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»Wenn wir zum Schiff zurückkehren, wird eine zuverlässige Messung der Masse vorliegen«, sagte Fuchs. »Mit dem Schiff im Orbit um den Asteroiden haben wir ein klassisches Zwei-Körper-System. Es ist einfache Newtonsche Physik.«

Er ist halt ein Wissenschaftler, sagte Dan sich. Stell ihm eine einfache Frage, und er liefert dir eine Dissertation. Ohne die eigentliche Frage beantwortet zu haben.

»Lars«, sagte er geduldig, »ich würde mir gern eine Vorstellung von der Masse dieses Brockens machen.«

Fuchs breitete die Arme aus. Im Raumanzug mutete er wie das legendäre Michelinmännchen an.

»Pi mal Daumen?«, sagte Dan.

»Äh… unter Berücksichtigung der Abmessungen… Nickel-Eisen-Asteroiden enthalten typischerweise nicht mehr als zehn Prozent Nickel… die Werte müssten irgendwo in der Nähe von sieben oder acht Milliarden Tonnen Eisen und achtzig Millionen Tonnen Nickel oder so liegen.«

Dan machte große Augen. »Das ist das Fünf- bis Sechsfache der weltweiten Stahlproduktion in den besten Jahren! Vor der Flutkatastrophe und allem anderen.«

»Es sind natürlich Verunreinigungen enthalten«, sagte Fuchs. »Platin, Gold, Silber und andere Schwermetalle.«

»Verunreinigungen, na klar«, pflichtete Dan ihm mit einem keckernden Lachen bei. Seine Gedanken jagten sich. Ein Asteroid genügt, um die weltweite Stahlindustrie für ein paar Jahre am Laufen zu halten! Und es gibt hier draußen tausende dieser Brocken! Es hat sich bewahrheitet! All meine Hoffnungen, die ganzen Versprechen, die ich gemacht habe — sie werden alle in Erfüllung gehen!

Fuchs schien sich darüber überhaupt keine Gedanken zu machen. »Ich möchte einmal einen Blick auf diese Maserung werfen«, sagte er und drehte sich zum entgegengesetzten Ende des Asteroiden um. Dabei hob er von der Oberfläche ab, und Dan musste ihn wieder auf den Boden zurückholen.

»Nimm erstmal hier eine Probe«, sagte Dan. »Damit wir einen Anspruch auf den Asteroiden erheben können.«

Das Licht war so trübe, dass Dan nur die Konturen von Fuchs' Kopf im Kugelhelm sah. Er nickte und begab sich langsam, ganz langsam in eine kniende Position. Dann zog er einen Gesteinshammer aus dem Werkzeuggürtel und schlug ein Stück vom Asteroiden ab. Dabei wirbelte er Staub auf und löste sich wieder von der Oberfläche, doch diesmal krallte er sich mit einer behandschuhten Hand im Boden fest und zog sich wieder herunter.

»Du musst dich verankern, Lars«, sagte Dan. »Schlag einen Felshaken ein und sichere dich mit der Leine.«

»Ja, natürlich«, sagte Fuchs und fummelte an der Ausrüstung herum, die am Gürtel hing.

»Zeichne das folgende auf, Amanda, und versieh es mit einer Zeit-Signatur«, sagte Dan. »Die Starpower GmbH hat mit der Probenentnahme vom Asteroiden 41-014 Fuchs begonnen. Gemäß den Bedingungen des Protokolls der Internationalen Astronautischen Behörde aus dem Jahr 2021 beansprucht die Starpower GmbH die ausschließliche Nutzung der Ressourcen dieses Asteroiden.«

»Ich habe es«, ertönte Amandas Stimme. »Dein Anspruch wird ans IAA-Hauptquartier auf der Erde gesendet.«

»Gut«, sagte Dan zufrieden. Aus dem Geschichtsunterricht erinnerte er sich an die Geschichte vom spanischen Eroberer Baiboa, der als Erster den Pazifischen Ozean erblickte. Wie er sich erinnerte, watete Baiboa hinaus in die Brandung und nahm den ganzen Ozean und alle daran angrenzenden Ländereien für Spanien in Besitz. Man dachte damals in großen Maßstäben, sagte Dan sich. Es gab keine verdammte IAA, die einem Knüppel zwischen die Beine warf.

Fuchs hatte inzwischen den Bogen raus, wie man sich über die Oberfläche des Asteroiden bewegte und verbrachte fast zwei Stunden damit, Proben zu nehmen und Stereo-Videos zu drehen. Dan machte sich allerdings Sorgen wegen des Staubs, den sie aufwirbelten. Er gelangt vielleicht in die Gelenke der Anzüge, sagte er sich. Das verdammte Zeug bleibt einfach über der Oberfläche hängen; es muss ein Jahr dauern, bis es sich wieder gesetzt hat.

Er sah eine Erhebung zur Rechten, die wie eine kleine Anhöhe oder Hügelkuppe aussah. Das muss das hintere Ende des Asteroiden sein, sagte Dan sich. Er drehte sich zu Fuchs um und sah, dass der Wissenschaftler sich endlich im Boden verankert hatte und fleißig Steine klopfte. Dabei wirbelte er reichlich Staub auf.

»Ich besteige mal diese Anhöhe und schaue nach, was auf der anderen Seite liegt«, sagte er zu Fuchs und wies in die entsprechende Richtung.

»Alles klar«, sagte Fuchs über seine Proben gebeugt.

Dan schlurfte langsam vorwärts und sorgte sich wegen des Staubs. Der auf dem Mond aufgewirbelte Staub war statisch geladen und haftete hartnäckig an Anzügen und Helmvisieren. Vielleicht verhielt es sich hier genauso.

Er schickte sich an, die leichte Steigung zu nehmen. Aber irgendetwas stimmte nicht. Plötzlich rutschten die Stiefel unter ihm weg, und er kippte in traumgleicher Zeitlupen-Bewegung nach vorn. Der Sturz war so sanft, dass er ihn mit den Händen abzufangen vermochte, doch dann prallte er vom staubigen Boden ab und schwebte an der Steigung empor wie ein Heißluftballon in der Thermik einer Bergflanke.

Dans Astronautenausbildung gewann die Oberhand über die Reflexe. Vorm geistigen Auge sah er glasklar, was auf ihn zukam. Die Schwerkraft auf diesem gottverdammten Felsen ist so niedrig, dass ich abdrifte! Er sah das bauchige Ende des Asteroiden langsam unter sich vorbeiziehen und dahinter die sternenübersäte Unendlichkeit des Raums.

Dan drehte sich so, dass der Kopf auf den Asteroiden gerichtet war, betätigte die Steuerdüsen und flog zum Asteroiden zurück. Ganz sachte setzte er auf der Oberfläche auf. Fuchs war noch immer mit dem Hammer zugange. Bei jedem Schlag stieg er vom Boden auf und wurde von der verankerten Leine zurückgerissen.

Dan atmete schwer, doch ansonsten hatte dieser kleine Ausflug keine Folgen. Mit noch größerer Vorsicht als bisher schlurfte er zu Fuchs und half ihm dabei, die Gesteinsproben einzutüten.

»Zeit zur Rückkehr, Jungs«, sagte Pancho schließlich mit strenger Stimme.

»Nur noch eine Probe«, erwiderte Fuchs.

»Sofort«, befahl Pancho.

»Aye, aye, Käpt'n«, sagte Dan. Er klopfte mit den behandschuhten Knöcheln auf Fuchs' Helm. »Komm schon, Lars. Für heute hast du genug getan. Der Asteroid wird uns nicht weglaufen; du kannst ein andermal zurückkommen.«

Amanda wartete an der Schleuse und half ihnen dabei, sich der Rückentornister und staubverkrusteten Raumanzüge zu entledigen. Dan stieg ein seltsamer stechender Geruch in die Nase, als er den Helm abnahm. Nicht wie der beißende Pulver-Gestank des Mondstaubs; das war irgendwie ein neuer, fremder Geruch.

Bevor er noch die Zeit fand, die Geruchsnote des Staubs zu bestimmen, kam Pancho in den Luftschleusenbereich herunter. Sie schaute so ernst, dass Dan sie fragte: Was ist los?

Während Fuchs fröhlich mit Amanda schwatzte, sagte Pancho: »Schlechte Nachrichten, Boss. Ein weiterer Abschnitt des Supraleiters heizt sich auf. Im schlimmsten Fall versagt vielleicht die ganze magnetische Abschirmung.«

Dan klappte die Kinnlade herunter. Ohne den Schirm würden sie vom nächsten solaren Strahlungssturm gegrillt werden.

»Wir müssen sofort nach Selene zurückkehren«, sagte Pancho. »Bevor die nächsten Protuberanzen ausbrechen.«

»Wie stehen unsere Chancen?«, fragte Dan mit trockener Kehle.

Sie fuchtelte mit der Hand. »Fifty-fifty… wenn wir Glück haben.«

Bunker 9

»Wir müssen doch nicht etwa nach draußen gehen, oder?«, fragte Cardenas nervös.

Sie folgte George durch das Gewirr aus Pumpen und Generatoren auf der obersten Ebene von Selene. Farbcodierte Rohrleitungen und Kabelstränge verliefen unter der Decke. Das leise Summen elektrischer Ausrüstung und hydraulischer Maschinen durchdrang die Luft. Sie wusste, dass auf der anderen Seite der Decke sich die Parklandschaft der Grand Plaza erstreckte — beziehungsweise der staubige Regolith der luftlosen Mondoberfläche.