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»Glaubst du, dass es Regen gibt?«, flüsterte Amanda.

Pancho schaute zu den dräuenden Gewitterwolken auf. »Früher oder später.«

»Wir sind startbereit«, sagte Duncan schließlich zu Randolph.

»In Ordnung«, entgegnete Randolph. »Bringen wir's hinter uns, ehe der Wolkenbruch einsetzt.«

»Start!«, befahl Duncan.

Pancho richtete ihre Aufmerksamkeit auf die im Gras liegende Rakete. Zunächst tat sich überhaupt nichts, doch dann spie das Heck plötzlich Feuer, und die Rakete ruckte an. Das hochfrequente Kreischen des Düsentriebwerks war kaum an Panchos Ohren gedrungen, als es auch schon von einem anderen Geräusch überlagert wurde: einem tiefen, machtvollen Dröhnen. Die Rakete löste sich vom Boden und schoss im spitzen Winkel in den wolkenverhangenen Himmel, wobei sie eine Rauchschleppe hinter sich herzog.

Irgendetwas fiel von der emporsteigenden Rakete ab. Eine Triebwerksstufe, sagte Pancho sich. Damit haben sie den Vogel vom Boden weggebracht.

Der Flugkörper ging in einer Höhe von knapp hundert Metern in die Horizontale und umkreiste einmal das Feld.

»Nominaler Flug«, rief ein Ingenieur.

»Fusionsantrieb bereit?«, fragte Duncan.

»Aktiviert und bereit.«

»Zünden!«

Die Rakete schien mitten in der Luft stehen zu bleiben und abzustürzen. Pancho sah, dass der qualmende Abgasstrahl abriss und hörte, dass das Kreischen des Triebwerks erstarb. Die Rakete ging in den Gleitflug über und verlor an Höhe.

Dann schien sie sich in der Luft zu verbeißen, hob die Nase und stieg steil in die Höhe, begleitet von einem dünnen kreischenden Wimmern.

»Programmierte Flugbahn«, hörte Pancho jemanden rufen. »Alles im grünen Bereich.«

Der Vogel flog aufs Meer hinaus, bis er zu einem kaum noch sichtbaren Punkt geschrumpft war und raste dann wieder auf sie zu. Die Rakete stieg fast bis auf die Höhe der Gewitterwolken, so dass das gespenstische Heulen kaum noch zu hören war und flog landeinwärts. Dann wendete sie und nahm wieder Kurs aufs Meer. Eine Rennstrecke, sagte Pancho sich.

Plötzlich zuckten Blitze durch die Wolken.

»Nähert sich der Zwei-Minuten-Marke«, sagte einer der Ingenieure. »Marke! Zwei Minuten.«

»Bring sie rein«, befahl Duncan.

»Automatische Trajektorie«, antwortete jemand.

Pancho sah, wie die Rakete wieder auf sie zuflog, die Landeklappen ausfuhr, verzögerte und sanft an der Stelle landete, von der aus sie gestartet war. Das Gras war dort beim Start durch die heißen Abgase der Rakete versengt worden.

Pancho drehte sich um und sah Randolph draußen vor der Tür stehen. Er hatte den Blick auf die anfliegende Rakete geheftet, den Mund leicht geöffnet und die Fäuste geballt.

Die Rakete war noch immer schnell, als sie Bodenberührung hatte. Sie machte noch einen Satz, fiel wieder auf den Boden und pflügte dann mit der Nase durchs Erdreich, wobei sie Grassoden und Steine aufwirbelte. Schließlich drehte sie sich auf den Rücken und schlug dabei so hart auf, dass eine Tragfläche abbrach. Es hörte sich an, als ob ein ganzer Schrottplatz vom Himmel gefallen wäre.

Doch die Ingenieure und Techniker jubelten, machten Luftsprünge, klopften sich gegenseitig auf den Rücken und schrien und fuchtelten mit den Händen wie eine Mannschaft, die bei den Olympischen Spielen eine Goldmedaille errungen hatte. Randolph riss sich die Kappe vom Kopf und warf sie in Richtung Meer.

»Das ist ein Kracher!«, rief Duncan. Er rannte durch die offene Tür auf Randolph zu, warf sich ihm an den Hals und klammerte sich wie ein Affe an ihn. Randolph taumelte rückwärts, und dann fielen sie beide auf den Boden und schütteten sich aus vor Lachen.

Pancho schaute Amanda an. Sie wirkte genauso verwirrt, wie Pancho sich fühlte.

»Jede Landung, nach der man noch einen Schritt zu tun vermag, ist wohl eine gute Landung«, sagte Pancho mit einem Achselzucken.

Amanda schüttelte den Kopf. »Ich glaube, dass du keinen einzigen Schritt mehr tun würdest, wenn du in dem Ding mit geflogen wärst.«

Randolph löste sich aus Duncans Umklammerung und erhob sich vom Boden. Er klopfte sich den Staub von der Jacke und ging zu Amanda und Pancho hinüber, während Duncan zum Schuppen schlurfte.

»Es funktioniert!«, sagte Randolph. »Sie sind Augenzeugen eines historischen Moments geworden, meine Damen. Des ersten Flugs eines fusionsgetriebenen Flugkörpers.«

»Fusion?«, fragte Pancho und schaute ihn mit offenem Mund an. »Wollen Sie damit sagen, dieser Vogel ist mit einem Fusionsantrieb bestückt?«

»Aber ich dachte, Fusionsgeneratoren wären Apparate in der Größe von Kraftwerken«, sagte Amanda.

Duncan kam mit einer dunklen Flasche in der Hand zu ihnen gerannt. Der Rest der Mannschaft scharte sich um sie. Pancho fragte sich, wieso niemand sich um das Wrack des Fluggeräts kümmerte, das noch immer im Gras lag.

Jemand trieb Pappbecher auf, die Duncan schwungvoll mit Hochprozentigem füllte. Zuerst hielt Pancho die Flüssigkeit für Champagner, bis sie sah, dass die Flasche dafür nicht die richtige Form hatte. Scotch, sagte sie sich. Schottlands Geschenk an die Welt.

»He«, sagte Randolph, »da fehlt noch Eis.«

Duncan schauderte sichtlich. »Eis? In einem guten Whisky? Ihr Amerikaner seid Banausen.«

Pancho trank einen kleinen Schluck. »Toll«, stieß sie hervor.

»Auf den Duncan-Antrieb«, sagte Randolph und hob den Pappbecher.

»Zu den Sternen!«, entgegnete Duncan. »Eines Tages werden wir mit diesem Antrieb nach Alpha Centauri fliegen!«

Randolph lachte. »Der Asteroidengürtel ist fürs Erste weit genug entfernt.«

Zwei Männer leerten die Becher in einem Zug und trotteten dann zum schrottreifen Marschflugkörper. Andere gingen zur Baracke.

»Kontrolliert auch die Kameras«, rief Duncan ihnen nach.

»In diesem kleinen Flugkörper steckt ein Fusionsantrieb?«, wiederholte Pancho die Frage an Randolph.

»Anstelle des Gefechtskopfs«, erwiderte Randolph mit einem Kopfnicken.

»Ist das Triebwerk denn so klein?«

»Es ist bloß ein Mini-Testtriebwerk«, sagte Duncan. »Es sollte nur beweisen, dass es genügend Schub zu produzieren vermag.«

»Nun werden wir einen Antrieb bauen, der groß genug ist, um eine praktikable Nutzlast zum Gürtel zu transportieren«, sagte Randolph.

»Nachdem Sie das Geld dafür aufgetrieben haben«, ergänzte Duncan.

»Aber wieso wollten Sie, dass Mandy und ich dabei sind?«, wandte Pancho sich mit einem Seitenblick auf Amanda an Randolph. »Nur um noch ein paar Augenzeugen zu haben?«

Randolphs Grinsen wurde noch breiter. »Teufel, nein«, sagte er. »Ich wollte, dass Sie sich das ansehen, weil Sie beide nämlich die erste Fusionsrakete zum Asteroidengürtel fliegen werden.«

Neu Kyoto

Das Anwesen der Familie Yamagata war in einer zerklüfteten Hügellandschaft hoch über den Bürotürmen und Wohnblöcken von Kyoto gelegen. Beim Anblick der massiven und doch eleganten Gebäude im Stil einer mittelalterlichen Festung musste Dan an Poesie denken, die zu Formen aus Holz und Stein geronnen war. Er wusste, dass das Anwesen durch die Erdbeben stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, aber davon war nichts mehr zu sehen. Die Gebäude waren anhand der Originalpläne meisterlich restauriert worden.

Der größte Teil des Innenhofs wurde von einem penibel gepflegten Sandgarten eingenommen, zu dem es viele grüne Kontrapunkte gab: Gärten und Haine, und in der Ferne fiel der Blick durch hohe alte Bäume auf den See Biwa, der im Licht der Nachmittagssonne glitzerte.

Das Kipprotorflugzeug landete mit kreischenden Turbinen im Außenhof. Dan streifte den Mundschutz ab und löste den Sicherheitsgurt. Er war schon durch die Luke gestiegen, ehe der Pilot die Rotoren abzustellen vermochte. Durch den Staub, der durch die Landung aufgewirbelt worden war, sah Dan Nobuhiko Yamagata am Tor zum Innenhof warten. Er trug einen dunkelblauen, mit weißen Kranichen verzierten Kimono, das Wappenzeichen der Familie Yamagata.