Выбрать главу

Um so überraschter war Ia-du-lin, als plötzlich zwei Sandwanderer herantraten und ihm mit schnellen und geübten Griffen die Hände auf dem Rücken fesselten. Widerstandslos ließ er es geschehen. Nahmen sie ihm seinen heiligen Stein weg? Zuvor würden sie in Erfahrung bringen wollen, welche Bewandtnis es mit ihm hatte. Dann mußte er unbedingt versuchen, ihnen Furcht vor ihm einzuflößen, so daß sie nicht wagten, ihn zu berühren. Wird das Spiel der Lichter und der Fühler unheimlich genug für sie sein, um sie zu erschrecken?

Heute nicht, beschloß er, erst morgen, denn heute mußte das Tuch auf dem dreieckigen Stein bleiben, damit der Himmelssohn kam.

Die Reihe der Männer schritt schweigend durch die Mittagsglut. Der große Hügel in der Steppe rückte näher.

Endlich waren die Herden der Sandwanderer, die sich im Schatten einiger Tamarisken drängten, zu sehen. Am Fuße des Hügels standen die Lederzelte der Steppenbewohner.

Die „Kua“ war schon vor Tagen gelandet. Ihr kreiselförmiger Rumpf schwamm wie ein großer, umgestülpter und hochgewölbter Teller auf der spiegelglatten Fläche des Meeres der toten Wasser. Das eine Ende des Raumkreisels war in die Fluten getaucht, und das andere, mit dem Gitterturm hoch in die Luft ragend, trug die Plattform. Auf ihr stand abflugbereit der Ringflügler. Gleich neben dem Raumschiff lagen die große und die kleine Landungsrakete, der Atomicer und der Weiße Pfeil.

Gohati hielt mit seinen Gefährten in der Algenplantage eine Beratung ab. Sie hatten gemeinsam mit der Erneuerung der Navigationskreisel begonnen und überlegten nun, wen sie bei der Reparatur entbehren konnten, um das Leben auf diesem Planeten zu erforschen.

Kalaeno war der Meinung: „Dieser Planet darf nur eine kleine Episode für uns sein. Wir dürfen uns hier nicht lange aufhalten, denn unser Auftrag lautet, zu den Welten des äußeren Spiralarmes zu fliegen, die Teloiden zu suchen und eine Brücke der Verständigung, der Radioverbindung über den Großen Abgrund zu schlagen.“

„Wir sollten, da wir nun hier gelandet sind, die Gelegenheit nutzen, um die Lebensweise der Planetenbewohner und die Stufe ihrer Entwicklung kennenzulernen“, äußerte Sil.

„Vielleicht kann man ihnen helfen, schneller auf dem Wege der Zivilisation voranzukommen.“

„Wir sollten es versuchen, aber ich glaube, unsere Kraft und unsere Zeit reichen dazu nicht aus. Jede Planetenbevölkerung muß ihren eigenen Weg gehen und sich selbst entwickeln.

Niemand kann ihr dabei helfen oder nützlich sein“, warf Azul ein.

„Wo immer wir auch Leben treffen im All, wir wollen es kennenlernen und ihm nie unsere Freundschaft und unsere Achtung verweigern, wir wollen Verbindungen knüpfen, Wissen und Gedanken austauschen. Das ist euch allen bekannt“, sagte Gohati. „Diese Planetenbewohner haben offensichtlich noch keine hochentwickelte Technik, aber es wird dennoch die Zeit kommen, wo sie uns ebenbürtig sind. Sie sind deshalb schon heute unsere Brüder. Wir wollen sie also kennenlernen. Der Bau der Kreisel erlaubt es uns jedoch, nur zwei aus unserer Mitte zu ihnen zu entsenden.“

„Sil und Azul“, schlug Aerona vor. „Sil kennt Ia-du-lin schon, und Azul interessiert sich doch besonders für ihren Götterglauben.“

Das traf tatsächlich zu. Nachdem die „Kua“ gelandet war, hatten die Heloiden die Aufzeichnungen Sils über Ia-du-lin bei seiner Begegnung mit ihm im langen Tal vom Myonenhirn untersuchen lassen. Dabei hatten sie den Sinn der Worte und Gesten des Menschenwesens zum Teil enträtseln können und auch herausgefunden, daß die Planetenbewohner noch im Zeitalter des Götterglaubens lebten. Jedenfalls deuteten einige Worte Ia-du-lins bei seinem seltsamen Zwiegespräch mit den Biostrombildern Sils in der Kabine des Weißen Pfeils darauf hin. Bei den Bewohnern Heloids war einstmals in sagenhafter Vorzeit ebenfalls der Götterglaube weit verbreitet gewesen.

Deshalb hatte sich Azul eingehend für diese Erscheinung bei den Bewohnern des blauen Planeten interessiert.

Bei der Entzifferung der Aufzeichnungen aus dem langen Tal war aber auch deutlich geworden, daß dieser Sprachschatz längst nicht ausreichte, um sich mit anderen Menschenwesen zu verständigen. Die kleinen myonischen Geräte, die, im Skaphander eingebaut, der Dolmetscher zwischen Heloiden und Menschen sein sollten, konnten mit diesen wenigen Worten kaum einen Satz vollständig in menschliche Laute umformen.

Als die Beratung der Kosmonauten zustimmte, Sil und Azul zu den Menschenwesen zu entsenden, erhielten sie daher zunächst den Auftrag, Ia-du-lin zu suchen und zu begleiten, dabei Kontakt zu anderen Planetenbewohnern aufzunehmen, den Wortschatz der myonischen Dolmetscher zu vervollständigen, dann die Lebenszentren der Menschenwesen aufzuspüren, ihre Produktions- und Kulturstätten kennenzulernen, mit den Klügsten und Weisesten von ihnen bekannt zu werden und den Götterglauben zu untersuchen. Für die Ausführung dieses Auftrages wurden den beiden dreißig Planetenrotationen Zeit gegeben.

Eben wollte man noch festlegen, wie lange der Aufenthalt der Expedition auf diesem Planeten dauern dürfte, als sich Sinio, der Steuerwache hatte, aus der Zentrale meldete. Er sprach so eilig, daß er diesmal sogar sein unumgängliches „Merkwürdig“ vergaß und nur rief: „Er braucht Hilfe — das vereinbarte Zeichen! — Seine Meßsonde ist verstummt!“

Sie sprangen alle auf.

„Schnell!“ drängte Tivia. „Den Weißen Pfeil, mit ihm seid ihr gleich da!“

„Nein“, widersprach Gohati. „Fliegt mit dem Ringflügler. Er ist doch schon für den Forschungsflug zu den Planetenbewohnern ausgerüstet. Er fliegt zwar langsamer, aber richtet keinen Schaden an, wenn er landet oder startet.“

Sil und Azul eilten bald danach hinauf zur Plattform. Wenige Augenblicke später schon startete der Ringflügler.

Sinio sagte ihnen über Funk die Koordinaten jener Stelle der Planetenoberfläche durch, von der aus die letzten Meßergebnisse ausgestrahlt worden waren.

Nach einiger Zeit hatten Sil und Azul diesen Punkt erreicht.

Unweit eines größeren Bodenbuckels entdeckten sie eine Menschenansammlung. Sil stellte den Erider darauf ein und erkannte Ia-du-lin mit seinem Esel inmitten hellgekleideter Planetenbewohner. Wo aber war die Gefahr, in der er und seine Begleiter sich befanden?

Sil und Azul hielten dennoch Umschau, bevor sie landeten.

Der große Bodenbuckel erregte ihre Aufmerksamkeit. Er war von einem breiten grünen Kranz umgeben, auf dem mehrere dunkelfarbige Flecken herumkrochen, ständig ihre äußere Form verändernd. Sil nahm sich nicht die Zeit, sie genauer mit dem Erider zu untersuchen. Schon beim Flug über das bräunliche Land hatten sie auf den grünen Inseln fast immer solche Fladen lebender Masse bemerkt Sil begnügte sich, den Flecken, der der hellen Menschenkette am nächsten war, zu warnen. Er richtete den Strahlenwerfer dorthin und zog zwischen der kriechenden Masse und den Planetenbewohnern einen Strich. Eine dünne Wand aus Feuer, Qualm und Dampf stieg empor, sich schnell verflüchtigend. Der kriechende Fladen reagierte tatsächlich darauf. Fast ruckartig zog er sich zusammen, seinen Mittelpunkt verdichtend. Zwei Zipfel quollen an den Seiten heraus. Sie bogen sich vom Strich des Strahlenwerfers weg und strebten zum Bodenbuckel zurück, den Kern des Fladens nachziehend.

Der Ringflügler sank herab und setzte auf. Während Azul im Flugzeug blieb, um jederzeit startbereit zu sein, ließ sich Sil herausgleiten. Er glitt in seinem glockenförmigen Skaphander Ia-du-lin entgegen. Dieser schien ihn zu erkennen, denn zögernd kam er einige Schritte näher. Die anderen Menschenwesen hielten sich zurück.