»Ja, natürlich.«
»Na, dann zeigen Sie es mir«, sagte er schroff.
Das Gesicht der Frau wich einem etwas verwackelten Video von Cardenas, wie sie sich mit Randolphs Leibwächter, diesem großen Australier unterhielt.
»Sind sie zusammen zur Show zurückgekehrt?«
Das Gesicht der Frau erschien wieder auf dem Schirm. »Nein, getrennt. Er war in Begleitung einer anderen Frau.«
»Wann ist die Show zu Ende?«, fragte Humphries mit einem Blick auf die Digitaluhr auf dem Schreibtisch.
»Ich weiß nicht.«
Dumme Kuh, sagte er sich wütend. »Bleiben Sie an ihr dran«, sagte er laut. »Ich werde ein paar Männer schicken, die sie sich greifen. Lassen Sie das Handy eingeschaltet, damit sie ein Leitsignal haben. Auf diese Weise finden sie Sie — und Cardenas —, selbst wenn sie erst nach dem Ende der Show dort eintreffen.«
»Es ist aber nicht erlaubt, Handys während der Vorführung eingeschaltet zu lassen«, erwiderte die Frau.
»Es ist mir egal, was erlaubt ist und was nicht! Lassen Sie das Handy eingeschaltet und bleiben Sie an Dr. Cardenas dran, oder ich lasse Sie wieder nach Moldawien verfrachten!«
Ihre Augen weiteten sich vor Angst. »Jawohl, Sir«, sagte sie fügsam.
»Was macht das Leck?«, fragte Dan.
Er hatte sich seit Stunden in der Messe aufgehalten und an sich halten müssen, um nicht auf die Brücke zu stürmen und die Piloten zu nerven. Aber ein Leck im Kühlkreislauf des Supraleiters machte Dan Angst. Ohne den Supraleiter würden sie im nächsten Sonnensturm gegrillt.
Als Amanda die Brücke verließ, erkundigte Dan sich also nach dem Leck.
Die Frage schien sie zu verwundern. »Ein Leck?«
»Im Kühlkreislauf.«
»Ach das. Es ist nichts Besonderes. Pancho wird nach der Wende eine EVA durchführen und es abdichten.«
»Nur Pancho?«, fragte Dan. »Sie ganz allein?«
»Es ist nur ein winziges Leck«, sagte Amanda leichthin. »Pancho hält es für unnötig, dass wir beide hinausgehen.«
Dan nickte und erhob sich vom Stuhl. »Ich glaube, ich gehe mal nach hinten und sehe nach Fuchs.« Wenn ich nur hier herumsitze, werde ich noch zu einem nervlichen Wrack, sagte er sich.
Fuchs war wieder in der Instrumentenbucht und summte vor sich hin, wobei er über eine Werkbank gebeugt war, auf der die Einzelteile eines Infrarot-Scanners herumlagen.
»Ist er defekt?«, fragte Dan.
Fuchs blickte auf. Er hatte ein erfreutes Lächeln auf seinem breiten Gesicht. »Nein, nein«, sagte er. »Ich will nur die Empfindlichkeit erhöhen, um bessere Daten über große Entfernungen zu bekommen.«
»Wir werden bald wenden. Du musst alle losen Teile sicher verstauen, damit sie nicht vom Tisch fallen.«
»Ach, bis dahin müsste ich sowieso fertig sein.«
»Wirklich?«
»Natürlich«, sagte Fuchs mit einem Blick, der zum Teil Überraschung ausdrückte, weil an seinem Wort gezweifelt wurde, zum Teil Stolz auf seine Fähigkeiten.
Er beugte sich wieder über die Arbeit, wobei er die winzigen Teile trotz seiner Wurstfinger mit der Präzision eines Feinmechanikers handhabte. Dan schaute dem Mann noch für eine Weile zu und ließ ihn dann allein. Auf dem Weg zu seiner Kabine sah er Amanda im engen Gang auf sich zukommen.
»Willst du Pancho beim Anlegen des Anzugs helfen?«, fragte er. »Ich könnte…«
»Ach, das hat noch Zeit«, sagte Amanda gut gelaunt. »Ich dachte, ich gucke mal für ein paar Minuten bei Lars vorbei und helfe ihm bei den Vorbereitungen für die Wende.«
Dans Brauen gingen in die Höhe. »Läuft da etwas zwischen euch beiden?«, fragte er.
Ihre Überraschung war echt. »Lars ist ein Gentleman der alten Schule«, sagte Amanda würdevoll. »Und selbst wenn Sie es nicht glauben wollen, Boss, ich verstehe es durchaus, mich wie eine Dame zu benehmen.«
Sie schob sich mit gerecktem Kinn und sichtlich indigniert an Dan vorbei.
Dan schaute ihr grinsend nach. Es läuft aber trotzdem was, auch wenn Fuchs noch nichts davon weiß.
Wende
»Auf mein Zeichen«, ertönte Panchos Stimme im Lautsprecher, »Wende in dreißig Minuten. Ab jetzt.«
Dan setzte sich in der Koje auf. Er war gerade erst eingeschlafen, nachdem er für einen Zeitraum, der ihm wie Stunden erschienen war, an die Kabinendecke gestarrt hatte.
Wir sind schon ein Stück weit im Gürtel, sagte er sich. Das Schiff macht sich gut. Wir fliegen den äußeren Bereich an und suchen nach einem schönen massiven Asteroiden der M-Klasse.
Und es tritt Kühlflüssigkeit aus, die den Supraleiter so weit herunterkühlt, dass er das Magnetfeld aufrechterhält, das wiederum uns vor der harten Strahlung der Sonnenstürme schützt. Hört sich ganz nach dem Haus an, das Jack gebaut hat, sagte er sich und versuchte die dunklen Vorahnungen abzuschütteln, die ihn heimsuchten.
Er schnappte sich einen frischen Overall und ging zur Toilette. Ich brauche eine Dusche und eine Rasur, sagte er sich. Und du musst das Leck abdichten, ermahnte ihn eine Stimme im Kopf.
Er wünschte sich, dass diese Sache ihn nicht so sehr beschäftigte. Pancho machte sich keine Sorgen deswegen, und Amanda auch nicht.
Eine verdammt gut aussehende Frau, diese Amanda, sagte er sich. Selbst in einem Schlabber-Overall ist sie eine Wucht. Ich sollte lieber kalt duschen.
Das einzig Knifflige beim Wendemanöver war, dass sie das Haupttriebwerk abschalten mussten, den Fusionsreaktor aber nicht herunterfahren durften. Durch die Schubwegnahme sollte das Schiff bei der Wende abgebremst werden. Dann sollte es durch die Reaktorabgase gedreht werden, wobei ein Teil der Abgase durch Steuerdüsen an der Seite des Antriebs-Moduls ausgestoßen wurde.
Nachdem Dan geduscht hatte, ging er auf die Brücke. Beide Piloten saßen an ihren Plätzen. Es dudelte keine Musik.
»Alle Systeme bereit für Wende«, murmelte Amanda.
»Check, alle Systeme im grünen Bereich«, erwiderte Pancho.
»Wo ist Fuchs?«, fragte Dan hinter ihnen.
»Wahrscheinlich noch immer in der Instrumentenbucht«, sagte Pancho, »und spielt mit seinem Spielzeug.«
Amanda berührte mit leicht gerunzelter Stirn den Kommunikations-Monitor. »Wende in fünf Minuten«, meldete sie.
»Boss, du solltest dich lieber hinsetzen«, sagte Pancho mit einem Blick über die Schulter.
Er schaute sie finster an. »Ich bin schon oft genug in der Schwerelosigkeit gewesen, Mädchen.« Schon bevor du geboren wurdest, hätte er fast hinzugefügt.
Er sah Panchos Grinsen, das im Fenster vor ihr gespiegelt wurde. »In Ordnung, du bist der Boss. Fußschlaufen am Boden und Haltegriffe an der Decke.«
»Aye, aye, Skipper«, sagte Dan ebenfalls grinsend.
»Brennschluss in zwei Minuten«, rief Amanda.
»Zwei Minuten. Check.«
Als das Haupttriebwerk abgeschaltet wurde, fühlte Dan sich richtig wohl. Das Gefühl der Schwere verflog, und er löste sich langsam vom Deck. Er hielt sich an einem Handgriff fest und schaute den Pilotinnen zu, wie sie die Touchscreens bedienten.
»Wie geht's Fuchs da hinten?«, fragte Pancho.
Amanda tippte auf den zentralen Monitor, und es erschien Fuchs. Er hatte sich auf dem Klappstuhl in der Instrumentenbucht angeschnallt und war etwas käsig im Gesicht. Sonst schien er aber in Ordnung zu sein.
»Manöver-Schub in zwei Minuten«, sagte Amanda.
»Check«, erwiderte Pancho.
Dan schob die Füße in die Schlaufen am Boden, ohne die Handgriffe loszulassen. Die Steuertriebwerke feuerten, und er hatte das Gefühl, als ob er einen Stoß in die Seite bekommen hätte. Er erinnerte sich daran, wie er als Kind auf irgendeinem Flughafen zum ersten Mal einen Zubringerbus für die Passagiere benutzt hatte: Er hatte mit dem Gesicht zur Tür gestanden, und als der Bus sich in Bewegung setzte, wäre er fast zur Seite gekippt. Nur die um ihn herumstehenden Erwachsenen hatten den Sturz verhindert.