Er verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Eigentlich gehört es mir gar nicht.«
»Nicht?«
»Streng genommen ist dieses Gebäude ein Forschungszentrum. Es befindet sich im Besitz des Humphries Trust und wird gemeinsam von einem Konsortium irdischer Universitäten und dem Lenkungsausschuss von Selene betrieben.«
Pancho nahm einen Schluck Champagner und versuchte das auf die Reihe zu bekommen.
»Ich wohne hier, wenn ich mich in Selene aufhalte«, sagte Humphries. «Die wissenschaftlichen Mitarbeiter belegen den anderen Trakt des Hauses.«
»Aber sie leben nicht hier?«
Er lachte. »Nein, sie leben ein paar Ebenen höher in… ähem… einfacheren Unterkünften.«
»Und Sie dürfen hier mietfrei wohnen.«
»Einer der Vorzüge des Reichtums«, sagte Humphries mit einer lässigen Geste.
»Die Reichen werden immer reicher.«
»Oder sie verlieren ihren ganzen Reichtum.«
Pancho nickte und fragte: »Was wird hier unten eigentlich erforscht?«
»Die Mond-Ökologie«, erwiderte Humphries. »Man sucht nach einer Möglichkeit, erdähnliche Ökologien hier auf dem Mond zu etablieren.«
»Wie die Grand Plaza weiter oben.«
»Ja. Aber als vollständig geschlossener Kreislauf, damit die Trinkwasserversorgung überflüssig wird.«
»Deshalb auch die vielen Blumen und Bäume.«
»Richtig. Die Forscher haben einen paradiesischen Garten anzulegen vermocht, gewiss, aber das war mit unglaublichen Kosten verbunden. Er ist sehr arbeitsintensiv, weil es weder Vögel noch Insekten gibt, die die Pflanzen bestäuben. Die Idioten, die Selenes Umweltschutz-Abteilung leiten, haben es mir verboten, welche herzubringen. Als ob die Viecher sich selbstständig machen könnten! Die Typen sind so borniert und engstirnig, dass sie mit beiden Augen durchs Schlüsselloch linsen könnten.«
Pancho lächelte ihn an und erinnerte sich daran, welche Hürden sie hatte überwinden müssen, um Elly und ihr Futter nach Selene zu bringen. Ich muss es schlauer anstellen als er, sagte sie sich. Oder vielleicht lassen Selenes Behörden sich auch nicht gern von Mega-Milliardären herumschubsen.
»Und diese Vollspektrum-Lampen verschlingen ein Vermögen an Stromkosten«, fuhr Humphries fort.
»Strom ist doch aber billig hier, oder?«
Humphries nahm einen großen Schluck Champagner und sagte: »Er wird billig werden, wenn die große Sonnenenergie-Farm an der Oberfläche erst einmal fertig gestellt ist… und die supraleitenden Akkus, die die elektrische Energie nachts speichern. Das bedingt aber hohe Kapitalkosten.«
»Ja, aber wenn die Ausrüstung erst einmal in Betrieb genommen wurde, sind die Betriebskosten doch minimal.«
»Außer der Wartung.«
»Sie meinen, die Solarfarmen auf der Oberfläche sauber zu halten. Ja, ich schätze, das ist nicht billig.«
»Überhaupt jede Arbeit an der Oberfläche ist verdammt teuer«, knurrte er.
»Wie reich sind Sie eigentlich?«, fragte sie unverblümt.
Humphries spie zwar nicht den Champagner aus, aber er musste doch schwer schlucken.
»Ich meine, gehört Ihnen ein Teil dieses Anwesens oder wohnen Sie nur hier?«, präzisierte Pancho.
Er ließ sich mit der Antwort einen Moment Zeit. »Mein Großvater hat sein Vermögen beim großen ›Dot-com‹-Boom um die Jahrhundertwende gemacht«, sagte er dann. »Gramps war so schlau, bei steigenden Kursen zu kaufen und auszusteigen, ehe die Blase platzte.«
»Was ist ein ›Dot-com‹?«, fragte Pancho.
»Mein Vater hat einen Hochschulabschluss in Biologie und Rechtswissenschaft gemacht«, fuhr Humphries fort, ohne auf ihre Frage einzugehen. »Er hat sich in einem halben Dutzend Biotech-Firmen eingekauft und eins der größten Vermögen auf der Erde angehäuft.«
»Und welchen Abschluss haben Sie?«
»Ich habe einen MBA von Wharton und einen JD von Yale.«
»Dann sind Sie also ein Rechtsanwalt?«
»Ich habe nie als Anwalt praktiziert.«
Vor Panchos geistigem Auge leuchtete eine rote Warnlampe auf. Er hat ausweichend geantwortet, sagte sie sich. Aber was soll man von einem Anwalt auch anderes erwarten? Sie erinnerte sich an den alten Ausspruch: Woran erkennt man, dass ein Anwalt lügt? Indem man ihm auf den Mund schaut.
»Was praktizieren Sie denn?«, fragte sie, wobei sie betont nonchalant zu klingen versuchte.
Er lächelte wieder, und diesmal wirkte das Lächeln sogar warmherzig. »Ach… hauptsächlich Geld verdienen. Das scheint mir am besten zu gelingen.«
Pancho ließ den Blick durch die luxuriös ausgestattete Bibliothek schweifen und sagte: »Im Geldausgeben scheinen Sie auch recht bewandert zu sein.«
Humphries lachte laut. »Ja, das ist gut möglich. Ich gebe aber auch viel für Frauen aus.«
Wie aufs Stichwort erschien eine dralle Rothaarige in einem hautengen Metallise-Body in der Tür zum Esszimmer, ein schlankes Aperitif-Glas in der manikürten Hand. »Sag, Humpy, wann wird endlich das Essen serviert?«, fragte sie mit einem Schmollmund. »Ich sterbe vor Hunger.«
Er wurde vor Zorn blass im Gesicht. »Ich habe dir doch gesagt«, stieß er zwischen den Zähnen hervor, »dass ich in einer geschäftlichen Besprechung bin. Ich komme zu dir, wenn ich hier fertig bin.«
»Aber ich sterbe vor Hunger«, quengelte die Rothaarige.
Humphries warf Pancho einen Blick zu und sagte mit leiser Stimme: »Ich bin in ein paar Minuten bei dir.«
Der Rotschopf musterte Pancho von Kopf bis Fuß, grinste und trollte sich.
»Ich bitte wegen der Störung um Verzeihung«, sagte der sichtlich um Beherrschung ringende Humphries.
Pancho zuckte die Achseln. Dann bin ich also nicht zum Essen eingeladen, sagte sie sich. Hätte ich mir auch denken können.
»Ist das Ihre Frau?«, fragte sie cool.
»Nein.«
»Aber Sie sind doch verheiratet, oder?«
»Zweimal.«
»Sind Sie jetzt verheiratet?«
»Ja, aber nur auf dem Papier. Unsere Anwälte arbeiten gerade eine Scheidungsvereinbarung aus.«
Pancho schaute ihm geradewegs in die eisigen grauen Augen. Der Zorn loderte noch immer in ihm, aber er hatte ihn nun unter Kontrolle. Er wirkte geradezu unheimlich ruhig.
»In Ordnung«, sagte sie, »bringen wir die Geschäftsbesprechung hinter uns, damit Sie zu Abend essen können.«
Humphries griff wieder zum Glas, leerte es und stellte es vorsichtig auf die Bar. »In Ordnung«, sagte er und schaute Pancho an. »Ich will Sie einstellen.«
»Ich habe aber schon einen Job«, sagte sie.
»Ich weiß, als Pilot für Astro Manufacturing. Sie arbeiten seit über sechs Jahren für diese Firma.«
»Wirklich?«
»Sie müssen auch gar nicht bei Astro kündigen. Ich möchte sogar, dass Sie dort bleiben. Die Aufgabe, die ich für Sie vorgesehen habe, erfordert es nämlich, dass Sie Ihre Stelle bei Astro behalten.«
Pancho verstand sofort. »Sie wollen, dass ich die Firma ausspioniere.«
»Das ist ziemlich hart ausgedrückt«, sagte Humphries. Er wandte den Blick von ihr ab und richtete ihn dann wieder auf sie. »Aber es stimmt, ich brauche jemanden, der ein wenig Industriespionage für mich betreibt, und Sie wären in Ihrer Stellung die Idealbesetzung.«
Pancho überlegte nicht zweimal. »Über wie viel Geld reden wir hier?«
Cuenca
Dan Randolph spürte einen Anflug von Schwindel, als er am Hotelfenster stand und in die zerklüftete Schlucht des Flusses Júcar hinabschaute.
Das ist doch verrückt, sagte er sich. Du bist schon in Wolkenkratzern gewesen, die viel höher waren als dieses Gebäude. Du hast die Spitze von Raketen-Starttürmen erklommen. Du bist in den Grand Canyon abgestiegen und hast im Orbit Weltraumspaziergänge unternommen, um Himmels willen, bei denen du Hunderte von Meilen über der Erde geschwebt bist und nicht einmal durch eine Leine gesichert warst.