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Wieder empfand Ia-du-lin Furcht. Nur zögernd setzte er die Füße. Doch er vergaß vor Verwunderung seine Beklemmung, als I-na-nuas Sohn ihn in das weiße Haus schob. Hier erblickte er ein wundersames Zimmer. Ein größer Stuhl mit einem schrägen Tisch, auf nur einem Bein stehend, befanden sich darin. An der Wand hing ein lebendes Bild: der Esel.

Sil schaltete den Erider ab und verband sich über Kontakte am Raumanzug mit dem Sichtschirm. Er konzentrierte sich auf einzelne Gegenstände, die nacheinander auf dem Schirm als Biostrombild erschienen. Zunächst wurde ein kugelrunder Behälter sichtbar, aus dem Flüssigkeit rann. „Ner“, sagte Sil.

„Ner“, wiederholte auch der Planetenbewohner. Über den kugligen Krug legte sich ein Nebel.

Schleier, aus dem eine wuchtige Figur auftauchte. Es war ein Kosmonaut in einem Raumanzug. „Ein Himmelssohn!“ rief Ia- du-lin aus. Sil verstand den langen Laut nicht. Er war zu schwer nachsprechbar. Doch das Lichtband lief mit und zeichnete alle Laute auf, die das Lebewesen dieses Planeten aussprach. Sil konzentrierte sich auf eine neue Darstellung.

Jetzt stellte er sich den weißen Pfeil in Gedanken vor.

„Dein fliegendes Haus“, sagte Ia-du-lin.

Beim nächsten Bild mußte sich Sil besonders stark konzentrieren. Er vergegenwärtigte sich den Vierbeiner mit den langen Ohren. Es fiel ihm schwer, sich das fremdartige Wesen vorzustellen. Das Biostrombild war deshalb auch nicht ganz naturgetreu.

Ia-du-lin lachte. „Das ist ein Esel!“ rief er.

Sil stellte sich nun einen Gebirgszug vor.

„Berge“, sagte sein Gast. Plötzlich sah sich der Mensch selbst. „Ia-du-lin!“ rief er unwillkürlich aus. Sein Ebenbild verschwand, und dafür erschien eine ganze Gruppe. Sil hatte sich eine Anzahl dieser bekleideten Wesen vorgestellt.

„Menschen“, rief der Planetenbewohner.

Sil schaltete für einen Augenblick den Sichtschirm ab. Er machte eine Probe. „Ia-du-lin“, sagte er langsam und deutlich.

Verwundert sah Ia-du-lin auf. Warum rief ihn der Himmelssohn? Der zeigte auf sich und sagte „Sil“. Dann zeigte er auf ihn und wiederholte „Ia-du-lin“. Schließlich deutete er erneut auf sich und sagte abermals „Sil“. Ia-du-lin verstand.

Der Himmelssohn hieß Sil. Er war also ein Gott, den noch niemand kannte. Er war gewiß I-na-nuas Sohn.

Neue Bilder erschienen an der Wand: Ia-du-lin sah das Tal Hadscha El Hibla vor sich. Er und der Himmelssohn gingen zum einsamen Felsen. Dort wartete der Esel. Der Himmelssohn lud dem Tier einen der zwei dreieckigen, spitzen Steine auf.

Dann zogen sie fort. Der Esel trug den dreieckigen Stein und die Wasserflasche mit dem wundersamen Himmelsgetränk Ner. Ia-du-lin schritt nebenher, umflattert von dem schönen gelben Mantel, der nicht zerreißen konnte. Der Himmelssohn blieb allein zurück. Als sie sich schon weit entfernt hatten, kletterte der Himmelsbewohner in sein langes, weißes Haus. Es spie Feuer, stieg in den Himmel und entschwand seinen Blicken.

Ia-du-lin und der Esel zogen weiter. Da griff er sich an den Kopf. Die Wunde war aufgebrochen. Ia-du-lin nahm seinen Mantel, breitete ihn über den dreieckigen Stein, und schon kurze Zeit später erschien das feuerspeiende Haus am Himmel. Es senkte sich herab, und der Himmelssohn entstieg ihm. Er kam herbei und erneuerte den Verband.

Ein Nebel zog über dieses Bild. Als er sich lichtete, war Ia- du-lin in der Wüste. Die Sonne stand hoch am Himmel. Die Schatten fielen kurz. Er griff zum Ziegenschlauch, um zu trinken, aber der war leer. Da breitete Ia-du-lin den gelben Mantel über den dreieckigen Stein, und schon wenig später schwebte das weiße, fliegende Haus herab. Der Himmelssohn brachte ihm einen Krug mit Ner.

Ia-du-lin erwachte wie aus einem Traum. Verwirrt sah er sich um. Hatte er geschlafen? Er befand sich im fliegenden Haus des Himmelssohnes. Ia-du-lin sah durch das Fenster dieses Zimmers. Draußen war noch immer das Tal Hadscha El Hibla, in dem die Mittagshitze flimmerte und über dem sich der blaue Himmel wölbte. Der Esel ruhte friedlich im Schatten des Felsens. Schläfrig kaute er einige Hähnchen, und ab und zu schüttelte er die Ohren, um die lästigen Fliegen zu verjagen. Es hatte sich nichts verändert. Sogar die zwei dreieckigen Steine standen noch an ihrem Platz.

Ia-du-lin folgte mit den Augen den Umrissen des Fensters.

Erst jetzt bemerkte er dessen eigenartige Form. Es bildete merkwürdigerweise kein Viereck, wie er es von den Häusern im Zweistromland und aus der Stadt an der Küste her kannte, sondern es wölbte sich über ihm, das Dach und auch die Wände zu beiden Seiten teilend. Ia-du-lin wollte den Kopf herausstrecken, um zu sehen, wie weit man von hier oben das Tal überblicken konnte. Dabei stieß er an etwas Hartes. Die Wunde am Kopf brach auf. Feucht und warm sickerte Blut unter dem Verband hervor. Erschrocken sprang Sil herzu, drückte das Menschenwesen in den Pilotensitz und wechselte den Kopfverband.

Bald hatte sich Ia-du-lin soweit erholt, daß Sil die Biobildversuche fortsetzen konnte, um dem Menschen begreiflich zu machen, welchen Nutzen er habe, wenn er die Meßsonde überall mitführen würde. Den Heloiden sollte sie verraten, welchen Weg Ia-du-lin in der nächsten Zeit nahm, so daß sie diesen Menschen wieder aufsuchen konnten.

Zudem wurden bei den Biobildversuchen alle Laute und Ausrufe des Menschen, die er zu den Bildern machte, vom Myonenhirn gesammelt. Wenn genügend Worte beisammen waren, könnte man oben in der „Kua“ die Sprache des Menschen entziffern, ein spezielles, kleines Taschengerät konstruieren und es als elektronischen Dolmetscher zur Verständigung zwischen den Heloiden und den Bewohnern dieses Planeten einsetzen.

Sil konzentrierte sich erneut. Ein Schalter knackte. Auf dem Bildschirm des Eriders wallten abermals Nebel.

Neugierig sah Ia-du-lin hin. Wieder erblickte er sich und seinen Esel. Er ritt durch das Tal zum Paß. Erschrocken gewahrte er dort viele Menschen. Sie sahen alle so aus wie er.

Es waren alles Tamkare. Was wollten sie? Er gesellte sich zu ihnen. Plötzlich erhob sich das Haus des Himmelssohnes, einen großen Feuerschweif ausstoßend, in die Wolken. Doch der Schweif leckte durch das ganze Tal und traf ihn und die anderen Menschen. Sie kamen alle um.

Wieder wallten Nebel. Ia-du-lin fühlte, wie sein Herz klopfte. Erneut waren Bilder zu sehen. Alles wiederholte sich wie vorhin. Aber diesmal packte Ia-du-lin die Menschen am Ausgang des Passes und trieb sie hinweg. Alle liefen den Bergpfad hinab oder versteckten sich hinter großen Steinen.

Als dann der Feuervogel emporstieg und die Flammen seines Schweifes durch das Tal leckten, geschah niemandem etwas.

Ia-du-lin atmete auf, denn der Himmelssohn erhob sich und verließ sein Haus. Nun würden keine lebenden Bilder mehr an der Wand erscheinen und ihn ängstigen.

„Ia-du-lin!“ rief Sil von draußen. Gehorsam folgte der Mensch diesem Ruf und kletterte aus der Kabine. Mit einer Bewegung des Körpers deutete der Himmelsbewohner zum Ausgang des Passes hinüber. Ia-du-lin blickte in die gewiesene Richtung und erschrak. Dort hatten sich wirklich Menschen angesammelt, etwa dreißig bis vierzig. Sie wagten wohl nicht, näher zu kommen. Unter ihnen glaubte Ia-du-lin auch die Soldaten zu erkennen, die ihn gestern bis hierher begleitet hatten, dann aber geflohen waren, als das Feuer vom Himmel fiel.

Sil hörte plötzlich ein vertrautes Geräusch in der Luft. Ein gedämpfter Knall erschütterte wie ein Stoß die Luft, begleitet von einem fernen, leisen Rauschen. Es klang, als käme es aus großer Höhe. Weit bog Sil seinen Körper zurück und starrte in den blauen Himmel. Sollte er sich getäuscht haben? Er lauschte eine Weile und beobachtete dabei das Luftmeer über sich. Es war nichts mehr zu hören.