators Warnung. Ob Salvator wirklich die Zungen der Dienstleute abschnitt, die sein Geheimnis verrieten? Womöglich hat auch dieser Neger deshalb keine Zunge mehr. Christo wäre vor Schreck fast vom Baum gefallen. Er wollte so schnell wie möglich fliehen und schätzte die Entfernung von seinem Baum bis zur Mauer ab. Nein, es war unmöglich, mit einem Sprung hinüber zugelangen.

Der Neger saß unter dem Baum, packte den Indianer am Fuß und zerrte ihn ungeduldig abwärts. Dem Indianer blieb keine Wahl. Christo sprang vom Baum herunter, setzte ein gezwungenes Lächeln auf, streckte seine Hand aus und fragte freundschaftlich: „Jim?“ Der Neger nickte, Christo drückte fest die Hand des ihm Gegenüberstehenden. Wenn man in der Hölle ist, muß man mit dem Teufel tanzen, dachte er und fügte laut hinzu: „Bist du taub?“

Der Neger schwieg.

„Hast du keine Zunge?“

Der Neger schwieg beharrlich.

Wie kann ich ihm bloß mal in den Mund sehen? überlegte Christo. Aber Jim versuchte nicht einmal eine mimische Verständigung. Er ergriff Christo bei der Hand und führte ihn zu den Bestien, zischte ihnen etwas zu, so daß sie sich sofort erhoben, an Christo herumschnüffelten und sich beruhigt entfernten. Ihm wurde es leichter ums Herz.

Jim forderte Christo mit einer Handbewegung auf, den Garten zu besichtigen.

Nach der Öde des steingepflasterten Hofes überraschte der Garten mit einer üppig grünenden und blühenden Fülle an Gewächsen. Das Territorium erstreckte sich ostwärts langsam abfallend zum Meer. Die schmalen Wege führten in verschiedenen Richtungen auseinander. Sie waren mit rötlichem Muschelsand bestreut. Neben den Wegen wuchsen seltsam geformte Kakteen, blaugrüne saftige Agaven und Rispen mit einer Vielzahl gelblich-grüner Blüten. Ganze Haine von Pfirsich- und Olivenbäumen warfen ihre Schatten auf das dichte, mit vielen leuchtend bunten Blumen durchwachsene Gras. Zwischen dem saftigen Grün blinkten Wasserbecken, belegt mit weißen Sandsteinen. Hohe Springbrunnen erfrischten die Luft. Der Garten war von einem seltsamen Stimmengewirr erfüllt — dem Singen und Zwitschern der Vögel, dem Brüllen, Schnauben und Winseln der Tiere. Noch nie hatte Christo solche ungewöhnlichen Exemplare gesehen. In diesem Garten lebten ihm völlig unbekannte Tierarten. Eine sechsfüßige Eidechse lief mit kupfer-grünen Schuppen funkelnd über den Weg. Von einem Baumast hing eine zweiköpfige Schlange herab. Entsetzt sprang Christo beiseite, als ihn das Reptil aus zwei roten Mäulern anzischte. Der Neger stieß ein noch lauteres Zischen aus, die Schlange fiel, beide Köpfe schwingend, vom Baum und verbarg sich im dichten Gebüsch. Eine weitere Schlange bewegte sich auf zwei Pfoten rasch vom Weg. Hinter einem Drahtzaun grunzte ein Ferkel. Mitten auf der Stirn hatte es ein einziges Auge, mit dem es Christo anstarrte.