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Dan beugte sich nach vorn und stützte die Ellbogen auf die Schenkel. »In Ordnung. Ich weiß nun Bescheid. Aber bring Sais Körper trotzdem nach Selene. Sofort! Ehe diese religiösen Fanatiker seine Verlegung verhindern.«

Nobuhiko nickte düster. »Ich glaube, dass du Recht hast, Dan. Im Grunde war ich mir dessen seit einiger Zeit selbst schon bewusst, aber ich bin trotzdem froh, dass du mich noch einmal darin bestärkst.«

»Ich werde nächste Woche nach Selene zurückfliegen«, sagte Dan. »Wenn du möchtest, werde ich ihn mitnehmen.«

»Lieb von dir, aber das ist eine Familienangelegenheit. Ich werde mich selbst darum kümmern.«

Dan nickte. »In Ordnung. Aber wenn du Hilfe brauchst — egal worum es sich handelt —, lass es mich wissen.«

Nobuhiko lächelte wieder, und diesmal strahlte er zum ersten Mal echte Wärme aus. »Das werde ich tun, Dan. Das werde ich ganz bestimmt tun.«

»Gut.«

Nobuhiko rieb sich die Augen und schaute wieder zu Dan hoch. »Ich habe dir also mein Problem geschildert. Und nun erzähl du mir, wo dich der Schuh drückt. Was führt dich her?«

Dan grinste ihn an. »Ach, es ist nur eine Kleinigkeit. Ich brauche nur ein paar Milliarden Dollar.«

Nobo verzog für eine Weile keine Miene. »Ist das alles?«, fragte er dann.

»Ja. Zwei Milliarden müssten genügen.«

»Und was bekomme ich als Gegenleistung für eine solche Investition?«

»Ein paar Raketen«, erwiderte Dan mit einem Lachen.

La Guaira

Pancho schaute mit verquollenen Augen vom Computerbildschirm auf. Im Raum, den sie und Amanda sich teilten, saß Mandy mit einer Virtuelle-Realität-Brille und einem klobigen Kopfhörer am Schreibtisch und schaute konzentriert auf ihren Monitor.

»Ich vertrete mir mal die Füße«, sagte sie so laut, dass Mandy sie trotz des Kopfhörers hörte.

Amanda nickte, ohne die VR-Brille abzunehmen. Pancho warf einen Blick auf den Bildschirm, aber er zeigte nichts außer einem Gewirr von alphanumerischen Zeichen. Womit auch immer Mandy beschäftigt war, es spielte sich auf der Brille und nicht auf dem Computerbildschirm ab.

Das Wohnheimzimmer öffnete sich direkt auf den Innenhof. Als Pancho nach draußen ging, sah sie zu ihrem Verdruss, dass die Sonne bereits unterging. Der Spätnachmittag war noch immer tropisch warm und feucht, was sie nach dem Aufenthalt im klimatisierten Zimmer um so deutlicher spürte.

Pancho streckte die langen Arme zum bewölkten Himmel und versuchte den verspannten Rücken zu lockern. Kommt davon, wenn man sich die ganze Zeit den Rücken krumm sitzt, sagte sie sich. Soll Mandy doch dort hocken bleiben und studieren, bis die Hölle einfriert. Sie ist ein menschlicher Computer und frisst die Daten nur so in sich rein.

Dan Randolph hatte ihnen aufgegeben, den Fusionsantrieb zu studieren und mit dem Konstruktionsteam zusammenzuarbeiten, das eine Mondfähre zu einem Raumschiff umbaute, das sie zum Gürtel bringen sollte. Sie bekamen Randolph kaum zu Gesicht. Der Mann sprang umher wie ein Floh auf einer heißen Herdplatte und verbrachte fast keinen Abend am selben Ort. Wenn er in La Guaira war, verlangte er den Leuten alles ab, und sich am meisten.

Ein seltsamer Ort für eine Unternehmenszentrale, sagte Pancho sich, während sie vom Gebäudekomplex zwischen den sich wiegenden und rauschenden Palmen zum Strand hinunterging. La Guaira hätte sich eher zum Touristenzentrum geeignet als zum Raumfahrtzentrum. Doch Randolph hatte die Zentrale von Astro Manufacturing vor ein paar Jahren aus zwei Gründen hier angesiedelt: einmal, weil die Lage in Äquatornähe einer Rakete durch die Erdrotation zusätzliche Geschwindigkeit verlieh, und zum andern, weil die Regierung von Venezuela sich kooperationsbereiter zeigte als die Figuren in Washington.

Trotzdem war es seltsam. Es kursierte das Gerücht, dass Randolph eine Liaison mit Präsidentin Scanwell gehabt hätte. Es wurde kolportiert, dass sie ein Liebespaar gewesen wären und eine stürmische Romanze gehabt hätten, die endete, als die Ex-Präsidentin beim verheerenden Erdbeben im Tennessee Valley ums Leben kam.

Es schien alles so weit weg. Pancho folgte dem gewundenen Pfad zum Meer. Die Stiefel knirschten im Kies. Die Sonne stand schon dicht über dem Horizont und tauchte die Karibik in ein rotgoldenes Licht. Dicke Wolken türmten sich auf und leuchteten purpurrot im indirekten Licht. Mit der von See kommenden Brise, in der die Palmen sich sachte wiegten, kam diese Szene ihrer Vorstellung von einem tropischen Paradies am nächsten.

Aber der Strandwall konfrontierte sie wieder mit der rauen Realität. Es handelte sich um eine schulterhohe Barriere aus Stahlbeton, die als Schutz vor dem steigenden Meeresspiegel dienen sollte. Der ursprünglich zartrosa Anstrich des Walls war von der Sonne ausgebleicht worden, und der Beton selbst bröckelte auch schon, wo Sturmfluten gegen ihn angebrandet waren. Die alte Küstenlinie stand inzwischen unter Wasser und kam nur noch bei Ebbe zum Vorschein. Die Brandungswellen brachen sich dort draußen gischtend und mit einem grollenden Zischen. Und der Meeresspiegel stieg noch immer um ein paar Zentimeter pro Jahr.

»Ein schöner Anblick, nicht wahr?«

Erschrocken drehte sie sich um, und ihr Blick fiel auf Randolph, der verdrießlich aufs Meer hinausschaute.

Er trug ein zerknittertes weißes Hemd und eine dunkle Hose, die durch langes Sitzen an den Knien ausgebeult war.

»Ich habe Sie gar nicht kommen sehen, Boss«, sagte Pancho. »Und ich habe nicht einmal Ihre Schritte im Kies gehört.«

»Kein Wunder, ich bin ja auch durchs Gras gegangen«, sagte Randolph. »Mein indianischer zweiter Vorname lautet nämlich ›Der auf leisen Sohlen kommt‹.«

Pancho lachte.

»Wenn Grönland abschmilzt, geht das alles hier unter«, sagte Randolph düster.

»Die ganze Insel?«

»Jedes verdammte Stück. Die Starttürme werden vielleicht noch aus dem Wasser ragen. Oder die Hügelkuppen. Aber das war's dann auch schon.«

»Verdammt.«

»Die Insel war einmal Teil des Festlands, wissen Sie. Als ich mich mit meinem Unternehmen hier ansiedelte, hatte diese Meerenge, die uns vom Festland trennt, noch nicht existiert. Um so viel ist der Meeresspiegel in weniger als zwanzig Jahren gestiegen.«

»Tendenz steigend«, sagte Pancho.

Randolph nickte grimmig. Dann stützte er sich mit den Ellbogen auf die schulterhohe Barriere und stützte das Kinn auf die Hände.

»Wie kommt ihr voran?«, fragte er.

»Wir arbeiten dran«, sagte sie. »Dieser ganze Fusionskram ist sehr umfangreich.«

»Ja, aber Sie müssen sich bis ins kleinste Detail mit der Materie vertraut machen, Pancho«, sagte er mit einem müden Nicken. »Falls unterwegs eine Panne eintritt, müssen Sie in der Lage sein, eine Diagnose zu erstellen und den Fehler zu beheben.«

»Wir werden doch einen Ingenieur an Bord haben, oder?«, fragte sie.

»Vielleicht. Unabhängig davon müssen Sie alles wissen, was es über die Systeme zu wissen gibt.«

»Ja. Muss ich wohl.«

»Und Sie müssen sich auch mit der neuen Navigationstechnik vertraut machen«, fügte er hinzu.

»Ja, zielen und schießen. Ist irgendwie unheimlich.«

Wegen des Schubs und hohen Wirkungsgrads der Fusionsrakete musste das Raumschiff keine ›Energiespar‹-Ellipse vom Erdorbit zum Gürtel beschreiben. Fusionsgetriebene Trajektorien waren fast gerade Linien: Die Reisedauer würde sich nach Tagen anstatt Monaten bemessen.

»Ich weiß, dass es eine Menge Stoff ist«, sagte Randolph.

Sie sah die Müdigkeit in seinen Augen, aber da war noch etwas anderes. Hoffnung, sagte sie sich. Oder vielleicht ist er auch nur so stur wie ein Maultier. Er will, dass dieses Fusions-Raumschiff fliegt. Und er vertraut es meinen Flugkünsten an. Mir und Mandy.