44
— Die Evangelien sind unschätzbar als Zeugniss für die bereits unaufhaltsame Corruption innerhalb der ersten Gemeinde. Was Paulus später mit dem Logiker-Cynismus eines Rabbiners zu Ende führte, war trotzdem bloss der Verfalls-Prozess, der mit dem Tode des Erlösers begann. — Diese Evangelien kann man nicht behutsam genug lesen; sie haben ihre Schwierigkeiten hinter jedem Wort. Ich bekenne, man wird es mir zu Gute halten, dass sie eben damit für einen Psychologen ein Vergnügen ersten Ranges sind, — als Gegensatz aller naiven Verderbniss, als das Raffinement par excellence, als Künstlerschaft in der psychologischen Verderbniss. Die Evangelien stehn für sich. Die Bibel überhaupt verträgt keinen Vergleich. Man ist unter Juden: erster Gesichtspunkt, um hier nicht völlig den Faden zu verlieren. Die hier geradezu Genie werdende Selbstverstellung ins» Heilige«, unter Büchern und Menschen nie annähernd sonst erreicht, diese Wort- und Gebärden-Falschmünzerei als Kunst ist nicht der Zufall irgend welcher Einzel-Begabung, irgend welcher Ausnahme-Natur. Hierzu gehört Rasse. Im Christenthum, als der Kunst, heilig zu lügen, kommt das ganze Judenthum, eine mehrhundertjährige jüdische allerernsthafteste Vorübung und Technik zur letzten Meisterschaft. Der Christ, diese ultima ratio der Lüge, ist der Jude noch einmal — drei Mal selbst… — Der grundsätzliche Wille, nur Begriffe, Symbole, Attitüden anzuwenden, welche aus der Praxis des Priesters bewiesen sind, die Instinkt-Ablehnung jeder andren Praxis, jeder andren Art Werth- und Nützlichkeits-Perspektive — das ist nicht nur Tradition, das ist Erbschaft: nur als Erbschaft wirkt es wie Natur. Die ganze Menschheit, die besten Köpfe der besten Zeiten sogar (Einen ausgenommen, der vielleicht bloss ein Unmensch ist hat sich täuschen lassen. Man hat das Evangelium als Buch der Unschuld gelesen…: kein kleiner Fingerzeig dafür, mit welcher Meisterschaft hier geschauspielert worden ist. — Freilich: würden wir sie sehen, auch nur im Vorübergehn, alle diese wunderlichen Mucker und Kunst-Heiligen, so wäre es am Ende, — und genau deshalb, weil ich keine Worte lese ohne Gebärden zu sehn, mache ich mit ihnen ein Ende… Ich halte eine gewisse Art, die Augen aufzuschlagen, an ihnen nicht aus. — Zum Glück sind Bücher für die Allermeisten bloss Litteratur — Man muss sich nicht irreführen lassen:»richtet nicht!«sagen sie, aber sie schicken Alles in die Hölle, was ihnen im Wege steht. Indem sie Gott richten lassen, richten sie selber; indem sie Gott verherrlichen, verherrlichen sie sich selber; indem sie die Tugenden fordern, deren sie gerade fähig sind — mehr noch, die sie nöthig haben, um überhaupt oben zu bleiben — , geben sie sich den grossen Anschein eines Ringens um die Tugend, eines Kampfes um die Herrschaft der Tugend.»Wir leben, wir sterben, wir opfern uns für das Gute«(— die» Wahrheit«,»das Licht«, das» Reich Gottes«): in Wahrheit thun sie, was sie nicht lassen können. Indem sie nach Art von Duckmäusern sich durchdrücken, im Winkel sitzen, im Schatten schattenhaft dahinleben, machen sie sich eine Pflicht daraus: als Pflicht erscheint ihr Leben als Demuth, als Demuth ist es ein Beweis mehr für Frömmigkeit… Ah diese demüthige, keusche, barmherzige Art von Verlogenheit!» Für uns soll die Tugend selbst Zeugniss ablegen«… Man lese die Evangelien als Bücher der Verführung mit Moraclass="underline" die Moral wird von diesen kleinen Leuten mit Beschlag belegt, — sie wissen, was es auf sich hat mit der Moral! Die Menschheit wird am besten genasführt mit der Moral! — Die Realität ist, dass hier der bewussteste Auserwählten-Dünkel die Bescheidenheit spielt: man hat sich, die» Gemeinde«, die» Guten und Gerechten «ein für alle Mal auf die Eine Seite gestellt, auf die» der Wahrheit«— und den Rest,»die Welt«, auf die andre… Das war die verhängnissvollste Art Grössenwahn, die bisher auf Erden dagewesen ist: kleine Missgeburten von Muckern und Lügnern fiengen an, die Begriffe» Gott«»Wahrheit«»Licht«»Geist«»Liebe«»Weisheit «Leben «für sich in Anspruch zu nehmen, gleichsam als Synonyma von sich, um damit die» Welt «gegen sich abzugrenzen, kleine Superlativ-Juden, reif für jede Art Irrenhaus, drehten die Werthe überhaupt nach sich um, wie als ob erst der Christ der Sinn, das Salz, das Maass, auch das letzte Gericht vom ganzen Rest wäre… Das ganze Verhängniss wurde dadurch allein ermöglicht, dass schon eine verwandte, rassenverwandte Art von Grössenwahn in der Welt war, der jüdische: sobald einmal die Kluft: zwischen Juden und Juden-Christen sich aufriss, blieb letzteren gar keine Wahl, als dieselben Prozeduren der Selbsterhaltung, die der jüdische Instinkt anrieth, gegen die Juden selber anzuwenden, während die Juden sie bisher bloss gegen alles Nicht-jüdische angewendet hatten. Der Christ ist nur ein Jude» freieren «Bekenntnisses. -
45
— Ich gebe ein Paar Proben von dem, was sich diese kleinen Leute in den Kopf gesetzt, was sie ihrem Meister in den Mund gelegt haben: lauter Bekenntnisse» schöner Seelen«. —
«Und welche euch nicht aufnehmen und hören, da geht von dannen hinaus und schüttelt den Staub ab von euren Füssen, zu einem Zeugniss über sie. Ich sage euch.- Wahrlich, es wird Sodom und Gomorrha am jüngsten Gerichte erträglicher ergehn, denn solcher Stadt«(Marc. 6,11) — Wie evangelisch!…
«Und wer der Kleinen Einen ärgert, die an mich glauben, dem wäre es besser, dass ihm ein Mühlstein an seinen Hals gehängt würde und er in das Meer geworfen würde«(Marc. 9,42) — Wie evangelisch!…
«Ärgert dich dein Auge, so wirf es von dir. Es ist dir besser, dass du einäugig in das Reich Gottes gehest, denn dass du zwei Augen habest und werdest in das höllische Feuer geworfen; da ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht erlischt«(Marc. 9, 47) — Es ist nicht gerade das Auge gemeint…
«Wahrlich, ich sage euch, es stehen Etliche hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis dass sie sehen das Reich Gottes in Kraft kommen«(Marc. 9, 1). — Gut gelogen, Löwe…
«Wer mir will nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn…«(Anmerkung eines Psychologen. Die christliche Moral wird durch ihre Denn's widerlegt: ihre» Gründe «widerlegen, — so ist es christlich) Marc. 8, 34. —
«Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Mit welcherlei Mass ihr messet, wird euch gemessen werden.«(Matth- 7, 1) — Welcher Begriff von Gerechtigkeit, von einem» gerechten «Richter!…
«Denn so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Thun nicht dasselbe auch die Zöllner? Und so ihr nur zu euren Brüdern freundlich thut, was thut ihr Sonderliches? Thun nicht die Zöllner auch also?«(Matth. 5, 46) — Princip der» christlichen Liebe«: sie will zuletzt gut bezahlt sein…
«Denn so ihr den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, wird euch euer Vater im Himmel auch nicht vergeben«(Matth. 6, 15) — Sehr compromittirend für den genannten» Vater»…
«Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches Alles zufallen«(<Matth 6,33>). Solches Alles. nämlich Nahrung, Kleidung, die ganze Nothdurft des Lebens. Ein Irrthum, bescheiden ausgedrückt… Gleich darauf erscheint Gott als Schneider, wenigstens in gewissen Fällen…
«Freuet euch alsdann und hüpfet: denn siehe, euer Lohn ist gross im Himmel. Desgleichen thaten ihre Väter den Propheten auch«(< Luc. 6, 23 >) Unverschämtes Gesindel! Es vergleicht sich bereits mit den Propheten…
«Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnet? So jemand den Tempel Gottes verderbet, den wird Gott verderben: denn der Tempel Gottes ist heilig, der seid ihr«(Paul. I Cor. 3, 16) — Dergleichen kann man nicht genug verachten…
«Wisset ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? So denn nun die Welt soll von euch gerichtet (werden): seid ihr denn nicht gut genug, geringere Sachen zu richten?«(Paul. I Cor. 6, 2) Leider nicht bloss die Rede eines Irrenhäuslers… Dieser fürchterliche Betrüger fährt wörtlich fort:»Wisset ihr nicht, dass wir über die Engel richten werden? Wie viel mehr über die zeitlichen Güter!»…
«Hat nicht Gott die Weisheit dieser Welt zur Thorheit gemacht? Denn dieweil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch thörichte Predigt selig zu machen die, so daran glauben. Nicht viel Weise nach dem Fleische, nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen. Sondern was thöricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählet, dass er die Weisen zu Schanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählet, dass er zu Schanden mache, was stark ist. Und das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählet, und das da Nichts ist, dass er zu Nichte mache, was Etwas ist. Auf dass sich vor ihm kein Fleisch rühme«(Paul. I Cor. I, 20 ff) — Um diese Stelle, ein Zeugniss allerersten Ranges für die Psychologie jeder Tschandala-Moral, zu verstehn, lese man die erste Abhandlung meiner Genealogie der Moraclass="underline" in ihr wurde zum ersten Mal der Gegensatz einer vornehmen und einer aus Ressentiment und ohnmächtiger Rache gebornen Tschandala-Moral an's Licht gestellt. Paulus war der grösste aller Apostel der Rache…
46
— Was folgt daraus? Dass man gut thut, Handschuhe anzuziehn, wenn man das neue Testament liest. Die Nähe von so viel Unreinlichkeit zwingt beinahe dazu. Wir würden uns» erste Christen «so wenig wie polnische Juden zum Umgang wählen: nicht dass man gegen sie auch nur einen Einwand nöthig hätte… Sie riechen beide nicht gut. — Ich habe vergebens im neuen Testamente auch nur nach Einem sympathischen Zuge ausgespäht; Nichts ist darin, was frei, gütig, offenherzig, rechtschaffen wäre. Die Menschlichkeit hat hier noch nicht ihren ersten Anfang gemacht, — die Instinkte der Reinlichkeit fehlen… Es giebt nur schlechte Instinkte im neuen Testament, es giebt keinen Muth selbst zu diesen schlechten Instinkten. Alles ist Feigheit, Alles ist Augen-Schliessen und Selbstbetrug darin.
Jedes Buch wird reinlich, wenn man eben das neue Testament gelesen hat: ich las, um ein Beispiel zu geben, mit Entzücken unmittelbar nach Paulus jenen anmuthigsten, übermüthigsten Spötter Petronius, von dem man sagen könnte, was Domenico Boccaccio über Cesare Borgia an den Herzog von Parma schrieb:»é tutto festo«— unsterblich gesund, unsterblich heiter und wohlgerathen… Diese kleinen Mucker verrechnen sich nämlich in der Hauptsache. Sie greifen an, aber Alles, was von ihnen angegriffen wird, ist damit ausgezeichnet. Wen ein» erster Christ «angreift, den besudelt er nicht… Umgekehrt: es ist eine Ehre,»erste Christen «gegen sich zu haben. Man liest das neue Testament nicht ohne eine Vorliebe für das, was darin misshandelt wird, — nicht zu reden von der» Weisheit dieser Welt«, welche ein frecher Windmacher» durch thörichte Predigt «umsonst zu Schanden zu machen sucht… Aber selbst die Pharisäer und Schriftgelehrten haben ihren Vortheil von einer solchen Gegnerschaft: sie müssen schon etwas werth gewesen sein, um auf eine so unanständige Weise gehasst zu werden. Heuchelei — das wäre ein Vorwurf, den» erste Christen «machen dürften! — Zuletzt waren es die Privilegirten: dies genügt, der Tschandala-Hass braucht keine Gründe mehr. Der» erste Christ«— ich fürchte, auch der» letzte Christ«, den ich vielleicht noch erleben werde- ist Rebell gegen alles Privilegirte aus unterstem Instinkte, — er lebt, er kämpft immer für» gleiche Rechte«… Genauer zugesehn, hat er keine Wahl. Will man, für seine Person, ein» Auserwählter Gottes «sein — oder ein» Tempel Gottes«, oder ein» Richter der Engel«—, so ist jedes andre Princip der Auswahl, zum Beispiel nach Rechtschaffenheit, nach Geist, nach Männlichkeit und Stolz, nach Schönheit und Freiheit des Herzens, einfach» Welt«, — das Böse an sich… Moraclass="underline" jedes Wort im Munde eines» ersten Christen «ist eine Lüge, jede Handlung, die er thut, eine Instinkt-Falschheit, — alle seine Werthe, alle seine Ziele sind schädlich, aber wen er hasst, was er hasst, das hat Werth… Der Christ, der Priester-Christ in Sonderheit, ist ein Kriterium für Werthe — Habe ich noch zu sagen, dass im ganzen neuen Testament bloss eine einzige Figur vorkommt, die man ehren muss? Pilatus, der römische Statthalter. Einen Judenhandel ernst zu nehmen — dazu überredet er sich nicht. Ein Jude mehr oder weniger — was liegt daran?… Der vornehme Hohn eines Römers, vor dem ein unverschämter Missbrauch mit dem Wort» Wahrheit «getrieben wird, hat das neue Testament mit dem einzigen Wort bereichert, das Werth hat, — das seine Kritik, seine Vernichtung selbst ist:»was ist Wahrheit!»…