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«Und dann die Sache mit der Tochter von Lady Mary Fox», fuhr der Diener in seinen Reminiszenzen fort. «Sie hat ihre Lieferanten betrogen — schockierend. Sehr unangenehm für die besten Familien, wenn ich das sagen darf, und ich könnte noch viele andere seltsame Fälle nennen.»

«Sie sind ein erfahrener Mann, Georges», murmelte Poi-rot. «Es wundert mich eigentlich, dass Sie, der Sie immer in großen Häusern gearbeitet haben, es nicht für unter Ihrer Würde halten, als Diener bei mir zu sein. Ich schreibe es auch bei Ihnen einem Hang zu aufregenden Dingen zu.»

«Nicht ganz, Sir», sagte George. «In Society Snippets las ich zufällig, dass Sie im Buckingham-Palast empfangen wurden. Damals suchte ich gerade eine neue Stellung. Seine Majestät, heißt es, soll zu Ihnen sehr nett und liebenswürdig gewesen sein und sehr viel von Ihren Fähigkeiten halten.»

«Ah», sagte Poirot, «man möchte doch immer die Gründe für alles wissen.»

Er dachte einen Moment nach und sagte dann:

«Haben Sie Mademoiselle Papopoulos angerufen?»

«Ja, Sir; sie und ihr Vater sind erfreut, heute Abend mit Ihnen zu speisen.»

«Ah», sagte Poirot nachdenklich. Er trank seine Schokolade aus, stellte die Tasse und Untertasse säuberlich in die Mitte des Tabletts und sagte sanft, mehr zu sich als zu seinem Diener:

«Das Eichhörnchen, mein guter Georges, sammelt Nüsse. Es lagert sie im Herbst ein, um sie später zu nutzen. Wenn die Menschheit ein Erfolg werden soll, Georges, müssen wir aus den Lektionen lernen, die uns jene erteilen, die im Tierreich unter uns stehen. Das habe ich immer getan. Ich war die Katze vor dem Mauseloch. Ich war der gute Hund, der der Duftspur folgt und die Nase nicht von der Fährte hebt. Und, mein guter Georges, ich bin auch das Eichhörnchen gewesen. Ich habe einmal hier eine kleine Tatsache gehamstert und dann wieder dort. Ich gehe jetzt zu meinem Lager und hole eine ganz bestimme Nuss hervor. Eine Nuss, die ich vor — warten Sie mal —, ja, vor genau siebzehn Jahren eingelagert habe. Können Sie mir folgen, Georges?»

«Ich hätte nicht geglaubt, Sir», sagte George, «dass Nüsse sich so lange halten, obwohl ich weiß, dass man mit Konservierungsgläsern Wunder wirken kann.»

Poirot sah ihn an und lächelte.

Achtundzwanzigstes Kapitel

Poirot spielt Eichhörnchen

Poirot brach so früh auf, dass ihm bis zu seiner Verabredung zum Dinner noch eine Dreiviertelstunde Zeit blieb. Er verfolgte eine bestimmte Absicht. Der Wagen brachte ihn nicht gleich nach Monte Carlo, sondern zum Haus von Lady Tamplin nahe Cap Martin, dort fragte er nach Miss Grey. Die Damen waren mit dem Ankleiden beschäftigt, und man bat Poirot, in einem kleinen Salon zu warten. Nach etwa drei oder vier Minuten kam Lenox Tamplin zu ihm.

«Katherine ist noch nicht ganz fertig», sagte sie. «Soll ich ihr etwas ausrichten, oder wollen Sie lieber warten, bis sie herunterkommt?»

Poirot musterte sie nachdenklich. Bis er antwortete, verstrichen fast zwei Minuten; es war, als hinge etwas ungeheuer Gewichtiges von seiner Entscheidung ab. Offenbar war die Antwort auf eine so einfache Frage bedeutsam.

«Nein», sagte er schließlich, «nein, ich glaube, ich muss nicht unbedingt auf Mademoiselle Katherine warten. Vielleicht ist es sogar besser, wenn ich nicht warte. Diese Dinge sind manchmal schwierig.»

Lenox wartete geduldig, mit nur leicht gehobenen Brauen.

«Ich habe eine Nachricht», fuhr Poirot fort. «Vielleicht sind Sie so gut, sie Ihrer Freundin weiterzugeben. Monsieur Kettering wurde heute Abend verhaftet — unter der Anklage, seine Frau ermordet zu haben.»

«Das soll ich Katherine sagen?», fragte Lenox. Sie atmete schwer, als ob sie gerannt sei; ihr Gesicht, dachte Poirot, wirkte weiß und bedrückt — und zwar sehr merklich.

«Ich bitte darum, Mademoiselle.»

«Warum?», sagte Lenox. «Glauben Sie, die Nachricht haut Katherine um? Meinen Sie, sie macht sich etwas daraus?»

«Ich weiß es nicht, Mademoiselle», sagte Poirot. «Sehen Sie, ich gebe es freimütig zu. Im Allgemeinen weiß ich alles, aber in diesem Fall — nun ja, weiß ich es nicht. Vielleicht wissen Sie das besser als ich.»

«Ja», sagte Lenox, «ich weiß es — aber ich sage es Ihnen trotzdem nicht.»

Sie schwieg eine Weile, ihre dunklen Augenbrauen waren zusammengezogen.

«Glauben Sie, er war es?», sagte sie plötzlich.

Poirot zuckte mit den Schultern.

«Die Polizei sagt es.»

«Ah», sagte Lenox, «Sie weichen aus, wie? Also gibt es einen Grund zum Ausweichen.»

Wieder schwieg sie und verzog das Gesicht. Poirot sagte sanft:

«Sie kennen Derek Kettering schon lange, nicht wahr?»

«Ich habe ihn immer mal wieder gesehen, seit ich ein Kind war», sagte Lenox mürrisch. Poirot nickte mehrmals, ohne etwas zu sagen.

Mit einer ihrer brüsken Bewegungen zog Lenox einen Stuhl herbei und setzte sich darauf, die Ellenbogen auf dem Tisch und das Gesicht auf die Hände gestützt. Als sie saß, blickte sie Poirot über den Tisch direkt an.

«Was haben sie gegen ihn in der Hand?», fragte sie. «Wahrscheinlich ein Motiv. Er ist durch ihren Tod sicher zu viel Geld gekommen.»

«Er hat zwei Millionen Pfund geerbt.»

«Und ohne ihren Tod wäre er ruiniert gewesen.»

«Ja.»

«Da muss aber doch noch mehr gewesen sein», beharrte Lenox. «Ich weiß ja, er ist mit dem gleichen Zug gefahren, aber — das allein reicht doch noch nicht.»

«Ein Zigarettenetui mit dem Buchstaben K darauf, das nicht Mrs Kettering gehörte, wurde in ihrem Abteil gefunden, und zwei Personen haben ihn gesehen, wie er das Abteil betreten und verlassen hat, unmittelbar bevor der Zug Lyon erreichte.»

«Welche zwei Personen?»

«Ihre Freundin Miss Grey ist die eine. Die andere ist Mademoiselle Mirelle, die Tänzerin.»

«Und er, Derek, was hat er dazu zu sagen?», fragte Lenox scharf.

«Er leugnet, überhaupt im Abteil seiner Frau gewesen zu sein», sagte Poirot.

«Trottel!», sagte Lenox mit einer Grimasse. «Unmittelbar vor Lyon, sagen Sie? Weiß denn niemand genau, wann — wann sie gestorben ist?»

«Der Befund der Ärzte kann natürlich nie ganz definitiv sein», sagte Poirot, «sie neigen aber zu der Ansicht, dass der Tod wohl kaum nach der Abfahrt aus Lyon eingetreten sein kann. Und wir wissen, dass Mrs Kettering wenige Minuten nach Abfahrt des Zuges aus Lyon tot war.»

«Woher wissen Sie das?»

Poirot lächelte eigenartig vor sich hin.

«Jemand ist in ihr Abteil gegangen und hat sie tot aufgefunden.» «Und hat nicht den ganzen Zug alarmiert?»

«Nein.»

«Warum nicht?»

«Zweifellos aus guten Gründen.»

Lenox schaute ihn scharf an.

«Kennen Sie diese Gründe?»

«Ich glaube — ja.»

Lenox saß ganz still und wendete die Dinge im Geiste hin und her. Poirot betrachtete sie schweigend. Schließlich blickte sie auf. Ihre Wangen waren leicht gerötet, und ihre Augen leuchteten.

«Sie meinen, jemand aus dem Zug muss sie getötet haben, aber das braucht gar nicht so gewesen zu sein. Warum soll nicht jemand einsteigen, wenn der Zug in Lyon hält, direkt in ihr Abteil gehen, sie erwürgen, die Rubine mitnehmen und wieder vom Zug springen, ohne dass jemand etwas bemerkt? Vielleicht ist sie sogar getötet worden, als der Zug im Bahnhof von Lyon war. Dann hätte sie noch gelebt, als Derek hineingegangen ist, und wäre tot gewesen, als die andere Person sie gefunden hat.»

Poirot lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er holte tief Atem, sah das Mädchen an und nickte dreimal, dann seufzte er.

«Mademoiselle», sagte er, «was Sie da gesagt haben, ist wahr — sehr wahr. Ich bin im Dunkeln herumgetappt, und Sie haben mir ein Licht gezeigt. Es gab einen Punkt, den ich nicht verstehen konnte, und Sie haben ihn mir klargemacht.»