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Dann begriff er erst, was er sich gesagt hatte: Falls ich das überstehe.

Er zog einen frischen Overall an und goss sich auf dem Weg zur Brücke eine Tasse Kaffee ein. Amanda saß auf dem Sitz des Kommandanten, und Fuchs saß zu ihrer Rechten.

»Pancho schläft«, sagte Amanda, bevor Dan eine Frage nach ihrem Verbleib zu stellen vermochte. »Das Zusammentreffen mit 114 erfolgt in…« — sie schaute auf einen der Bildschirme — »dreiundsiebzig Minuten. Ich werde sie in einer halben Stunde wecken.«

»Ist der Brocken schon zu sehen?«, fragte Dan und lugte in die schwarze Leere hinter den Fenstern.

»Teleskopabbildung«, sagte Amanda und berührte einen Abbildungsschirm.

Ein knollenartiges, rundliches Gebilde erschien auf dem Schirm. Auf Dan machte es den Eindruck eines dunkelgrauen, fast schwarzen Strandballs, aus dem teilweise die Luft raus war.

»Wir bekommen hervorragende Daten über ihn«, sagte Fuchs. »Masse und Dichte sind bestätigt.«

»Er ist porös, wie du vermutet hast?«

»Ja, unbedingt.«

»Eine Schönheit ist er nicht gerade«, sagte Amanda.

»Das vermag ich nicht zu beurteilen«, erwiderte Dan. »Für mich ist er jedenfalls schön genug. Ich glaube, ich werde ihn Zuflucht nennen.«

»Zuflucht«, wiederholte sie.

Dan nickte. »Unsere Zuflucht vor dem Sturm.« Falls Fuchs diese Dichte-Kriterien richtig interpretiert hat, fügte er stumm hinzu.

Selene

Das Schlimmste am Alleinsein im Schutzbunker war das Warten. Die einzige Beschäftigung für Kris Cardenas war, dort auf- und abzugehen — exakt ein Dutzend Schritte — oder sich die Werbesendungen anzuschauen, die von den Relais-Satelliten übertragen wurden.

Es war zum Verrücktwerden. Und dann war da noch der Hightech-Sarkophag mitten im Raum, mit der eingefrorenen Frau im glänzenden Edelstahlzylinder. Keine inspirierende Gesellschaft.

Als die Luke im Boden sich plötzlich quietschend öffnete, machte Cardenas vor Überraschung einen solchen Luftsprung, dass sie sich beinahe den Kopf an der gewölbten Bunkerdecke gestoßen hätte. Im ersten Moment war es ihr ganz egal, wer da durch die Luke kam; selbst ein Meuchelmörder wäre eine willkommene Abwechslung von der Langeweile der letzten vierundzwanzig Stunden gewesen.

Dennoch stieß sie einen großen Seufzer der Erleichterung aus, als sie George Ambroses rote Mähne in der offenen Luke auftauchen sah. George kletterte hinauf und grinste sie an.

»Dan sagt, ich soll Sie zu Stavenger bringen.«

Cardenas nickte. »Ja. Schön.«

Doug Stavenger freute sich nicht gerade über ihren Anblick. Er saß hinterm Schreibtisch und musterte sie mit einem unverhohlenen Ausdruck der Enttäuschung. Cardenas saß im Polstersessel vorm Schreibtisch, als wäre sie eine mutmaßliche Kriminelle bei der Vernehmung. George stand an der Bürotür, wobei er die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt hatte.

»Sie haben Randolphs Schiff mit Gobblers infiziert«, fragte Stavenger. Seine Stimme klang hohl vor Unglauben.

»Sie waren spezifisch dafür ausgelegt, Kupferverbindungen aufzulösen«, gestand Cardenas mit einem mulmigen Gefühl. »Mehr nicht.«

»Reicht das noch nicht?«

»Dadurch sollte nur der Strahlungsschild des Schiffs angeknackst werden«, sagte sie zu ihrer Verteidigung. »Mit dem Ziel, dass sie die Mission abbrachen und umkehrten, sobald sie den Schaden feststellten.«

»Aber sie stellten ihn erst fest, als sie sich schon tief im Gürtel befanden«, sagte Stavenger.

»Und nun fliegen sie ohne Schild in einen Strahlungssturm«, ergänzte George.

»Das könnte sich zu Mord auswachsen«, sagte Stavenger. »Zu vierfachem Mord.«

Cardenas biss sich auf die Lippe und nickte.

»Und Humphries war bei dieser Sache der Drahtzieher«, sagte Stavenger. Das war eine Feststellung, keine Frage.

»Er wollte, dass Randolphs Mission scheitert.«

»Weshalb?«

»Fragen Sie ihn.«

»Er ist einer der Haupt-Investoren bei diesem Projekt. Weshalb hätte ihn an einem Scheitern gelegen sein sollen?«

»Fragen Sie ihn«, wiederholte sie.

»Das habe ich auch vor«, sagte Stavenger. »Er ist bereits hierher unterwegs.«

Wie aufs Stichwort klingelte Stavengers Telefon. »Mr. Humphries ist hier«, sagte die synthetische Telefonstimme.

»Er soll reinkommen«, sagte Stavenger und berührte den Drücker an der Kante des Schreibtischs, der als Türöffner diente.

George trat zur Seite und verfolgte Humphries' Eintritt mit grimmiger Miene. Humphries schaute auf Cardenas, die sich im Sessel halb umgedreht hatte und dann auf Stavenger. Mit einem leichten Achselzucken ging er zum anderen Sessel vorm Schreibtisch.

»Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte er beiläufig und setzte sich.

»Es geht um versuchten Mord«, sagte Stavenger.

»Mord?«

»Vier Menschen stecken ohne einen funktionsfähigen Strahlungsschild draußen im Gürtel in einem Sonnensturm.«

»Sie meinen Dan Randolph«, sagte Humphries mit dem Ansatz eines Lächelns. »Das ist typisch für ihn. Führt sich wieder mal auf wie ein Elefant im Porzellanladen.«

Stavenger fand das überhaupt nicht lustig. »Sie haben Dr. Cardenas nicht dazu veranlasst, das Schiff mit Gobblers zu infizieren?«

»Gobblers? «

»Nanomaschinen. Disassembler.«

Humphries warf einen Blick auf Cardenas und sagte dann zu Stavenger: »Ich fragte Dr. Cardenas, ob es eine Möglichkeit gäbe, Randolphs Schiff… ähem… leicht zu sabotieren. Nur so stark, dass er umkehren und den Flug zum Gürtel abbrechen müsste.«

Cardenas setzte zu einer Erwiderung an, doch Stavenger sagte empört: »Wenn sie umkommen — wenn auch nur einer von ihnen umkommt, lasse ich Sie wegen heimtückischen Mordes vor Gericht stellen.«

Humphries neigte spöttische den Kopf und grinste Stavenger an. »Das ist so weit hergeholt, dass es einfach lächerlich ist.«

»Ach ja?«

»Ich hatte Randolphs Schiff sabotieren lassen, damit er den Flug abbrechen und nach Selene zurückkehren müsste. Das gebe ich zu. Jeder vernünftige Mensch wäre sofort umgedreht und zurückgeflogen, sobald er die Sabotage bemerkt hätte. Aber nicht Randolph! Er ist weitergeflogen, obwohl er Kenntnis von der Beschädigung des Strahlungsschilds hatte. Das hat nur er zu vertreten, nicht ich. Falls hier überhaupt ein Verbrechen vorliegt, dann das, dass Randolph Selbstmord begeht und seine Besatzung mit in den Tod reißt.«

Stavenger wahrte nur mit Mühe die Contenance. Er ballte die Fäuste und fragte mit zusammengebissenen Zähnen: »Und wieso haben Sie sein Schiff eigentlich sabotiert?«

»Damit die Aktien der Astro Corporation fallen, weshalb sonst? Es war eine geschäftliche Entscheidung.«

»Aha. Es war also geschäftlich.«

»Ja, rein geschäftlich. Ich will Astro; je niedriger der Aktienkurs, desto leichter vermag ich die Firma aufzukaufen. Und Dr. Cardenas hier wollte ihre Enkelkinder wieder sehen. Ich bot ihr an, sie im Austausch für ein paar Nanomaschinen zusammenzuführen.«

»Gobblers«, sagte Stavenger.

»Sie waren aber nicht darauf programmiert, Menschen zu schaden«, gab Cardenas zu bedenken. »Sie waren spezifisch darauf programmiert, die Kupferverbindungen des Supraleiters anzugreifen. Nichts weiter.«

»Mein Vater wurde von Gobblers getötet«, sagte Stavenger mit einer Stimme so kalt und schneidend wie eine Eisaxt. »Ermordet.«

»Das ist Schnee von gestern«, sagte Humphries spöttisch. »Bitte lassen Sie Ihre Familiengeschichte außen vor.«

Stavenger beherrschte sich sichtlich und starrte Humphries für einen langen Moment stumm an. Im Büro knisterte es wie von statischer Elektrizität. George sagte sich, falls Stavenger um den Tisch ging und sich Humphries zur Brust nahm, würde er die Tür versperren und verhindern, dass jemand dem Bastard zu Hilfe kam.